Coronavirus EDA: Keine Warnung vor Reisen nach Italien

SDA/dpa/tsha

23.2.2020 - 17:55

In Italien werden immer mehr Infektionen mit dem Coronavirus gemeldet, es gibt einen dritten Todesfall. Das BAG beobachtet die Situation «genau», das EDA spricht aber keine Warnung für Reisen nach Italien aus.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Tessiner Spitäler stellen Personen mit Grippesymptomen unter Quarantäne
  • In der Nähe der Schweizer Grenze wurde ein Fall des Coronavirus gemeldet
  • In Italien steigt die Zahl der Infizierten, Städte werden abgeriegelt, ein dritter Todesfall wurde gemeldet
  • Politiker aus dem Tessin fordern die Schliessung der Grenzen
  • In China stieg die Zahl der Infizierten auf mehr als 77'000

Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) warnt derzeit nicht vor Reise nach Italien. «Wir raten Schweizer Bürgern in Italien, sich an die lokalen Hinweise der Gesundheitsbehörden zu halten», sagte Sprecherin Noémie Charton allerdings gegenüber «20 Minuten».

Die Notaufnahmen der Tessiner Spitäler haben unterdessen auf die hohe Zahl an Coronafällen im Nachbarland Italien reagiert. Personen mit Grippesymptomen werden isoliert und in Quarantäne gebracht, wie die Sonntagszeitung «Il caffè della domenica» in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Dies gilt für alle Patienten mit solchen Symptomen; bisher war dies nur für Patienten vorgesehen, die sich in jüngster Zeit in China aufgehalten hatten.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ergreift trotz zunehmender Anzahl an Coronavirus-Erkrankten in Italien bislang keine weiteren Massnahmen wegen des Virus. Die Schweizer Behörden beobachten die Situation in Italien «genau». Das teilte das BAG am Sonntag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Die Situation könne sich jedoch schnell ändern. In Bezug auf die Situation in Italien sagte das BAG, dass es sich um einen lokalen Ausbruch handle, der mit allen Mitteln unter Kontrolle gebracht werden müsse. 

Mehr als 130 Fälle in Italien

Bis zum Sonntagnachmittag waren bereits mehr als 130 Sars-CoV-2-Fälle erfasst. Allein in der Lombardei sind inzwischen rund 90 Infektionen nachgewiesen, wie der Präsident der Region, Attilio Fontana, dem Sender SkyTG24 sagte. In Venetien gab es nach letzten Zahlen 24 Infizierte. Darunter seien zwei ältere Personen, die in Venedig im Krankenhaus seien, sagte der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia. Hinzu kamen mehr als ein Dutzend Nachweise in den Regionen Emilia-Romagna und Piemont.

Italien ist das europäische Land mit den weitaus meisten erfassten Sars-CoV-2-Infizierten. Bislang wurden dort drei Todesfälle gemeldet, zunächst eine 77-jährige Frau in der Lombardei und ein 78-jährigen Mann in Venetien. Am Sonntagabend wurde ein dritter Todesfall bekannt: Eine ältere, vorerkrankte Frau sei gestorben, die in der Klinik von Crema in der Onkologie gelegen habe, sagte der Gesundheitsbeauftragte der Region Lombardei, Giulio Gallera.

In Deutschland wurden bisher 16 Fälle gemeldet, in Frankreich zwölf, darunter ein Todesfall. Aus der Schweiz ist kein Fall bekannt.

Fall nahe Schweizer Grenze

Nur rund 25 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt hatte sich kürzlich ein Mann mit dem Coronavirus infiziert. Wie «La Repubblica» berichtet, handelt es sich um einen 17-Jährigen aus dem Veltlin. Der Mann, der an einem landwirtschaftlichen Institut in Codogno studiert, wurde demnach positiv getestet.

Die Nachrichten aus Italien haben die Tessiner Öffentlichkeit aufgeschreckt, weil der Virus immer näher an die Grenze rückt. Das Tessin ist zwar ein Schweizer Kanton, geographisch aber ein Teil Norditaliens. Der Kanton reicht wie ein Stachel in die Lombardei hinein. Zudem arbeiten im Tessin zirka 68'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, das heisst Personen, die täglich von den italienischen Grenzregionen zur Arbeit ins Tessin pendeln.

Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, fordert der Tessiner Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri, die Grenze zu Italien dicht zu machen. «Schliesst die Grenzen», schrieb der Politiker demnach in einem Blogpost. Allen Grenzgängern solle der Zugang verweigert werden. Der Tessiner SVP-Grossrat Tiziano Galeazzi möchte hingegen, dass Grenzgänger mit Temperatur-Scannern überprüft werden.

Wie CVP-Nationalrat Marco Romano gegenüber «20 Minuten» erklärte, halte er es für möglich, dass Grenzgänger das Coronavirus in die Schweiz bringen könnten. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sei untätig. «Gestern relativierte das BAG, der Ausbruch beschränke sich auf Italien. Dabei ist das Tessin mitten im betroffenen Gebiet», so Romano.



Regierung in Alarmbereitschaft

Die italienische Regierung will die Ausbreitung des Coronavirus im Norden des Landes stoppen und die am stärksten betroffenen Städte abriegeln. Das teilte die Regierung in Rom am Samstagabend mit. Damit werden Zehntausende in den Gebieten lebende Menschen eingesperrt.

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte kündigte die Notfallmassnahme nach Krisengesprächen mit der Zivilschutzbehörde des Landes an. «Das Ziel ist es, die Gesundheit der italienischen Bevölkerung zu schützen», sagt Conte. In Italien verteilten sich die Infizierten auf die Lombardei, Venetien und die Region Piemont.

Der berühmte Karneval in Venedig wird aus Sorge wegen der Ausbreitung des Coronavirus im Norden Italiens abgesagt. Das teilte der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, am Sonntag mit. «Wir müssen uns drastischen Maßnahmen anpassen», sagte Zaia Reportern in der Region Venetien. Dazu zähle die Absage des Venezianischen Karnevals «und sogar noch mehr».

Schulen geschlossen

In zehn Gemeinden der Lombardei wurden Schulen und ein Grossteil der Geschäfte vorübergehend geschlossen. Rund 50'000 Einwohner sind aufgerufen, möglichst zuhause zu bleiben. Grossveranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden verboten. Auch in Venetien wurden Massnahmen vorbereitet, die eine weitere Ausbreitung des Virus verhindern sollen.

Angesichts der Lage in Italien bereitet sich Frankreich unterdessen auf eine Ausbreitung des Coronavirus vor. Die Lage im Nachbarland werde «aufmerksam verfolgt», sagte Gesundheitsminister Olivier Véran im Gespräch mit dem «Le Parisien» (Sonntag). «Eine Epidemie? Wir bereiten uns darauf vor», wurde der Minister zitiert.



Dutzende Neuinfektionen auf «Diamond Princess»

Von den Crewmitgliedern und Passagieren des Kreuzfahrtschiffes «Diamond Princess» in Japan sind weitere 57 positiv auf das neue Coronavirus Sars-CoV-2 getestet worden. Das berichtete der japanische Fernsehsender NHK am späten Sonntagabend (Ortszeit). Damit erhöht sich die Zahl bekannter Infektionen unter Menschen von Bord des Kreuzfahrtschiffs auf mehr als 690. Einschliesslich dieser Fälle zählt Japan inzwischen mehr als rund 840 Infektionen.

Zuvor hatte das Gesundheitsministerium einen dritten Todesfall unter den Menschen von Bord der «Diamond Princess» gemeldet. Der Japaner in den 80ern sei einer Lungenentzündung erlegen. Ob er positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurde, teilte das Ministerium nicht mit, da die Familie nicht ihr Einverständnis gegeben habe, berichteten Medien.

Lage in Korea spitzt sich zu

Auch auf der koreanischen Halbinsel spitzt sich die Lage zu: Wie die Gesundheitsbehörden am Samstag mitteilten, wurden in Südkorea binnen eines Tages 229 weitere Ansteckungen mit Sars-CoV-2 nachgewiesen, am Sonntag stieg die Zahl erneut um mindestens 90. Damit stieg die Zahl erfasster Fälle auf insgesamt mehr als 600. In keinem anderen Land ausserhalb Chinas, wo Covid-19 im Dezember ausgebrochen war, wurden bisher mehr Infektionen gemeldet. Am Sonntag rief das Land die höchste Warnstufe aus.

In China lag die Zahl in der offiziellen Statistik erfasster Infektionen am Sonntag bei gut 77'000, mehr als 2'400 Menschen starben an der Lungenkrankheit. Experten gehen von einer weitaus höheren Dunkelziffer in der Volksrepublik aus. Die mit Abstand meisten Todesfälle und Infektionen werden weiter aus der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei gemeldet, wo Covid-19 im Dezember in der Millionenstadt Wuhan ausgebrochen war.

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