Energie-Experte warnt«Elektro-Öfeli sind ineffizient und verbrauchen viel Strom»
Von Herbert Aichinger
21.8.2022
Gas- und Ölnotstand wegen eingeschränkter Versorgung aus Russland: Viele Menschen in der Schweiz haben Angst, im Winter zu Hause frieren zu müssen – und schaffen sich Elektro-Öfen an. Keine gute Idee.
Von Herbert Aichinger
21.08.2022, 00:00
21.08.2022, 14:33
Herbert Aichinger
Während Europa und die Schweiz noch mit dem Hitzesommer und seinen Folgen zu kämpfen haben, bereiten die drohenden Gas- und Öl-Engpässe aufgrund des Ukraine-Kriegs vielen Bürgerinnen und Bürgern grosse Sorgen angesichts des bevorstehenden Winters. Niemand möchte bei Schnee und Eis zu Hause frierend in einer kalten Stube sitzen.
Drohender Energie-Engpass im Winter sorgt für Run auf Elektro-Öfeli
Die Befürchtungen sind durchaus berechtigt, seit durch die Pipeline Nord Stream 1 nur noch 20 Prozent der bisherigen Menge an russischem Gas nach Europa strömen. Auch andere Lieferanten wie etwa Norwegen können den Mangel nicht ausgleichen, wie Ministerpräsident Støre in einem Gespräch mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz mitteilte.
Viele Menschen kramen deshalb ihre alten Radiatoren und Heizlüfter wieder aus dem Keller hervor oder schaffen sich neue Geräte an. Elektrische Heizkörper sind im Handel derzeit der grosse Renner. Auch Solar- und Diesel-Notstromaggregate sind heiss begehrt. So verzeichnete der Schweizer Online-Händler Digitec Galaxus laut «Sonntagszeitung» im Juli 2022 eine Steigerung der Verkäufe von Elektro-Öfeli um 470 Prozent – Tendenz steigend.
Kommt zur Gasnot der Strommangel?
Sollten diese Geräte im kommenden Winter tatsächlich alle zum Einsatz kommen, drohen jedoch neue Probleme. Zum einen ist der Betrieb von Elektro-Heizgeräten aufgrund ihres hohen Energieverbrauchs sehr teuer und treibt die Stromrechnungen in unermessliche Höhen. Zum anderen rechnen Elektrizitätsunternehmen damit, dass der flächendeckende Einsatz dieser Geräte das gesamte Schweizer Stromnetz destabilisieren oder gar zusammenbrechen lassen könnte. Das würde die Situation weiter verschärfen, denn dann würde zum Gasnotstand auch noch eine Strom-Mangellage kommen.
«Elektro-Öfeli sind nicht effizient und verbrauchen viel Strom, um wenig Wärme zu produzieren. Das geht ins Geld. Damit wir über den ganzen Winter mit genug Gas und Strom kommen und die Preise nicht weiter steigen, ist es am besten, ab jetzt Energie zu sparen», erklärt Kurt Bisang, Leiter Geräte und Wettbewerbliche Ausschreibungen beim Bundesamt für Energie.
Mit der EU an einem Strang ziehen
SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga will deshalb künftig in Sachen Energie stärker mit Deutschland kooperieren und sich an den Gas-Sparplänen der EU beteiligen. Im Bundesrat schlägt sie ein Sparziel von 15 Prozent im Zeitraum zwischen August und März vor.
Bereits vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) beschlossen, für 2022/23 eine Wasserkraftreserve einzurichten, um mit erneuerbaren Energien eine zuverlässige Stromversorgung sicherzustellen. Zusätzlich hat der Bundesrat am 17. August den Einsatz von Reservekraftwerken initiiert, die mit einer Leistung von 300 Megawatt mögliche Energieknappheiten im späten Winter abfedern sollen.
Auch in Schweizer Skigebieten könnten sich laut des Verbandes der Bergbahnen Schweiz bis zu 20 Prozent Strom einsparen – etwa durch reduzierte Geschwindigkeit und Betriebszeiten oder eine geringere Anzahl der Gondeln, aber auch durch den Verzicht auf warmes Wasser in den Toilettenanlagen oder die Abschaltung von Werbebeleuchtungen.
Was Privathaushalte gegen das grosse Frieren tun können
Wer zur Miete wohnt, hat oft keine Wahl zwischen Gas, Öl, Strom oder Holz. Bei manchen wird vielleicht der Holzofen, der sonst einfach der Gemütlichkeit wegen lief, doch noch zu einer wichtigen Wärmequelle – vorausgesetzt, die Preise für Brennholz schnellen in den nächsten Monaten nicht ebenfalls in die Höhe.
Kurzfristige Massnahmen, um warm über den Winter zu kommen
Die erste Massnahme zur Reduzierung des Energieverbrauchs ist zweifellos die Absenkung der Raumtemperatur. SVP-Nationalrat Albert Rösti denkt hier lediglich an eine freiwillige Beschränkung auf 22 Grad. Natürlich gilt es auch zu bedenken, dass es der Schimmelbildung Vorschub leistet oder gar zum Platzen von Wasserrohren führen kann, wenn unbewohnte Räume im Winter gar nicht beheizt werden. Elektro-Öfeli eignen sich jedoch nicht dazu, eine ganze Wohnung zu beheizen, sondern allenfalls für die Räume, in denen man sich gerade aufhält.
Weitere Massnahmen, die auf die Schnelle möglich sind und niemandem wehtun: Nicht jedes Zimmer im Haushalt muss permanent beleuchtet sein. Allein mit Lichtausschalten oder dem Ausstecken von Lade- und Standby-Geräten wie Fernseher, Mikrowelle oder anderen Haushaltgeräten lässt sich bereits viel Energie einsparen.
Einige Politiker plädieren auch dafür, Elektro-Öfen gar nicht einzusetzen, weil «die kleinen Stromfresser» im dümmsten Fall «einen Blackout provozieren» könnten, wie der Grünliberale Martin Bäumle befürchtet. Er meint, dass eine Zimmertemperatur von 18 oder 20 Grad durchaus ausreichend ist. Auch SP-Nationalrätin Martina Munz will auf längere Sicht wegkommen von den elektrischen Heizungen und setzt als Alternative auf Photovoltaik und Wärmepumpen.
Dazu Kurt Bisang: «Am meisten Energie kann beim Heizen und beim Warmwasser-Verbrauch gespart werden. Wer duscht statt badet oder die Heizung um 1 bis 2 Grad runterdreht, kann viel sparen. Treppe statt Lift benutzen, Lichter immer löschen, wenn sie nicht gebraucht werden, beim Kochen den Deckel verwenden, alte Geräte immer mit hocheffizienten Geräten ersetzen, Netzgeräte vom Netz trennen, wenn sie nicht gebraucht werden (Standby vermeiden) sind weitere wichtige Tipps.»
Was Hausbesitzer längerfristig tun können
Längerfristig liegt die Lösung für Hausbesitzer tatsächlich in den erneuerbaren Energien. Sonne und Biomasse sind die wichtigsten Mittel, um sich beim Heizen von fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl unabhängig zu machen. Und bei Sanierungskonzepten für Altbauten kann bereits ein modernes Dämmkonzept oder das Ersetzen der Fenster massgeblich zur Reduzierung von Heizkosten und CO2-Emissionen beitragen.