Bilder von leeren Regalen, wo einst Ventilatoren ausgestellt waren, gab es in diesem Sommer noch nicht. Trotzdem rüsten sich Händler für einen Ansturm, denn sie sind sich sicher: Der wird noch kommen.
Eine Hitzewelle überrollt derzeit die Schweiz. Am heutigen Freitag steigen die Temperaturen auf bis zu 35 Grad. Auch morgen Samstag stehen praktisch überall über 30 Grad an, bevor es von Sonntag bis Dienstag rund zehn Grad kühler wird.
Die Hitzetage sind ohne Ventilator zu Hause oder im Büro nur schwerlich zu ertragen. In den letzten Jahren waren deshalb Bilder von leer geräumten Regalen in der Ventilatoren- und Lüftungsabteilung keine Seltenheit. Dieses Jahr aber scheint dies anders zu sein.
«Aktuell sind die Verkaufszahlen von melectronics deutlich unter dem Vorjahreswert», sagt Sprecher Tristan Cerf. Auch bei der Migros Do it + Garden lägen die Verkaufszahlen für Ventilatoren und Kühlgeräte hinter denen des Vorjahres. Dasselbe halten Interdiscount, Fust und Pfister auf Anfrage fest.
Aerosole durch Ventilatoren verteilen
Fern würde der Verdacht nicht liegen, dass das Coronavirus auch einen Einfluss auf den Verkauf von Ventilatoren hat. Schliesslich ist noch nicht abschliessend geklärt, inwiefern sich das Virus über feine Tröpfchen, sogenannte Aerosole, verbreitet. Je nach Raumgegebenheiten könnten Ventilatoren und Lüftungssysteme eine Verteilung dieser Aerosole begünstigen – und so das Risiko einer Ansteckung erhöhen.
Die Händler stellen bisher aber keinen Zusammenhang zwischen den Verkaufszahlen und dem Coronavirus fest. Joy Meier, Sprecherin der Möbel Pfister AG, sagt: «Corona steht als Thema bei unseren Kunden in Bezug auf Kühlsysteme oder Ventilatoren nicht im Fokus.» Beim Verkauf würden die Kundinnen und Kunden denn auch nicht auf ein mögliches erhöhtes Ansteckungsrisiko hingewiesen.
Kein Kundenhinweis
Daniel Rei von brack.ch sagt: «In der Kundenberatung spekulieren wir nicht über die potenzielle Ansteckungsgefahr des durch Ventilatoren im Raum verteilten Aerosols.» Es würde vermieden, den Kunden «irgendwelche nicht wissenschaftlich fundierte Aussagen» mitzugeben.
Auch bei melectronics würden Kundinnen und Kunden nicht speziell informiert. Eine Massnahme habe man dennoch ergriffen, sagt Sprecher Tristan Cerf. «Es wurde den melectronics-Filialen empfohlen, Ventilatoren und mobile Klimageräte nur auf Kundenwunsch in Betrieb zu nehmen und sie danach wieder auszuschalten.»
Wäre mehr Vorsicht und Aufklärung also bereits beim Verkauf von Ventilatoren angebracht? Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) äussert man sich nicht konkret zu dieser Frage. Es heisst aber, dass beim Einsatz von Ventilatoren und Lüftungssystemen einiges zu beachten sei (siehe Box):
Das müssen Sie jetzt über Ventilatoren wissen
Die genaue Bedeutung des Übertragungsweges durch sehr feine Tröpfchen/Aerosole ist laut dem BAG noch nicht geklärt, aber es ist klar, dass bestimmte Situationen ein Risiko darstellen können. Beispielsweise schlecht durchlüftete Innenräume, wo sich Aerosole in der Luft akkumulieren können. Die Stärke der Lüftung muss stets der Anzahl der Personen im Raum angepasst sein.
Risikobehaftet sind auch konstant gerichtete Luftströmungen, welche die Luft über längere Zeit von einer infizierten Person zu einer nicht infizierten Person tragen können – ohne dass sich diese Luft unterwegs genügend vermischen/verdünnen kann. Sprich: In schlecht durchlüfteten Räumen bringen selbst die Distanzregeln nichts mehr.
In gut mit Frischluft durchlüfteten Räumen sind wechselnde Luftströmungen laut dem BAG hingegen kein Risiko. Beim natürlichen Lüften gilt: regelmässig und abhängig von Raumgrösse und Personenzahl, mindestens aber alle 1 bis 2 Stunden, 5 bis 10 Minuten gut durchlüften.
Es ist es wichtig, Arbeitsräume ausreichend zu durchlüften.
Ventilatoren, Klima- und Umluftgeräte sind also nur bei guter Durchlüftung des Raumes und wechselndem Ausstrahlwinkel zu verwenden.
Bei mechanischen Lüftungen sollte die Luftwechselrate maximiert werden.
Auf das Ansteckungsrisiko in unmittelbarer Nähe von infizierten Personen hat die Raumlüftung hingegen keinen Einfluss – dieses bleibt stets hoch.
Trotz eines womöglich erhöhten Ansteckungsrisikos durch Ventilatoren und Lüftungssysteme sind sich die Händler sicher, dass die Nachfrage noch steigen wird. «Wir gehen davon aus, dass diese im Verlauf des Sommers noch anzieht, da viele Menschen den Sommer hierzulande verbringen», sagt Brack-Sprecher Daniel Rei.
Und auch Andrea Fürer, Sprecherin von Fust, meint: «Sollten die Temperaturen für eine längere Zeit tagsüber und über Nacht anhaltend warm bleiben, ist mit einer ähnlich hohen Nachfrage wie im letzten Jahr zu rechnen.»
Der bisher schleppende Verkauf sei denn auch nicht auf Corona, sondern auf den bisher eher milden Sommer zurückzuführen. «Aufgrund der bisher kühleren Temperaturen als im Vorjahr ist die Nachfrage dieses Jahr gesamthaft geringer, hat in der aktuellen Hitzewoche aber stark zugenommen», so Interdiscount-Sprecherin Alexandra Friedli.
Leere Regale wie etwa im Rekordsommer letztes Jahr seien dennoch nicht zu befürchten. Die Händler sagen, sie hätten ihre Lehren gezogen und sich für dieses Jahr entsprechend gerüstet. «Das Sortiment von Ventilatoren und Kühlsystemen wurde aufgrund des Runs auf unsere Handventilatoren letztes Jahr ausgebaut», sagt Joy Meier von der Pfister Möbel AG.
Lager bereits früh gefüllt
Wie gross der Ansturm auf Ventilatoren und Kühlsystemen noch ausfällt, hängt laut Meier massgeblich vom Wetter ab. «Wir rechnen künftig vermehrt mit Temperaturen über 30 Grad.»
Ähnlich tönt es bei Brack. «Wir haben aus den vergangenen Jahren gelernt und unsere Strategie dahingehend angepasst, dass wir gut gerüstet sind», sagt Sprecher Daniel Rei. Man achte darauf, das Lager in Willisau SG bereits früh mit hohen Stückzahlen von Ventilatoren und Klimaanlagen einzudecken. «Damit wir sie auch bei anhaltender Hitze für unsere Kunden schnell verfügbar halten können.»