Energiewende Was für Solaranlagen in den Alpen spricht – und was dagegen

Von Stefan Michel

27.7.2022

Gewisse Voraussetzungen, um Solarstrom zu gewinnen, sind in den Alpen ausgezeichnet. Die schwimmende PV-Anlage auf dem Lac des Toules zeigt aber auch die Schattenseiten.
Gewisse Voraussetzungen, um Solarstrom zu gewinnen, sind in den Alpen ausgezeichnet. Die schwimmende PV-Anlage auf dem Lac des Toules zeigt aber auch die Schattenseiten.
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Die Grünen wollen grosse Solarstrom-Anlagen in den Alpen nicht mehr kategorisch bekämpfen. Werden jetzt die Berge statt des Mittellands zum Schauplatz der Energiewende? Ein Experte vergleicht die beiden Varianten. 

Von Stefan Michel

Die Grüne Partei hat eine Kehrtwende vollzogen: Sie werde grosse Solarstrom-Anlagen in den Alpen nicht mehr zwingend bekämpfen. So steht es in einem Positionspapier der grünen Fraktion, aus dem diverse Medien zitiert haben.

Alpine Solarkraftwerke spielen in der Schweiz bislang nur eine marginale Rolle. Der überwiegende Teil des hierzulande gewonnenen Solarstroms wird von kleinen Anlagen erzeugt, die sich an Gebäuden im Mittelland befinden.

Sogenannte Freiflächenanlagen in den Alpen hätten einige Vorteile. Sie könnten viel grösser dimensioniert werden, als dies auf Hausdächern möglich ist. Zudem liefern sie im Winter mehr Strom, wenn über dem Mittelland oft Nebel liegt. Die alpinen PV-Zellen profitieren zudem von der Sonnenlicht-Reflexion des Schnees. 

Kleinanlagen im Flachland liefern günstigeren Strom

Solarstrom-Anlagen in den Alpen liefern gemäss einer Publikation des Bundesamts für Energie (BFE) in den Wintermonaten bis zu 50 Prozent mehr Strom pro Fläche als Anlagen im Flachland. Die weiteren Faktoren sprechen allerdings eher gegen alpine Freiflächenanlagen.

Simon Banholzer ist Leiter Politik bei der Energiestiftung, welche sich mit Publikationen und Lobbyarbeit für eine umweltfreundliche Energiepolitik einsetzt. Für ihn steht fest: «Volkswirtschaftlich sind kleine Anlagen an Gebäuden im Flachland viel sinnvoller. Sie sind einfach zu installieren und die Anschlüsse an das Stromnetz sind bereits vorhanden.» Dies wirkt sich direkt auf die Stromkosten aus: Je günstiger die Installation und der Betrieb einer Anlage, desto tiefer ist der Strompreis.

Im Übrigen sind grosse Anlagen im Mittelland durchaus möglich, etwa auf Industriebauten. In diesem Bereich wächst die Solarfläche der Schweiz zurzeit besonders stark.

Eine Solarstrom-Anlage in den Alpen zu bauen und zu betreiben, ist ungleich aufwändiger. Viele Orte sind schwer zugänglich und liegen weit weg von der nächsten Stromleitung. All das verteuert den alpinen Solarstrom, ein Umstand, auf den auch das BFE hinweist.

Simon Banholzer von der Energiestiftung fügt an: «Auch die Anlagen im Mittelland erzeugen im Winterhalbjahr ein Drittel ihrer Jahresleistung an Strom.» Und weil der Schweizer Solarpark aktuell zum überwiegenden Teil aus Kleinanlagen an Gebäuden besteht, ergibt dies in der Summe viel mehr elektrische Energie als wenige, nun etwas realistischer gewordene Freiflächenanlagen in der Höhe liefern können.

Solaranlagen stören in den Bergen mehr als im Mittelland

Grosse Photovoltaik-Anlagen in den Alpen haben einen weiteren Makel: Sie stören das Landschaftsbild. Auch im Positionspapier der grünen Fraktion steht, dass sie nur an Orten sinnvoll seien, die «schlecht einsehbar» seien und bei denen «wenige entgegenstehende Interessen» bestehen würden.

Simon Banholzer empfiehlt einen zurückhaltenden Umgang mit alpinen Solarkraftwerken. «Die Akzeptanz der Solarenergie leidet, wenn es in den Bergen, auf die wir Schweizer so stolz sind, zu viele von ihnen gibt.»

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Dennoch bleiben Freiflächen-Anlagen in den Alpen ein Thema. Auf der Staumauer des Muttsees sind vor Kurzem Solarmodule installiert worden, eine Pilotanlage schwimmt auf dem Lac de Toules. Schon lange fährt die Bergbahn auf Muottas Muragl mit Strom, der von Modulen entlang der Strecke erzeugt wird. 

Das BFE verfolgt die Projekte alpiner Solaranlagen weiter und arbeitet aktuell an einem Bericht über das ausschöpfbare Potenzial alpiner PV-Anlagen auf Freiflächen und Infrastruktur. Für Simon Banholzer steht fest: «Wir brauchen alles: kleine und grosse Anlagen im Flachland und grosse Anlagen in den Alpen.»

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