Selenskyj lobt Erfolge der ukrainischen Flugabwehr
Nach einem Tag mit schweren russischen Raketenangriffen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Erfolge der Flugabwehr unterstrichen. Von etwa 50 russischen Marschflugkörpern und Raketen seien 45 abgeschossen worden, sagte Selenskyj in seiner Videobotschaft am Montagabend.
Der Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko, Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko, lobte ein aus Deutschland geliefertes Flugabwehrsystem. Auf Twitter schrieb er: «Die heutigen Angriffe auf die Ukraine konnten nur dank der deutschen Raketenabwehr verhindert werden! 16 Raketen wurden durch Iris-T abgefangen!»
01.11.2022
Der Winter kommt: Während es an den Fronten in der Ukraine kaum noch Bewegung gibt, kann Kiew zumindest auf neue Waffenhilfen aus dem Westen zählen. Besonders Jets und Flugabwehr stehen im Fokus.
Der Krieg in der Ukraine friert langsam ein. Nachts fallen die Temperaturen auf wenige Grad über Null: In Charkiw soll das Quecksilber Samstagnacht erstmals unter den Gefrierpunkt sinken. In Cherson im Süden sind es ein paar Grad mehr, doch auch hier wird der Winter bald zwangsläufig Einzug halten.
Zumindest ist es trocken und einigermassen klar. Das bedeutet, dass die Luftwaffen der Konfliktparteien freie Bahn haben: Die Ukraine meldet am 31. Oktober zehn Luftangriffe, bei denen auch Luft-Boden-Raketen zum Einsatz gekommen sein sollen. Kiew selbst will 14 Einsätze geflogen haben und 2 russische Helikopter abgeschossen haben.
Abschuss eines russischen Helikopters vom Typ Mi-8 Hip durch eine schultergestützte ukrainische Flugabwehr-Rakete nahe Spirne im Oblast Donezk. Angeblich gehörte er zur Wagner-Gruppe.
Apropos Luftkampf: Bei diesem Thema schlägt die Ukraine ein neues Kapitel auf. Der Hintergrund: Die USA haben 100 Millionen Dollar ausgelobt, um Kiews Piloten auf westlichen Mustern zu trainieren. Nun kommt offenbar Schwung in die Sache.
Laut «Ukrajinska Prawda» hat ein Sprecher der Luftwaffe angekündigt, man habe nun die Piloten ausgewählt, die angeblich lernen sollen, Jets wie die F-16 Falcon, die F-15 Eagle oder womöglich die F/A-18 Hornet zu fliegen. Es gehe um «Dutzende» Piloten, deren Ausbildung nun beginnen soll. Mit welcher Ausrüstung, das müssten nun die «Partner» der Ukraine entscheiden, heisst es diplomatisch.
Verstärkung für Kiews Luftabwehr
Solange Kiews Luftwaffe nicht aufgerüstet ist, muss die Flugabwehr die Verteidigung gegen Raketen und Drohnen übernehmen. Die jüngsten Salven von Marschflugkörpern machen insofern Hoffnung, als dass das deutsche System Iris-T zuletzt eine Abfangquote von 100 Prozent erreicht hat, meldet das ukrainische Militär.
Schützenhilfe soll in diesem Bereich bald aus der Türkei sowie aus Italien und Frankreich kommen. Der Rüstungsriese Baykar kündigt an, seine Bayraktar künftig mit Luft-Luft-Raketen bestücken zu wollen. So soll die Drohne, von denen Kiew mehrere Exemplare im Arsenal hat, in die Lage versetzt werden, iranische Billig-Drohnen wie die Shahed-136 abschiessen zu können, berichtet «Daily Sabah».
SAMP/T mit der Aster-30 im übungseinsatz.
Italien und Frankreich bündeln derweil ihre Kräfte, um der Ukraine das Flugabwehr-System SAMP/T liefern zu können. Es verschiesst die Aster-30-Rakete, die auch dafür geeignet ist, ballistische Flugkörper vom Himmel zu holen. Sie hat eine Reichweite von bis zu 120 Kilometer und gilt als sehr zuverlässig, kostet aber auch rund zwei Millionen Euro – pro Stück.
Italien schnürt militärisches Hilfspaket
Das sei «die beste Option, die Europa liefern kann», lobt der britische «Defence Express». Paris verfügt demnach über 40 Einheiten, Rom über 20. Mit neun Exemplaren könnte «die Ukraine gut abgedeckt werden», analysiert das Fachmagazin den Bedarf.
Und wenn es nach «La Repubblica» geht, ist es das mit der italienischen Waffenhilfe noch nicht gewesen: Die neue rechte Regierung hat demnach weitere Lieferungen zugesagt. Zwei Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ M270, sechs Panzerhaubitzen 2000, 20 bis 30 Geschütze vom Typ M109L und Dutzende M113-Schützenpanzer sollen das neue Paket abrunden.
Ein neues Paket haben auch die USA geschnürt: Washington schickt vor allem Munition ins Kriegsgebiet. Zum einen gibt es weitere Raketen für die Himars, aber auch 500 Stück Präzisionsmunition im Format 155 Millimeter. Hinzu kommen 2000 Remote Anti-Armor Mine (RAAM).
Russland reiht sich in die Reihe der Unterstützer ein
Dabei handelt es sich um 155-Millimeter-Geschosse, die sich im Flug in neun Panzerabwehr-Minen teilen. Abgerundet wird das Ganze von vier Satelliten-Antennen, 125 High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicles (HMMWVs) und über 1300 nicht spezifizierten Panzerabwehrsystemen.
Mit Blick auf die Kriegsführung stechen zwei Meldungen heraus: Zum einen will Israel die Ukraine angeblich mit einem militärischen Kommunikationssystem ausrüsten. Und zum anderen hat Russland Kiew unfreiwillig mit ausreichend Panzern versorgt, um ein eigenes Bataillon bestehend aus eroberten T-62 aufstellen zu können.
Wie wichtig die Schützenhilfe des Westens ist, zeigt ein aktuelles Video von Ende Oktober: Darin sind ukrainische Soldaten in einem britischen Mastiff unterwegs, als sie über eine Mine fahren. Der Clip zeigt, dass das Fahrzeug die Männer effektiv vor der Explosion schützt. Ausserdem unterstützt London die Verteidiger mit Experten, die Cyber-Angriffe Russlands abwehren, wie nun bekannt gemacht worden ist.
Lagebild Ukraine
An den Frontabschnitten gibt es derzeit kaum Bewegung. Im Norden bereitet sich die ukrainische 14. mechanisierte Brigadegerade angeblich auf einen weiteren Vorstoss nach Osten vor. Ziel ist es weiterhin, die Strasse P-66 abzuschneiden, über die Swatowe und Kreminna mit Nachschub versorgt werden.
Die Kämpfe um Bachmut halten an, ohne dass eine Seite nennenswerte Geländegewinne verzeichnen kann. Dafür konnten russische Soldaten nördlich des Flughafens von Donezk beim Dorf Optyne Boden gutmachen. Auch beim Dorf Pavlivka sollen sie vorrücken. In Cherson gibt es dagegen keine Bewegung: Beide Seiten bekämpfen sich vor allem mit Artillerie und Luftwaffe.
Zur Realität des Krieges
Zuletzt noch drei Videos, die einen kleinen Einblick in den rauen, grauen Alltag auf dem Schlachtfeld geben. Der erste Clip zeigt ein früheres Hauptquartier der Russen in der Stadt Balaklija. Bürgerinnen erzählen, wie sie dort gefangen gehalten wurden und überlebten.
Im zweiten Clip berichtet ein amerikanischer Freiwilliger eindringlich von seinen Erlebnissen an der Front. Der junge Mann aus Tennessee berichtet von Phosphor-Angriffen und Todesschreien. «Wir kämpfen gegen das reine Böse», ist sich «Elvis» sicher.
Der dritte Clip stellt die russische Legion vor, die aufseiten der Verteidiger gegen Wladimir Putin kämpft. «Es ist ein Kampf um unsere eigene Zukunft», sagt Soldat «Rex» dazu. Er und seine Kameraden berichten auch vom Procedere, um vom Kriegsgefangenen zum Freiwilligen aufzusteigen.