Late Night USA Jon Stewarts wilder Ritt über den Nahen Osten endet mit ... Trump

Philipp Dahm

24.9.2024

Ja, auch Donald Trump kommt in dieser Geschichte vor, aber erst am Ende. Und nichts und niemand verrät, ob es in einem negativen Kontext sein wird. Auch Jon Stewart nicht. Das ist der Mann rechts.
Ja, auch Donald Trump kommt in dieser Geschichte vor, aber erst am Ende. Und nichts und niemand verrät, ob es in einem negativen Kontext sein wird. Auch Jon Stewart nicht. Das ist der Mann rechts.
YouTube/The Daily Show

Jon Stewart nimmt die Zuschauerschaft der «Daily Show» auf einen wilden Ritt mit, bei der die Late-Night-Legende mit Kritik an Israels Regierung beginnt, US-Waffenlieferungen moniert – und beim Antisemitismus endet.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Jon Stewart kritisiert in der «Daily Show» den Krieg in Nahost und insbesondere die Phrase «Deeskalation durch Eskalation».
  • Der jüdische Late-Night-Host moniert auch, dass Washington Waffen liefert, ohne über deren Einsatz Bescheid zu wissen.
  • Während im US-TV Kritik am Krieg oder an Premier Netanjahu abgelehnt wird, widersprechen viele Israelis mit deutlichen Worten.
  • Auf das Argument, solche Kritik fördere den Antisemitismus, hat der Moderator seine ganz eigene Antwort.

«Was, wenn man wirklich die volle kognitive Dissonanz und Sprach-Gymnastik erleben will», beginnt Jon Stewart in der «Daily Show», «die angewendet werden muss, um zu beschreiben, was im Nahen Osten in den letzten 5, 6 ... Ich weiss nicht, 10'000 Jahren passiert ist?»

Es sei nicht einfach, darüber zu reden, was gerade in Israel und seinen Nachbarländern geschehe, sinniert der jüdische New Yorker und zeigt nach 29 Sekunden einen CNN-Clip mit dem israelischen Analysten Barak Ravid.

«Was die israelische Regierung sagt – und die Biden-Administration hat diese Idee auf viele Arten unterstützt –», erklärt Ravid, «ist ‹Deeskalation durch Eskalation›.»

Jon Stewart guckt, ...

Deeskalation durch ... Eskalation? Jon Stewart ist skeptisch. Links im Bild: CNN-Mann Barak Ravid.
Deeskalation durch ... Eskalation? Jon Stewart ist skeptisch. Links im Bild: CNN-Mann Barak Ravid.
YouTube/The Daily Show

... tut so, als mache er Notizen und sagt: «Oder – wie man es manchmal auch nennt – ‹Krieg›!» Stewart ist in Fahrt: «Hört ihr euch manchmal selbst zu? Deeskalation durch Eskalation, wo habe ich das schon mal gehört?»

Deeskalation durch Eskalation

Der 61-Jährige wühlt unter dem Tisch und zieht eine Ausgabe von George Orwells Dystopie «1984» hervor. «Nein, darin ist es nicht», sagt er, kramt erneut herum und nimmt Kurt Vonneguts «Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug» in die Hand. «Nein, darin ist es nicht», heisst es erneut, und das Spiel geht von vorne los, endet diesmal aber mit «Garfield – Fat Cat 3-Pack».

John Stewart lacht sich in die Realitätsflucht: «Oh, John, diese Katze hat dein Junggesellenleben ins Chaos gestürzt!»
John Stewart lacht sich in die Realitätsflucht: «Oh, John, diese Katze hat dein Junggesellenleben ins Chaos gestürzt!»
YouTube/The Daily Show

«Doch hier kommt der schlimmste Teil», wird Stewart ernst. «Das Land, das den Nahen Osten mit den ganzen Bomben versorgt – obwohl wir die Bomben jetzt wohl Eskalierer nennen müssen –, scheint keine Ahnung zu haben, wann diese Bomben eingesetzt werden.»

Im Clip ab Minute 2:26 bekundet eine Sprecherin des Weissen Hauses: «Wir wurden von den Israelis nicht über ihren Angriff oder dessen Ziel in Kenntnis gesetzt.» Aussenminister Antony Blinken bekräftigt: «Das ist etwas, dessen wir uns nicht bewusst waren oder in das wir involviert waren.» Und: «Die Vereinigten Staaten wussten nichts über diese Vorfälle.»

Ein saftiger Spruch

«Sie erzählen euch gar nichts, wie?», fragt Stewart ketzerisch: «Habt ihr mal eure Pager gecheckt?» Die Anspielung bezieht sich natürlich auf die Geheimdienst-Operation gegen Hisbollah-Kräfte mit explodierenden Kommunikationsmitteln, die Hunderte getötet und Tausende verletzt hat.

Stewart bläst nach dem bitterbösen Pager-Spruch die Backen auf.
Stewart bläst nach dem bitterbösen Pager-Spruch die Backen auf.
YouTube/The Daily Show

«Mein Gott», führt die Late-Night-Legende aus, «es muss doch noch andere Wege geben, eine Deeskalation zu erreichen ausser diesem ‹respektvollen Austausch von Raketen›.» Es habe entsprechende Möglichkeiten gegeben, doch Israels Premier Bejamin Netanjahu scheine daran kein Interesse zu haben.

«Oh mein Gott», fasst sich Stewart gespielt erschrocken an den Mund, «ich habe Netanjahu kritisiert. Was habe ich getan?» Der Einspieler ab Minute 3:19 zeigt, worauf der Moderator anspielt: Ein TV-Kommentator brandmarkt Kritik an Netanjahu und dem Krieg als «schändlich». Ein anderer sagt, solche Kritik freue die Hamas.

Was für ein Antisemit ist Israels Ex-Premier?

«Wisst ihr, wer vielleicht überrascht sein wird, das zu hören?», fragt Stewart. «Die Israelis, die dem Krieg und Netanjahu gegenüber unglaublich kritisch sind.» Im Clip ab Minute 4:29 kommen Köpfe aus Israel zu Wort, die die Regierung anzählen und bekunden, Netanjahu tue alles, um einen Frieden zu verhindern.

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

«Was für Antisemiten sind der frühere Premier von Israel und der Verteidigungsminister», ruft der Gastgeber aus. «Und dennoch werden Leute dieses Segment sehen und sagen: ‹Okay, Israel ist vielleicht nicht perfekt, aber es zu kritisieren, giesst Öl ins Feuer. Sorgst du dich nicht um Antisemitismus?›»

Doch das würde er verneinen: «Ich glaube, Antisemitismus wird es gut gehen», feixt Stewart. «Er ist meiner Erfahrung nach sehr widerstandsfähig. Er ist auch nicht wirklich an irgendein Ereignis oder Krieg oder eine Aktivität oder die Realität gebunden. Um Gottes willen: Kanye [West] dachte, wir hätten ihm seinen Adidas-Deal versaut. Haben wir nicht. Wir brauchen nur Einlagen, das ist alles.»

«Antisemitismus wird den Krieg überleben»

Der 23-fache Emmy-Gewinner setzt zum Finale an: «Antisemitismus wird den Krieg überleben – so wie er alle Kriege überlebt hat seit den tapferen Hebräern von Masada.» Nun wechselt die Kamera, Stewart lehnt sich ins Bild und sagt vertraulich: «Siehst du, Rabbi? Ich habe in der Sonntagsschule sehr wohl aufgepasst.»

Auf ein Wort, Rabbi! Den Begriff «Sonntagsschule» darf man in dem Zusammenhang nicht wörtlich nehmen.
Auf ein Wort, Rabbi! Den Begriff «Sonntagsschule» darf man in dem Zusammenhang nicht wörtlich nehmen.
YouTube/The Daily Show

«Wisst ihr was?», endet der Vortrag, «vielleicht liege ich falsch. Vielleicht hören die Beschuldigungen von wegen der Pest, der spanischen Inquisition oder jüdischen Weltraum-Lasern auf, wenn Israel es richtig macht und der Frieden regiert. Die Leute werden nicht mehr grundlos und bequem den Juden die Schuld geben, wenn die Dinge nicht genau so laufen, wie sie es gern hätten.»

Dann folgt dieser Ausschnitt:

Donald Trump sagt, dass die Juden schuld seien, falls er verliert. «Son of a bitch», ist Stewarts letzter Kommentar.