Coronavirus Wie in Wuhan: Gespenstische Szenen in Italien

dpa/tsha

23.2.2020

Städte abgeriegelt, menschenleere Gassen, rasant steigende Infektionszahlen – diesmal nicht in China, sondern direkt vor unserer Haustür: Italien wird von einem Covid-19-Ausbruch überraschenden Ausmasses erfasst.

Beim Karneval in Venedig sind sie gerade wieder sehr präsent: die typischen Schnabelmasken, die Ärzte in Zeiten der Pest trugen, um sich zu schützen. Doch zunehmend bestimmt in Norditalien ein anderer Mundschutz das Strassenbild und eine ganz junge Seuche macht den Menschen Angst: Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 ist im Land. Wie grossflächig es schon um sich gegriffen hat, lässt sich derzeit kaum absehen.

Es ist der weitaus schlimmste bekannte Ausbruch von Sars-CoV-2 in Europa. In der stark betroffenen Stadt Codogno waren viele Strassen am Wochenende menschenleer, die Stadt wirkte wie eine italienische Miniaturausgabe der abgeriegelten chinesischen Millionenstadt Wuhan.

Verunsicherung macht sich breit

Unter den Infizierten ist auch mindestens ein Unilever-Beschäftigter, Mitarbeiter der lokalen Fabrik tragen auf der Strasse Mundschutz – und immer mehr Anwohner tun es ihnen gleich. Etliche Schulen und Geschäfte sind geschlossen, zig Sportveranstaltungen und andere Grossevents abgesagt.

Für die Menschen Norditaliens ist die rasante Entwicklung kaum zu fassen, Angst greift um sich. Bis Mittwoch schien die Welt noch in Ordnung, nur drei Infektionen waren landesweit bekannt, alle drei wurden früh erkannt. Am Donnerstag folgte der Schock: Bei einem schwer erkrankten 38-Jährigen in einer Klinik in Codogno wurde das Virus nachgewiesen.

Die italienischen Behörden reagierten schnell, stellten zig Menschen unter Quarantäne, veranlassten umfassende Tests auf das Virus bei Spitalpersonal, Verwandten, Arbeitskollegen und Freunden des Mannes.



Doch das Virus hatte da schon längst Dutzende weitere Menschen erfasst, darunter Ärzte und Krankenschwester der Klinik in Codogno. Unterdessen wurde ein weiterer, zunächst deutlich kleinerer Ausbruch in Venetien bekannt. Dort starb in der Gemeinde Vo ein 78-Jähriger wohl an Covid-19, der vom Virus verursachten Lungenkrankheit, wie die Behörden annehmen.

Mehr als zehn Menschen in seinem Umkreis sind ebenfalls infiziert. In der Lombardei wurde das Virus bei einer am Donnerstag verstorbenen 77-Jährigen nachgewiesen.

Behörden riegeln Städte ab

Am Samstagabend greift die italienische Regierung hart durch, um eine weitere Ausbreitung von Covid-19 im wirtschaftlich wichtigen Norden einzudämmen: Knapp ein Dutzend Orte südöstlich von Mailand mit etwa 50'000 Einwohnern sowie Vo mit rund 3'000 Bewohnern werden abgeriegelt.

«Das Betreten und Verlassen dieser Gebiete ist verboten», sagte Regierungschef Giuseppe Conte. Sicherheitskräfte würden eingesetzt. «Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein.» Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe «strafrechtliche Verfolgung». Auch ein verfrühtes Ende des eigentlich noch bis Dienstag dauernden Karnevals in Venedig wird erwogen.

Derweil wird nach dem Ursprung beider Ausbrüche gesucht. Möglicherweise brachten Touristen oder Geschäftsleute aus China das Virus irgendwann unwissentlich mit. Die Statistiker zählen in Italien rund 300'000 Chinesen, dazu kamen zuletzt jährlich 5,3 Millionen Übernachtungen aus dem Land.

Pandemie wohl nicht mehr aufzuhalten

Die Entwicklung in Italien zeigt ebenso wie die zunehmend kritische Situation in Südkorea, dem Iran und anderen Ländern, dass eine Pandemie, ein unaufhaltsamer weltweiter Siegeszug des Virus, wohl nicht mehr aufzuhalten ist. Noch am Freitag hatte der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewarnt, dass das Zeitfenster dafür immer kleiner werde. «Wir dürfen nicht eines Tages zurückblicken und es bereuen, dass wir von diesem Zeitfenster nicht Gebrauch gemacht haben», so Tedros Adhanom Ghebreyesus.

In immer mehr Ländern fällt erst auf, dass das Virus längst grosse Kreise gezogen hat, wenn Menschen schwer erkranken oder sterben. So war es im Iran, so war es in Südkorea, so ist es nun auch in Italien.

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