Alternative Stromquellen Beginnt jetzt die grosse Solar-Anbauschlacht?

Von Stefan Michel

27.8.2022

Staumauern sind zurzeit en vogue als Träger von Photovoltaik-Modulen. Um die Winterstromlücke mit Solaranlagen zu überbrücken, reichen die Schweizer Staudämme allerdings nicht aus.
Staumauern sind zurzeit en vogue als Träger von Photovoltaik-Modulen. Um die Winterstromlücke mit Solaranlagen zu überbrücken, reichen die Schweizer Staudämme allerdings nicht aus.
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Der Strompreis auf dem freien Markt ist hoch wie nie. Der Bund stellt ab 2023 weitere Fördermittel für grosse Solaranlagen zur Verfügung. Gute Voraussetzungen, um in Sonnenenergie zu investieren, könnte man meinen.

Von Stefan Michel

Der drohende Strommangel treibt den Marktpreis für elektrische Energie in nicht gekannte Höhen. Das ist für die Unternehmen besonders lukrativ, die Kraftwerke betreiben. Und es könnte sich für jene lohnen, die weitere Anlagen zur Stromerzeugung bauen. 

Hier steht die Solarenergie im Fokus. Denn die Wasserkraft ist in der Schweiz so weit ausgebaut, dass kein wesentlicher Ausbau möglich ist. Die Kernkraft ist per Volksbeschluss ein Auslaufmodell. Für Photovoltaik-Anlagen ist hingegen noch viel Platz.

Der Bund fördert diese seit vielen Jahren. Trotzdem war es lange so, dass sich die Solarstromerzeugung nur lohnte, wenn sie zum Eigenverbrauch betrieben wurde. Solarstrom fällt tagsüber an und ersetzt Hochtarifstrom vom Netz. Solarstrom zu verkaufen war bislang wenig lukrativ. Folglich gibt es in der Schweiz noch wenig grosse Photovoltaik-Anlagen.

Bundesgeld für grosse Photovoltaik-Anlagen

Das soll sich nun ändern. Wer ein Solarkraftwerk ohne Eigenverbrauch bauen will, soll ab 2023 bis zu 60 Prozent der Investitionskosten vom Bund vergütet bekommen. So sieht es die Energieförderungsverordnung vor, die bis Anfang Juli in der Vernehmlassung war.

Die grosszügige Unterstützung ist allerdings mit einer Unsicherheit behaftet. Die Beiträge für Anlagen über 150 Kilowatt Leistung will der Bund über Auktionen vergeben, wie es im Verordnungsentwurf heisst. Wie diese konkret ablaufen, ist noch nicht klar. David Stickelberger, Geschäftsleiter von Swissolar, sieht darin einen Grund, weshalb sich die Stromversorger noch bedeckt halten. 

Dennoch haben einige der Stromkonzerne schon grosse Solaranlagen realisiert oder entsprechende Projekte lanciert: Alpiq beteiligt sich an einer Solarstormanlage oberhalb des Walliser Dorf Gondo, welche die grösste der Schweiz werden soll. Die EWZ erstellen aktuell die zweite grosse PV-Anlage auf einer Staumauer. Axpo generiert auf dem Staudamm am Muttsee im grossen Umfang Solarstrom. All diese Anlagen sollen besonders im Winter Strom liefern, wenn weniger Sonnenstrahlen auf die Solardächer im Mittelland fallen.

Und wenn der Strompreis wieder sinkt?

Braucht es die zusätzliche Förderung überhaupt? Stickelberger ist überzeugt, dass diese grosse Anlagen auf Lagerhallen, Stalldächern, Lärmschutzwänden oder Parkplatzüberdachungen rentabel machen. Gerade erst hat der Bundesrat bekannt gegben, dass er die Lärmschutzwände an Autobahnen für PV-Anlagen kostenlos zur Verfügung stellen wird.

Die Frage stellt sich dennoch, ob die Solarkraftwerke rentabel bleiben, wenn der Strompreis sinkt. Simon Banholzer von der Energiestiftung ist sich sicher, dass in den kommenden Jahren der Preis für Strom nicht mehr so tief fallen wird, dass grosse Anlagen unrentabel werden.

Auf 2500 Metern über dem Meer entsteht die grösste Solaranlage der Schweiz

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Auf der Staumauer auf dem Muttsee im Kanton Glarus entsteht die riesige Solaranlage. Die Herausforderungen beim Bau im alpinen Hochgebirge sind gross: Material und Personal müssen mit dem Heli auf den Berg.

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Simon Banholzer von der Energiestiftung erklärt: «In Frankreich stehen viele AKW still, Gas- und Kohlepreise sind hoch. Beides treibt den Marktpreis für Strom in die Höhe.» Er hält es für gut möglich, dass diese Preise noch einige Jahre hoch bleiben werden. «Doch was ist, wenn der Preis in fünf Jahren wieder sinkt? Solaranlagen haben eine Laufzeit von 25 bis 30 Jahren.»

Freiflächen-Anlagen werden nicht bewilligt

Christian Heierli ist Projektleiter im Bereich Erneuerbare Energien bei Axpo und gibt zu bedenken: «Die finanzielle Förderung allein ist nicht entscheidend. Wichtiger wäre, dass grosse Freiflächen-Anlagen bewilligungsfähig wären. Diese Anlagen erzeugen auf gleicher Fläche im Winter viel mehr Strom pro Quadratmeter Fläche und sind so auch kostengünstiger.»

Das Gleiche gelte für Anlagen im Mittelland in Landwirtschaftszonen: «In beiden Bereichen gibt es positive Entwicklungen, aber das reicht noch lange nicht.» Die Solar-Anbauschlacht geht also erst los, wenn in den Alpen grosse Freiflächen-Anlagen möglich werden. 

Die Stromkonzerne scheinen trotz dieser Unsicherheit verhalten optimistisch. Alpiq und EWZ erklären, dass sie an weiteren grossen Solarprojekten arbeiteten, ohne Details dazu bekannt zu geben. Allerdings seien die Bewilligungsverfahren komplex und ihr Ausgang ungewiss, gibt der Mediensprecher von Alpiq zu Protokoll. 

Flaschenhals: Solar-Baufirmen sind ausgelastet

Dem massiven Ausbau der Solarkraft in nächster Zeit steht ein weiteres Hindernis im Weg: Die Firmen, die die Anlagen bauen, sind nach Angaben von Experten ausgelastet. Dies vor allem mit der Installation von Kleinanlagen auf Wohngebäuden. «Wer jetzt eine Anlage realisieren will, muss mindestens sechs Monate warten, bis eine darauf ausgerichtete Firma mit der Arbeit beginnen kann», hält Stickelberger fest.

Auch in dieser Hinsicht sind grosse PV-Anlagen effizienter: Die gleiche Anzahl Arbeitende erstellen viel mehr Solarfläche, als wenn sie reihenweise Kleinanlagen auf Einfamilienhäusern montieren. 

Der Wille des Bundes, den Solar-Ausbau zu beschleunigen, ist erkennbar. Um eine grosse Solar-Anbauschlacht auszulösen, ist nach Ansicht der Experten noch etwas mehr nötig.