Hohe Unfallzahlen Spart Martullo-Blochers EMS-Chemie auf Kosten der Sicherheit?

klm

6.11.2023

Die Unternehmensgruppe von Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher soll derzeit um jeden Preis versuchen, die Ziele für das Jahr 2023 zu erreichen.
Die Unternehmensgruppe von Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher soll derzeit um jeden Preis versuchen, die Ziele für das Jahr 2023 zu erreichen.
Bild: Keystone/Michael Buholzer

Die EMS-Chemie, geführt von Magdalena Martullo-Blocher, galt lange als Aushängeschild der erfolgreichen Schweizer Wirtschaft. Derzeit soll es aber an mehreren Stellen kriseln, wie ein Medienbericht aufzeigt. 

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Umsätze der EMS-Chemie gingen in den ersten neun Monaten 2023 auf 1,7 Milliarden Franken zurück, ein Minus von 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
  • In dem Unternehmen fahre man deswegen nun auf Sparkurs. Das soll Nachteile für die Angestellten bringen.
  • So seien etwa temporäre Mitarbeiter ausrangiert worden. Bei der Infrastruktur der Produktionsanlagen gebe es ausserdem gravierende Mängel.
  • Die EMS-Chemie widerspricht dem Bericht.

Die berühmten «Seven Thinking Steps» stehen bei der EMS-Chemie immer noch an erster Stelle. Neben den Tipps, die durch einen Dok-Film im Jahr 2010 schweizweit berühmt wurden, gibt es aber noch zehn Führungsgrundsätze. Darunter etwa: «Geht nicht – gibt’s nicht!»

Laut «Blick» gibt es bei der Firma von Magdalena Martullo-Blocher derzeit aber einige Dinge, die nicht gehen. Wie der Konzern in der vergangenen Woche bekannt gegeben hat, gingen die Umsätze in den ersten neun Monaten 2023 auf 1,7 Milliarden Franken zurück, ein Minus von 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 

An dem Hauptsitz der Firma in Domat/Ems GR stehen die Zeichen deshalb auf Sparen. Wie der «Blick» schreibt, seien Abteilungsleiter dazu angehalten, ihre Kosten auf das Niveau des Jahres 2019 zu senken. Das habe Folgen für die Mitarbeiter: Temporäre Angestellte habe man nach Auslaufen der Verträge aussortiert, befristete Verträge seien nicht verlängert worden. 

Kostensenkungen seien ohne Abbau nicht erreichbar

Laut einem Insider sei es auch bei Festanstellungen zu einem grösseren Abbau gekommen. «Die geforderten Kostensenkungen sind ohne den Abbau von Arbeitsplätzen in kaum einer Abteilung zu erreichen», sagt er zum «Blick». 

Ein Kadermann, der anonym bleiben will, fügt an: «Es sind in den letzten Monaten ganz sicher mehr als 30 Kündigungen von Festangestellten ausgesprochen worden.» Eine pikante Zahl: Denn wenn mehr als 30 Angestellte von Entlassungen betroffen sind, besagt das Arbeitsgesetz, dass dies beim Kanton vermeldet werden muss. 

Ein Sprecher der EMS-Chemie widerspricht der Schilderung: «Den behaupteten Abbau von 30 meldepflichtigen Kündigungen können wir in keiner Weise nachvollziehen und weisen das entschieden zurück.» Die Massnahmen bei Temporärangestellten werden aber bestätigt: «Dank der Nichterneuerung von Temporär- und befristeten Verträgen sowie der Verschiebung von einzelnen Mitarbeitern von ‹Griltech›-Anlagen zu ‹Grivory›-Anlagen wurden Entlassungen von festangestellten Mitarbeitern vermieden.»

Produktionsanlagen seien veraltet

Gespart werde auch bei der Infrastruktur. Einige Produktionsanlagen seien über 50 Jahre alt. So würden etwa Pumpwerke oder Trafostationen, die elektrische Energie in den Mittel- oder Niederspannungsstrom umwandeln, teilweise aus den 50er-Jahren stammen. 

Wie Bilder belegen, gebe es dadurch auch zahlreiche Arbeitsrisiken. Ein interner Bericht aus dem Jahr 2022 zeige etwa ungenügend gesicherte Löcher im Boden, improvisierte Stromleitungen mit befestigten Kabelrollen und nicht sichtbare Notausgangsschilder. 

Laut einem Sprecher seien diese Mängel alle inzwischen behoben. Pro Jahr investiere EMS 20 bis 30 Millionen Franken in die Infrastruktur und den Unterhalt. Dass sich manche Mängel häufen, liege auch an der Grösse der Betriebe. 

Was aber bleibt: Bei dem Grossunternehmen gibt es im Vergleich eher viele Arbeitsunfälle. So gab es etwa in der Produktion der Unternehmenseinheit «Grivory» in den vergangenen zwölf Monaten durchschnittlich 7,6 Betriebsunfälle pro 100 Mitarbeiter. Zum Vergleich: Laut Zahlen der Suva liege der Durchschnitt im Bereich «Herstellung von Grund- und Feinchemikalien» bei 2,4 Betriebsunfällen pro 100 Mitarbeiter. 

«In der Mehrheit sind das Fälle, die zu keinem oder zu einem nur sehr kurzen Ausfall von wenigen Stunden im Schnitt führen», verteidigt ein EMS-Sprecher die Zahlen im «Blick». Da der Konzern Sicherheit sehr ernst nehme, werde jede kleine Schürfwunde aufgenommen, was ebenfalls zu den hohen Zahlen führe.

Was bei der EMS-Chemie hoch bleiben soll, sind die Dividenden-Auszahlungen an die Aktionäre. Laut «Blick» sollen sie im Geschäftsjahr 2022 468 Millionen Franken betragen haben. Dabei sollen allein die Hauptaktionärinnen Martullo-Blocher, Miriam Baumann-Blocher und Rahel Blocher 332 Millionen bekommen. Der Personalaufwand betrage zum Vergleich rund 246 Millionen Franken – für sämtliche 2693 EMS-Mitarbeitende.