Spitäler stehen vor der Triage «Allenfalls müssen Leben geopfert werden»

lmy

28.12.2021

Bereits im Januar könnten Spitäler vor Triage-Entscheiden stehen, heisst es aus dem Kanton Luzern. Diese sollen nach geltenden Richtlinien und transparent erfolgen. Auch in Deutschland fordert das höchste Gericht klare Regeln.

lmy

«Es ist eher fünf nach zwölf auf den Intensivstationen», sagt der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf am Dienstag vor den Medien. Sein Kanton hat darüber informiert, wie die Spitäler mit Triage-Situationen umgehen würden. In einer solchen müssen die Ärzte entscheiden, wen sie retten und wen nicht, weil die Ressourcen nicht für alle Patient*innen reichen.

Weil die Intensivstationen in der Schweiz durch die vielen schwerkranken Corona-Patient*innen derzeit stark belastet sind, befürchten viele, dass solche Entscheidungen demnächst bevorstehen. So weit ist man in Luzern noch nicht, aber die Lage auf den Intensivstationen spitze sich zu, hinzu komme die schnelle Ausbreitung von Omikron.

Die Spitäler versuchten, die Kapazitäten so hoch wie möglich zu halten – etwa mit Besuchsverboten – und damit den Zeitpunkt von Triage-Entscheiden so weit wie möglich hinauszuzögern. Doch falls es dazu komme, sollten diese Entscheide nach geltenden Richtlinien und transparent getroffen werden.



Weder die Erkrankungsart – also Covid- oder Non-Covid – noch der Impfstatus dürften dabei eine Rolle spielen. Entscheidend sei die kurzfristige medizinische Prognose sowie die zu erwartende Behandlungsdauer. Das oberste Gebot sei, möglichst viele Leben zu retten.

Doch «allenfalls müssen Leben geopfert werden», wenn die Kapazitäten fehlen. Andreas Fischer, Co-Leiter des Ethik-Forums des Luzerner Kantonsspitals, betonte: «Wir müssen uns auch im Kanton Luzern auf die Eventualität von harten Triage-Entscheiden vorbereiten – nicht nur in den Spitälern, sondern auch als Gesellschaft.»

Bereits im Januar könne es zu Triage-Fällen kommen. Auch Einschränkungen im Operationsbetrieb seien unumgänglich. Das führe zu Engpässen in der dringlichen Behandlung von Nicht-Covid-Patient*innen.

Deutscher Bundestag muss Regeln erarbeiten

In Deutschland hat sich derweil das Bundesverfassungsgericht mit der Triage befasst. Neun Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen hatten Verfassungsbeschwerde eingereicht. Sie befürchten, bei einer Triage benachteiligt und von Ärzten aufgegeben zu werden.

Triage-Untersuchung in Locarno: Das oberste Gebot ist, möglichst viele Leben zu retten.
Triage-Untersuchung in Locarno: Das oberste Gebot ist, möglichst viele Leben zu retten.
KEYSTONE

Das höchste deutsche Gericht gibt ihnen nun recht, wie es am Dienstag bekannt gab. Niemand dürfe bei der Zuteilung von intensivmedizinischen Behandlungen benachteiligt werden. Der Bundestag muss nun «unverzüglich» Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen bei einer allfälligen Triage treffen.

Von Fachgesellschaften kommen bereits klinisch-ethische Empfehlungen, bei denen Gebrechlichkeit und Vorerkrankungen der Patient*innen ins Gewicht fallen. Die Kläger*innen befürchten, dass sie benachteiligt werden wegen ihrer statistisch schlechteren Überlebenschancen.