Eine Kernschmelze im Versuchsreaktor Lucens VD beendete 1969 die nuklearen Träume der Schweiz. Dabei hatten die Betroffenen noch Glück im Unglück.
Ein Modell des Versuchsatomkraftwerks Lucens im Kanton Waadt, aufgenommen im Mai 1965: Die Schweiz träumte von einem Reaktor Marke Eigenbau – und der Atombombe.
Bei dem Störfall breitete sich die Radioaktivität bis zum 100 Meter entfernten Kontrollraum aus.
Weil die Dekontaminations-Duschen nicht funktionierten, mussten sich verstrahlte Arbeiter mit einem Provisorium behelfen.
Im ehemaligen Versuchsatomkraftwerk Lucens im Kanton Waadt erinnert nur noch wenig an den Traum von einer strahlenden Schweizer Zukunft..
Ein Teil des Versuchsatomkraftwerks Lucens im Kanton Waadt, wird heute als Musemsdepot genutzt.
Atomkraftwerkgegner bei der Anti-AKW-Demonstration am Pfingstmontag des Jahres 1978 in Lucens.
50 Jahre Atom-Störfall von Lucens
Eine Kernschmelze im Versuchsreaktor Lucens VD beendete 1969 die nuklearen Träume der Schweiz. Dabei hatten die Betroffenen noch Glück im Unglück.
Ein Modell des Versuchsatomkraftwerks Lucens im Kanton Waadt, aufgenommen im Mai 1965: Die Schweiz träumte von einem Reaktor Marke Eigenbau – und der Atombombe.
Bei dem Störfall breitete sich die Radioaktivität bis zum 100 Meter entfernten Kontrollraum aus.
Weil die Dekontaminations-Duschen nicht funktionierten, mussten sich verstrahlte Arbeiter mit einem Provisorium behelfen.
Im ehemaligen Versuchsatomkraftwerk Lucens im Kanton Waadt erinnert nur noch wenig an den Traum von einer strahlenden Schweizer Zukunft..
Ein Teil des Versuchsatomkraftwerks Lucens im Kanton Waadt, wird heute als Musemsdepot genutzt.
Atomkraftwerkgegner bei der Anti-AKW-Demonstration am Pfingstmontag des Jahres 1978 in Lucens.
Beim schlimmsten Atomunglück ihrer Geschichte schrammte die Schweiz 1969 haarschaf am GAU vorbei. Eine Kernschmelze im Waadtländer Versuchsreaktor beendete buchstäblich die strahlende Zukunft.
Vor 50 Jahren ereignet sich in Lucens VD das schlimmste Atomunglück der Schweizer Geschichte. Im unterirdischen Versuchskraftwerk kam es zur Kernschmelze – ein Störfall des Schweregrads 5 von 7. Der Traum vom Reaktor Marke Eigenbau und von der Atombombe platzte.
Dem Strahlenschutzbeauftragten rutschte schier das Herz in die Hose, als er kurz nach der überraschenden Selbstabschaltung der Anlage seinen Kontrollgang machte. Am Eingang zur Reaktorkaverne hing eine Personen-Kontrollmarke. Mit solchen Plaketten zeigten in Lucens Arbeiter an, dass sie sich im jeweiligen Bereich aufhielten.
Hinter der Tür, in der Reaktorhöhle, war schon allein die Konzentration an ausgetretenem Kühlgas tödlich. Die Radioaktivität konnte erst gar nicht gemessen werden, weil sie über dem Maximum auf den Messinstrumenten lag. Doch Glück im Unglück: Der entsprechende Arbeiter wurde heil und munter anderswo aufgefunden. Er hatte vergessen, seine Marke abzuhängen.
Aber die Reaktorkaverne war nicht ganz dicht: Die Radioaktivität breitete sich bis zum 100 Meter entfernten Kontrollraum aus. In der dem Reaktor nächstgelegenen Maschinenkaverne wurde eine mit dem Abstellen der Turbine beschäftigte Equipe verstrahlt. Da die Dekontaminations-Duschen unbrauchbar waren, mussten die Arbeiter in einem Provisorium ohne Warmwasser duschen – eine recht prickelnde Erfahrung so mitten im Winter, wie ein Zeitzeuge 1972 auf einem Kongress in Karlsruhe berichtete.
Die geheimen Atombunker der US-Regierung
Die geheimen Atombunker der US-Regierung
Die «Doomsday Clock», die Weltuntergangsuhr, steht seit Januar auf zwei Minuten vor zwölf: Die Menschheit war seit 1953 nicht mehr so nah an einer globalen Katastrophe, wie Wissenschaftler erklärten. Ein wesentlicher Grund dafür seien die Drohungen des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump, im Ernstfall auch Atomwaffen einzusetzen.
In Bloomfield im US-Bundesstsat Virginia befindet sich eine 2,3-Quadratkilometer grosse Bunkeranlage, die vor allem für Regierungsbeamte und Geheimdienste vorgesehen ist.
Der US-Präsident (links) wird stets von einem Militär-Attaché begleitet, der den Atomkoffer (in der linken Hand) trägt. Darin enthalten sind die Atomcodes, ein Ordner mit strategischen Szenarien und eine Liste mit sicheren Bunkern für den Präsidenten.
Das kennt man aus Filmen wie «Independence Day»: Im Ernstfall werden der US-Präsident und andere politische und militärische Führer mit einem UH-1N Huey Helikopter aus Washington ausgeflogen.
Besonders verstärkte Mikrowellentürme wie hier in den Appalachen im US-Bundesstaat Pennsylvania sollten im Kalten Krieg die Kommunikation im Falle eines Nuklearangriffs sicherstellen.
Übrigens: Für umgerechnet 25'000 Franken können sich Normalsterbliche einen Platz in einem Bunker sichern und im Falle einer Katastrophe einziehen. 99 Jahre gilt der Mietvertrag zum Beispiel in einem ehemaligen Munitionsbunker der US-Armee in der Nähe von Edgemont, South Dakota:
575 Bunker hat der Entwickler Robert Vicino gekauft und will sie zu einer Survival-Community für 5000 Zivilisten ausbauen.
Im ehemaligen Atombunker Mount Pony lagerte dier US-Notenbank heimlich Milliarden von US-Dollar ein, um das Land nach der Apokalypse mit Cash versorgen zu können. Die Anlage wurde 2007 in eine Lagerstätte für Film- und Audiodateien der Library of Congress umgewandelt.
Die Kommandozentrale der nationalen Luftverteidigung ist in einem Bunker in den Rocky Mountains untergebracht, der 30-Megatonnen-Atombomben, elektromagnetischen Schockwellen sowie Angriffen mit biologischen und chemischen Waffen standhalten soll.
Gesichert wird der Bunker unter anderem von 23 Tonnen schweren Türen.
Zwei Meilen geht es in den Berg hinein.
Die Anlage gilt als sicherster Regierungsbunker der Welt.
300 Mitarbeiter überwachen von dort aus den Luftraum der USA mit besonderem Augenmerk auf Bomber- und Raketenangriffe.
Die Mitglieder des US-Repräsentantenhauses wären im Kalten Krieg in einem Bunker in West Virginia untergebracht worden, wo sie von einer Pappfigur des ehemaligen US-Präsideten Dwight D. Eisenhower empfangen worden wären.
In dem Bunker gab es sogar einen Sitzungsaal für die Abgeordneten.
Die Anlage war gross genug, um alle 535 Repräsentanten sowie jeweils einen Mitarbeiter zu beherbergen.
Verletzte hättenauf einer Intensivstation betreut werden können.
Der Bunker war unter anderem mit Dekontaminierungsanlagen ausgestattet, aber auch mit einem Krematorium.
Im Kalten Krieg verfolgte das US-Militär die Strategie der völligen Auslöschung des Gegners im Falle eines Atomangriffs. In speziellen Bunkern wurden die sogenannten «Peacekeeper»-Raketen überwacht, die bis zu zwölf Atomsprengköpfe tragen konnten.
Mit dem START II-Abkommen 2005 wurden die «Peacekeeper»-Raketen abgerüstet und die Abschussbunker geschlossen.
Regelmässige Nachmessungen
Gegen aussen war die Anlage auch nicht ganz hermetisch, aber zwei angeforderte Strahlenschutzbeauftragte der Eidgenössischen Kommission für die Überwachung der Radioaktivität konnten in den umliegenden Dörfern nur einen geringen Anstieg der Strahlung feststellen.
Die unterirdische Bauweise der Anlage hatte Bevölkerung und Umwelt vor dem schlimmsten bewahrt. Zugleich war sie wohl auch mit schuld an der Havarie: Von aussen eindringendes Wasser war immer wieder ein Problem gewesen.
So auch nach der ersten dreimonatigen Betriebsphase 1968, als die Anlage zwecks Revision stillgelegt wurde. Von der Belegschaft unbemerkt drang Wasser ein und brachte die Magnesiumummantelung der Brennstäbe zum Korrodieren. Die Rostflocken sanken nach unten und verstopften die Kanäle für das Kühlgas. Als der Betrieb in den frühen Morgenstunden des 21. Januars 1969 wieder aufgenommen wurde, dauerte es 13 Stunden bis zu Kernschmelze, Brand und Explosion.
Die Anlage wurde bis 1973 rückgebaut, das radioaktive Material in Fässer eingeschweisst und zum Teil auf dem Gelände eingemauert, zum Teil ins Zwischenlager Zwilag in Würenlingen verbracht. Der Bund liess die Strahlung in und um die Anlage bis in die 1990er Jahre regelmässig messen – ohne besorgniserregenden Befund. Heute nutzt der Kanton Waadt diejenigen Räume, die nicht zubetoniert wurden, als Museumsdepot.
Infrarotbilder: Gespenstisches Tschernobyl
Infrarotbilder: Gespenstisches Tschernobyl
Mit einem Infrarotfilter gelangen dem Fotografen Vladimir Migutin beeindruckende Aufnahmen von Tschernobyl und Umgebung: Unter diesem Sarkophag steht das explodierte Atomkraftwerk.
Das Duga-Radarsystem wurde als Teil des sowjetischen Frühwarnsystems vor Raketenangriffen verwendet.
Das 26 Meter hohe Riesenrad im Vergnügnungspark von Prypjat steht seit 30 Jahren still.
Auf einem Weg der Erinnerung stehen die Schilder aller Ortschaften, die nach der Nuklearkatastrophe evakuiert wurden.
Menschen hat er keine gesehen: Doch Fotograf Vladimir Migutin entdeckte in der Todeszone immer wieder Tiere, wie diesen zutraulichen Fuchs, der von Touristen den Namen Simon verpasst bekam.
In der Konzerthalle von Prypjat wird schon lange keine Musik mehr gespielt.
Auch der Autoscooter im Vergnügungspark steht still.
«The Bucket» heisst der riesige Baggergreifarm, der einst auf dem radioaktiv verseuchten Gelände zum Einsatz kam.
Ein Trolleybus rostet in vor sich hin.
Vor dem Super-Gau von Tschernobyl am 26. April 1986 lebten in Prypjat knapp 50'000 Menschen. Heute ist der Ort eine Geisterstadt.
Nur in der Erinnerung ist die Schwimmhalle von Prypjat noch mit Leben erfüllt.
Die Natur freilich erobert sich den Ort zurück.
Schmetterlinge geniessen die ungestörte Ruhe, ahnungslos ob der Tragödie von 1986.
Familien mussten damals das Gebiet nach der Reaktorkatastrophe Hals über Kopf verlassen. Zurück blieben stumme Zeugen des nuklearen Exodus.
Vladimir Migutin (32) hat sich auf Infrarot-Fotografie spezialisiert, eine Technik, die es erlaubt, feinste Details herauszuarbeiten.
Migutin lebt in Israel: Sein Trip in die verbotene Zone von Tschernobyl sei eine spontane Idee gewesen, sagt er.
Aus mit der strahlenden Aussicht
Die Schweiz war haarscharf an einem Gau vorbeigeschrammt – und schwieg hübsch still. Als zehn Jahre später in Three Mile Island bei Harrisburg ein Atomunfall vom selben Schweregrad vorfiel, ging ein Aufschrei um die Welt.
Nicht so im Fall von Lucens. Ende der 1960er-Jahre genoss man in der Schweiz noch die strahlende Aussicht auf Atomkraft als saubere und unerschöpfliche Energiequelle. Und dass bei der Stromproduktion waffenfähiges Plutonium als Spaltprodukt anfiel, kam der Schweiz im Kalten Krieg auch ganz gelegen.
In den letzten Jahren haben mehrere Kritiker betont, dass das militärische Interesse im Fall von Lucens primär war – und nicht die zivile Nutzung zur Stromversorgung. Denn als der Versuchsreaktor am 29. Januar 1968 erstmals Elektrizität ins öffentliche Netz abgab, war das bereits kalter Kaffee.
Anstatt auf den eigenen Reaktor zu warten, hatten sich Stromproduzenten wie BKW oder NOK für den Bau von Atomkraftwerken mit amerikanischen Reaktoren entschieden. Bereits 1965 hatten die Bauarbeiten für das AKW Beznau I begonnen, zwei Jahre später für das AKW Mühleberg. Sulzer hatte sich 1967 aus dem Projekt Lucens verabschiedet.
Lucens liefert Stoff, aus dem Krimis gemacht werden
Dass in Lucens danach trotzdem weiter gebaut wurde und sich dabei die budgetierten Kosten fast verdoppelten, führen zwei Autoren von neueren Büchern auf das Interesse an der Atombombe zurück: der Physiker und Chemiker Peter Beutler in seinem Krimi «Lucens» und der Historiker Michael Fischer in seinem demnächst erscheinenden Sachbuch «Atomfieber».
Zusammen mit dem Energie- und Atompolitikberater Mycle Schneider referieren und diskutieren die beiden am 21. Januar auf einer Veranstaltung der Energiestiftung Schweiz im Volkshaus in Zürich.
Die Kernkraftwerke der Schweiz
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