Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump wirft dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor, dass dieser keine Abmachung mit Moskau treffe, um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden.
26.09.2024
Donald Trump fährt einen neuen Ukraine-Kurs: Analog zum Afghanistan-Einsatz fordert er einen Rückzug der USA aus dem Konflikt. Das Tischtuch mit Wolodymyr Selenskyj ist zerschnitten: Ein Treffen lehnt Trump ab.
Philipp Dahm
26.09.2024, 12:02
01.10.2024, 17:24
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
«Wir stecken in diesem Krieg fest, bis ich Präsident bin»: Donald Trump fährt einen neuen Ukraine-Kurs.
Trump argumentiert, die Russen seien nun mal Krieger und dass vor allem die USA Kiew finanzierte, während Europa bloss schwächelte.
Darum greifen seine Argumente zu kurz.
Ein Treffen mit Wolodymyr Selenskyj, der gerade die USA besucht, lehnt Trump ab: Das sind die Gründe.
Donald Trump macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. «[Joe] Biden und Kamala [Harris] haben uns in den Krieg in der Ukraine verwickelt», sagt der 78-Jährige am 25. September in Savannah, Georgia. «Und jetzt können sie uns nicht herausziehen.»
Und weiter: «Ich habe ihn gesehen: ‹Wir werden gewinnen.› Er sagt das seit ... drei Jahren.» Vom wem der New Yorker spricht? «Jedesmal, wenn [Wolodymyr] Selenskyj in die Vereinigten Staaten kommt, geht er mit 100 Milliarden Dollar weg. Ich denke, er ist der beste Verkäufer der Welt.»
Dass Trump so denkt, ist nicht neu. Mitte Juni hat er den «Verkäufer»-Spruch zum ersten Mal gebracht. Damals sprach er allerdings noch von 60 Milliarden Dollar. Neu ist, dass der Republikaner den Überfall auf die Ukraine so darstellt wie den US-Einsatz in Afghanistan.
«Wir stecken in diesem Krieg fest, bis ich Präsident bin»
«Wir stecken in diesem Krieg fest, bis ich Präsident bin. Ich schaffe das. Ich kriege das hin, dass verhandelt wird. Ich gehe raus. Wir müssen rausgehen», beschwört er sein Publikum. «Biden sagt», Trump verstellt die Stimme: «‹Wir werden nicht gehen, bis wir gewinnen. Was passiert, wenn [die Russen] gewinnen?›»
What Trump has said about the war in Ukraine:
- Ukraine should surrender because Russia "always wins war" - He's called for people to "boo" Zelenskyy - He's said that he would lift the sanctions against Russia and Iran - He's said the US needs to "get out of Ukraine war", which… pic.twitter.com/3GnkRdfDGR
Diese Frage beantwortet der Präsidentschaftskandidat grad selbst – mit einem Verweis auf die Geschichte.: «Das ist das, was [die Russen] tun: Sie bestreiten Kriege. Es ist, wie es mir neulich jemand erzählt hat: Sie haben Hitler geschlagen. Sie haben Napoleon geschlagen. Das ist, was sie tun: Sie kämpfen.»
Trumps Informant scheint allerdings kein Amerikaner gewesen zu sein, denn ohne die massive materielle Hilfe aus Washington würde in Moskau heute sehr wahrscheinlich Deutsch gesprochen.
Weiter behauptet Trump, die USA hätten Kiew «an die 300 Milliarden Dollar» gegeben. «Wisst ihr, was Europa ihnen gegeben hat? Sie haben ihnen ungefähr ... einen kleinen Bruchteil davon gegeben. Nur einen sehr kleinen Bruchteil.»
Trumps neue Ukraine-Botschaft
Das ist schlichtweg falsch: Während die USA am Stichtag 30. Juni 2024 75,1 Milliarden Dollar bereitgestellt haben, summiert sich die Unterstützung aus Europa auf 110,2 Milliarden Dollar, schreibt das Kiel Institut für Weltwirtschaft.
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Patrick Semansky/AP/dpa
Doch Trump geht es ohnehin nicht um Fakten: Die Russen können gut Krieg führen, und dabei sollte man ihnen nicht in die Quere kommen. Der ukrainische Präsident ist ein Abzocker. Und der Einzige, der die USA aus diesem Osteruopa-Schlamassel herausziehen kann, ist Trump. Das ist die Botschaft.
Dass das Tischtuch zwischen dem ehemaligen amerikanischen und dem amtierenden ukrainischen Präsidenten zerschnitten ist, wird spätestens bei Selenskyjs aktuellem US-Besuch deutlich, bei dem der 46-Jährige sich eigentlich mit dem Republikaner treffen wollte.
Trump lässt Selenskyj bei dessen US-Besuch auflaufen
Doch Trump hat ihm eine Abfuhr erteilt. Zum einen soll sich der Amerikaner an einem Termin am 23. September gestört haben: Selenskyj hat im Beisein demokratischer Politiker eine Munitionsfabrik in Scranton besucht. Die Visite im Swingstate Pennsylvania sei wie ein Wahlkampf-Auftritt für den politischen Gegner, kritisieren Konservative.
Zum anderen ist Trump genervt, weil Selenskyj ihm Kontra gibt. Am 24. September sagt er bei einem Auftritt Mint Hill, North Carolina: «Der Präsident der Ukraine ist im unseren Land und er macht kleine abfällige Bemerkungen über euren Lieblingspräsidenten – mich.»
Of course, Donald Trump makes President Zelenskyy’s visit all about himself.
"The president of Ukraine is in our country and he's making little nasty aspersions toward your favorite president..." pic.twitter.com/4i7YRo5K27
Trump spielt wahrscheinlich auf ein Selenskyj-Interview mit dem «New Yorker» an, in dem der die Ukraine-Strategie der beiden republikanischen Spitzenkandidaten kritisiert. Trump will beide Parteien an einen Tisch bringen, indem er Kiew droht, die Waffen-Hilfe einzustellen und Moskau bedeutet, er werde der Ukraine deutlich mehr Unterstützung zukommen lassen, falls Putin nicht mitmacht.
Trumps designierter Vize James David Vance ist in der Causa ähnlich kritisch wie sein Boss. Kiew müsse verhandeln, weil von den eigentlichen Problemen ablenke, die die Amerikanerinnen und Amerikaner hätten. Dabei müsse «alles auf den Tisch kommen».
«Die Ukraine ist weg»
Trump geht in Mint Hill noch weiter. «Die Ukraine ist weg», sagt er in North Carolina. «Es ist nicht mehr die Ukraine. Man kann diese Städte nicht mehr ersetzen, und man kann nie die toten Leute ersetzen, so viele tote Leute. Jeder Deal, sogar der schlechteste, wäre besser als das gewesen, was wir jetzt haben.»
Trumps Liebesentzug für Selenskyj schlägt bereits auf seine Partei durch, berichtet CNN. Das Weisse Haus hingegen bemüht sich gegenzusteuern: Joe Biden will seine verbleibende Zeit im Amt explizit dazu nutzen, um Kiew möglichst viel Hilfe zukommen lassen, falls diese nach der Wahl im November versiegt. Das nächste Hilfspaket, das wohl heute publiziert wird, soll acht Milliarden Dollar schwer sein.
Wolodymyr Selenskyj jedoch spielt ein riskantes Spiel. Nichts erinnert heute an sein Verhalten im September 2019, als er darüber sprechen sollte, ob er Negatives über Hunter Biden herausfinden sollte. Obwohl das der Fall war, hlt sich der Ukrainer höflich bedeckt.
Sollte Trump die Wahl im November gewinnen, hat Selenskyj eindeutig verloren. Es würde «Kiew eine Krise bescheren, aber würde eine Niederlage nicht garantieren», schreibt «Foreign Affairs». Sollte Washington sich in Isolation begeben, müssten halt die Europäer mehr machen. Zudem sei Kiews Rüstungsindustrie im. Aufwind.
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