Druck wegen Solarprojekt Bündner Alp-Besitzer müssen 66 Hektaren für 1 Franken verkaufen

dmu

24.1.2024

Im November 2023 wurde im Val Nandro eine PV-Testanlage installiert.
Im November 2023 wurde im Val Nandro eine PV-Testanlage installiert.
EWZ

Für ein Zürcher Solarprojekt hat die Bündner Alpkorporation Val Nandro einem Verkauf von 66 Hektaren Land zugestimmt – zum Preis von 1 Franken. Offenbar ging der Einwilligung ein Druckversuch der Gemeinde voraus.

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  • Die Bündner Gemeinde Surses stimmt am kommenden Montag über ein millionenschweres Solarprojekt des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich ab.
  • Die für den Bau benötigten 66 Hektaren Land hat die Gemeinde erst kürzlich von der Alpkorporation Val Nandro abgekauft – zu einem symbolischen Preis von 1 Franken.
  • Dem Verkauf ging offenbar ein Brief der Gemeinde voraus, wonach die Alpkorporation aufgelöst werde, sollte sie nicht mitmachen.

Eine niedrige dreistellige Millionensumme will das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) investieren, um in der Bündner Gemeinde Surses eine Solaranlage zu bauen. Die Gemeinde ist dafür, doch es regt sich Widerstand, wie der «Blick» berichtet. Am 29. Januar wird an der Gemeindeversammlung über das Vorhaben entschieden.

Für den Bau im malerischen Val Nandro ob Savognin ist eine Fläche von 665'000 Quadratmetern nötig, das entspricht rund 93 Fussballfeldern. Diese sei laut EWZ geradezu ideal für die Produktion von Solarstrom: Die Hänge seien gegen Süden ausgerichtet, das Areal von den bewohnten Gebieten nur knapp einsehbar. Durch ein nahe gelegenes Skigebiet sei zudem die Landschaft bereits erschlossen.

Insgesamt sollen 11'032 Solartische erbaut werden, die künftig einen Jahresertrag von 66 Gigawattstunden liefern sollen. Das entspricht dem Stromverbrauch von mehr als 14'000 Haushalten.

Jährlich 30'000 Franken von Gemeinde

Pikant ist die Vorgeschichte: Bis vor Kurzem gehörte das Land der Alpkorporation Val Nandro. Graubündens grösste Alp-Genossenschaft vertritt die Landwirte, die das Land als Weide benutzen. An der Delegiertenversammlung vom 8. Januar habe die Alpkorporation laut «Blick» aber entschieden, das betroffene Land an die Gemeinde Surses zu verkaufen – zum symbolischen Preis von einem Franken.

Das geschah offenbar nicht ohne Druck: In einem Brief vom 24. November, der dem «Blick» vorliegt, hatte die Gemeinde angekündigt, die Alpkorporation aufzulösen, falls sie dem Verkauf zum Spottpreis nicht zustimmt.

30'000 Franken wolle die Gemeinde künftig jährlich an die Alpkorporation zahlen – nicht als Entschädigung für die Nutzung des Lands, sondern für Durchleitungsrechte und den Weideausfall.

Die Frage stellt sich also: Hat die Gemeinde die Alpkorporation erpresst? «Nein», wird Gemeindepräsident Daniel Wasescha im «Blick» zitiert. Ein gewisser Druck sei vorhanden gewesen, «es war aber keine Drohung».

Anders sieht dies Luzi Thomann, Verwaltungsratspräsident der Tourismus Savognin Bivio Albula AG: «Man kann es schon als Druckmittel ansehen.» So sei der Preis, den die Landwirte erhielten, niedrig. Sie hätten jedoch in der Hoffnung entschieden, dass das Stimmvolk dem Projekt eine Abfuhr erteilt.

Ungewisse Wirkung auf Touristen

Die Solaranlage soll nur 1,8 Prozent der Alpfläche der Korporation belegen. Die Alpkorporation habe die riesige Fläche Land bei einer Fusion von damals vier Gemeinden zugesprochen erhalten. Auch 2016, als die neun Talgemeinden zur Gemeinde Surses fusionierten, seien die Besitzverhältnisse nicht angepasst worden. Gemäss dem Gemeindepräsidenten ein Fehler: «Der Boden sollte im Eigentum der Gemeinde sein, deshalb haben wir nur einen Franken gezahlt», sagt Daniel Wasescha zu «Blick».

Ob sich das Projekt vor dem Volk durchsetzen wird, ist fraglich. Zumal erst letzten Sonntag an der Urne abgelehnt wurde, die Wasserrechtskonzessionen der EWZ für zwei Kraftwerke vorzeitig zu verlängern. Der Anteil an Nein-Stimmen lag bei über 70 Prozent.

Das Projekt werde laut einem Touristik-Experten auch eine abschreckende Wirkung haben auf Touristen, die sich erholen wollen. Gleichzeitig gebe es aber auch Gäste, die das Vorhaben unterstützen, so Wasescha.

Den Landwirten werde laut «Blick» derweil in Aussicht gestellt, dass ihre Tiere unter den Solarpanels grasen können. Ob das allerdings als Argument überzeugt, bleibt bis zum kommenden Montag ungewiss.

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