Baume-Schneider startet Pilotprojekt 24-Stunden-Asylverfahren soll Nordafrikaner abschrecken

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23.11.2023

Menschen im Bundesasylzentrum auf dem Glaubenberg im Kanton Obwalden. (Archivbild)
Menschen im Bundesasylzentrum auf dem Glaubenberg im Kanton Obwalden. (Archivbild)
Keystone/Alexandra Way

Geflüchtete aus Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien dürfen nur in den seltensten Fällen in der Schweiz bleiben. Neu sollen sie innert eines Tages ihren Asylentscheid erhalten: Der Bund testet ein neues Blitzverfahren.

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  • Das Staatssekretariat für Migration (SEM) testet in Zürich ein neues 24-Stunden-Verfahren für Asylsuchende aus Nordafrika.
  • Das Ziel: Die Betroffenen sollen innert nur eines Tages erfahren, ob sie aufgenommen werden oder nicht.
  • Der Bund erhofft sich davon eine abschreckende Wirkung: Weniger Menschen aus Nordafrika sollen ein Gesuch stellen.
  • Die Flüchtlingshilfe sieht diese neuen Blitzverfahren skeptisch.

Seit sie Anfang Jahr ihr Amt angetreten ist, steht Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider in der Kritik von rechts: Die SVP lässt keine Chance ungenutzt, um gegen das «Asylchaos» im Land und die zuständige Justizministerin der SP zu wettern.

Nun startet das bei Baume-Schneider angesiedelte Staatssekretariat für Migration (SEM) einen Versuch, um mehr Kapazitäten im Asylsystem freizuschaufeln: In Zürich wurde vergangene Woche ein Pilotversuch für neue 24-Stunden-Verfahren gestartet. Das berichten sowohl die Tamedia-Titel als auch die «Tagesschau» von SRF.

Nur ein kleiner Teil der Nordafrikaner*innen kann bleiben

Diese neuen Blitzverfahren werden für den Asylentscheid von Menschen aus Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien angewendet. Das Ziel sei, dass sämtliche Arbeitsschritte, die für den Asylentscheid entscheidend seien, innert eines Tages abgewickelt werden.

Dass Menschen aus Nordafrika im Fokus stehen, hat gemäss «Tages-Anzeiger» seinen Grund: Sie machten mit rund 22 Prozent einen grossen Teil der Asylgesuche aus. Doch nur die wenigsten werden als Flüchtlinge anerkannt: Laut Bericht sind es in diesem Jahr weniger als 2 Prozent.

Die überwiegende Mehrheit werde in ihr Heimatland oder einen anderen Dublin-Staat zurückgeschafft. Bis dahin harrten sie in Schweizer Asylunterkünften aus, was die Platzknappheit verschärfe.

Anders sieht das bei Menschen aus dem ostafrikanischen Eritrea aus: Ihnen wird aktuell in 51 Prozent der Fälle Asyl gewährt, in 29 Prozent werden sie vorläufig aufgenommen. Nur in 20 Prozent der Fälle gibt es ein Nein. 

Bund hofft auf eine abschreckende Wirkung

«Grundsätzlich kann natürlich jede Person bei uns ein Asylgesuch stellen», erklärte SEM-Mediensprecher Daniel Bach der «Tagesschau» von SRF. Das Ziel des Bundes sei es aber, «dass diejenigen, die eben wirklich keine Aussicht auf Asyl oder eine vorläufige Aufnahme haben, hier gar kein Asylgesuch stellen.»

Heisst im Klartext: Die neuen Schnellverfahren sollen vor allem eine abschreckende Wirkung erzielen.

Wie realistisch solche 24-Stunden-Verfahren sind, muss sich zeigen: Denn trotz der ambitionierten Frist dürften viele Asylsuchende wohl nicht schon nach einem Tag wieder abreisen. Allein schon die Identifizierung ist oftmals nicht so schnell möglich, wenn etwa Papiere aus einem anderen Land beschafft werden müssen. Ausserdem bleibt auch ein Rekurs gegen einen negativen Asylentscheid möglich.

Das Bundesasylzentrum effektiv schon nach einem Tag verlassen müsste jemand nur, wenn er oder sie die Mitwirkungspflichten verletzt. «In diesem Fall wird das Asylverfahren eingestellt – ohne Beschwerdemöglichkeit», heisst es dazu beim «Tages-Anzeiger».

Flüchtlingshilfe sieht Rechte der Geflüchteten in Gefahr

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe sieht die Turboverfahren kritisch: Es erscheine «unrealistisch, den Sachverhalt eines Asylgesuches in einem solchen Tempo gerecht abklären zu können», sagt Mediensprecherin Eliane Engeler bei SRF. Sie denkt hierbei etwa an die Identifikation von besonders verletzlichen Personen, die schwer traumatisiert sind.

Engeler sagt, das eigentliche Problem sei der Platz in den Bundesasylzentren. Wenn jetzt die Verfahren derart beschleunigt würden, würden die Rechte der Geflüchteten gefährdet.

Der Pilotversuch in Zürich dauert bis Ende Februar 2024.

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