Höhere Staumauer plus neuer StauseeBis der Grimsel mehr Strom liefert, dauert's noch fünf Jahre
Von Stefan Michel
23.12.2022
Die Erhöhung der Grimsel-Staumauer und das neue Trift-Kraftwerk sind dank eines Entscheids des Berner Regierungsrats einen Schritt weiter. Bis mehr Strom fliesst, geht es aber voraussichtlich bis 2030 – mindestens.
Von Stefan Michel
23.12.2022, 19:56
Stefan Michel
Die Schweiz braucht dringend mehr Strom. Staumauern zu erhöhen und damit mehr Energie zu speichern, ist eine Möglichkeit. Beim Grimselstausee steht dies im Zentrum. Zudem wollen die Kraftwerke Oberhasli auch den rund 13 Kilometer entfernt gelegenen Triftsee stauen und daraus zusätzlichen Strom gewinnen.
Damit in der Schweiz schnell mehr elektrische Energie erzeugt werden kann, haben die Räte in der Herbstsession das Energiegesetz geändert und Bewilligungsverfahren für gewisse Kraftwerke so vereinfacht, dass Kritiker die Verfassung verletzt sehen. Am Beispiel der Projekte Grimsel und Trift zeigt sich: So schnell geht es aber dann doch nicht.
Die Berner Regierung hat die beiden Vorhaben gemeinsam im kantonalen Richtplan festgesetzt, wie sie heute mitteilt. Dies war eine Auflage des Bundesgerichts aus der Zeit vor der Stromknappheit. Die Konzessionen werden trotzdem einzeln erteilt. Für den neuen Trift-Stausee kann es im kommenden Jahr so weit sein, beim Grimselsee dauert es bis 2025, wie Daniel Wachter, Vorsteher des Amts für Gemeinden und Raumordnung, blue News erklärt.
Die Konzession ist aber nur ein weiterer Schritt. Dann beginnt das Baubewilligungsverfahren. «Das wird bei Trift wohl das ganze Jahr 2024 dauern», blickt Wachter voraus. «Dann kann gebaut werden und das ist nicht trivial, es muss eine neue Geländekammer erschlossen werden. Das wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Vor 2030 gibt es kaum zusätzlichen Strom von diesem Stausee.»
Noch länger dauert es, bis die Grimsel-Staumauer erhöht werden kann. Dies, obwohl das Parlament eigens einen «Grimsel-Paragrafen» ins erneuerte Energiegesetz geschrieben hat. Zusätzliche 23 Meter werden die Kapazität des Grimsel-Stausees verdoppeln, was besonders für die Energieversorgung im Winter von Bedeutung ist.
Trotz des besonders in Umweltschutzkreisen kritisierten Entscheids, braucht es für die Erhöhung der Staumauer auf 136 Meter eine neue Konzession und eine Baubewilligung. Die Konzession erteilt der Berner Grosse Rat, also das kantonale Parlament. Dagegen kann das Referendum ergriffen werden.
Wachter präzisiert: «Anders als beim Projekt Trift, wofür die Konzession weitgehend vorliegt, muss diejenige für die Grimselstaumauer-Erhöhung aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids von 2020 neu erarbeitet werden, was Zeit benötigt.»
Im Baubewilligungsverfahren gibt es die üblichen Möglichkeiten, Einsprache zu erheben. «Es braucht auch weiterhin eine Umweltverträglichkeitsprüfung», betont Wachter.
Die zuständige Berner Regierungsrätin Evi Allemann hatte aber schon nach dem Entscheid in der Herbstsession dem Schweizer Fernsehen gesagt: «Die Staumauer-Erhöhung geht mit dem Entscheid allen nationalen, regionalen und lokalen Interessen vor. Dies stellt für allfällige Beschwerden ein kaum überwindbares Hindernis dar.»
Trotzdem rechnet Raumplanungs-Amtsleiter Wachter damit, dass die Baubewilligung frühestens 2026 erteilt wird. Auch er findet es schwierig zu erklären, dass das als besonders dringliche Projekt Grimsel später realisiert wird als das Projekt Trift.
Dabei sind die Arbeiten für eine neue Grimselstaumauer bereits in Gang. Die alte mit Baujahr 1932 hat unbehebbare Schäden. Darum lassen die Kraftwerke Oberhasli 50 Meter vorgelagert eine neue Mauer erstellen. Die alte bleibt stehen und wird geflutet, sobald die neue bereit ist, was voraussichtlich 2025 der Fall sein wird.
Der neue Energieminister Albert Rösti hat noch als Nationalrat und Präsident des Wasserwirtschaftsverbands gefordert, die Staumauer-Erhöhung müsse direkt nach Fertigstellung des neuen Damms geschehen, damit vorhandene Baumaschinen und Installationen weiter genutzt werden können. Bis das zweite Projekt die oben ausgeführten Verfahren durchlaufen hat, wird es dafür aber höchstwahrscheinlich zu spät sein.
Derweil warnen Expert*innen, dass der Strom in der Schweiz im Winter 2023/24 noch knapper werde als diesen Winter schon.