Von Doha bis Los Angeles Wie es die Menschen in den Hotspots der Welt aushalten

DPA, gbi

25.7.2022 - 00:00

Abkühlung in Indien: Ein Mann kühlt sich in der Nähe des Ganges mit Waser ab.
Abkühlung in Indien: Ein Mann kühlt sich in der Nähe des Ganges mit Waser ab.
Bild: Keystone

In der Schweiz jammern viele über die aktuelle Hitzewelle, in anderen Ländern haben die Menschen mehr Routine damit. So geht die Bevölkerung in notorisch heissen Metropolen mit Extremtemperaturen um.

Bangkok

In der thailändischen Hauptstadt sind die Menschen an Hitze gewöhnt, eine «kühle Jahreszeit» gibt es nicht. Viele Thais ziehen sich deshalb aber nicht aus, sondern vermummen sich – sie tragen lange Ärmel, Hüte und Schirme. Das schützt vor Hitze und Sonne, aber auch vor unerwünschter Bräune: Möglichst weisse Haut gilt in Thailand als Schönheitsideal.

Wer in Bangkok lebt, wird wegen der extremen Hitze auch fast zwansgläufig zum Frühaufsteher. Schon kurz nach Sonnenaufgang sind die Märkte voll, in den Parks treffen sich die Menschen zum Zumba oder Yoga. Aber nichts ist besser zur Erfrischung geeignet als die kühlen Shoppingmalls. Für viele fungieren «Siam Paragon», «Terminal 21» oder «EmQuartier» am Wochenende als zweites Zuhause, denn die Einkaufstempel bieten alles von Mode über Massagen und Fitness bis zu Gourmettempeln und Kinos.

Singapur

Kein gutes Pflaster für Hitzegeplagte: Die Temperaturen in dem supermodernen, aber auch megaheissen Stadtstaat steigen doppelt so schnell an wie weltweiten Mittel. Das von der Regierung geförderte Projekt «Cooling Singapore» entwickelt Strategien, um die Temperaturen zu senken und den Menschen Abkühlung zu verschaffen – ohne die Umwelt allzu sehr zu belasten.

Ein Vorzeigeprojekt ist der preisgekrönte Park Gardens by the Bay. In gigantischen Gewächshäusern, die zum Flanieren und Verweilen einladen, liegen die Werte bei angenehmen 24 Grad. Verantwortlich ist das wohl grösste unterirdische Fernkühlsystem der Welt, das auch zwei Dutzend Wohntürme und andere Gebäude in der Nähe versorgt. Die Anlage nutzt gekühltes Wasser – das bringt eine Stromeinsparung von 40 Prozent gegenüber herkömmlichen Klimaanlagen.

Zudem setzt das auch als Gartenstadt bekannte Singapur auf Vegetation zur Kühlung: Unzählige Bäume und Pflanzen spenden Schatten und sorgen für bessere Luft.

Der Ruf als Gartenstadt kommt nicht von ungefähr: Singapur kühlt mithilfe der Natur.
Der Ruf als Gartenstadt kommt nicht von ungefähr: Singapur kühlt mithilfe der Natur.
Bild: EPA

Neu Delhi

In Indien sieht man bei Hitze oft Kinder, die in Teichen oder Brunnen in Parks spielen. Türen und Fenster von Häusern werden dann oft mit Matten aus Gras oder Stroh abgedeckt und mehrmals am Tag nass gemacht. So kommt auch ein etwas kühlerer Wind in die Wohnung.

Viele Leute nutzen ausserdem simple Verdampfungskühler (desert cooler) in ihren Häusern. Diese Maschinen enthalten Wasser, und wenn man sie an den Strom anschliesst, saugen sie warme Luft der Umgebung ein und kühlen sie mit dem Wasser. Das Prinzip: Wo Wasser verdunstet, wird Wärme entzogen.

Grundsätzlich ziehen Menschen in Südasien bei Hitze lange und dünne Kleider an, die Arme und Beine bedecken. Teils nutzen sie auch Schirme. Während der heissesten Zeit am Tag bleiben viele, die es sich leisten können, auch einfach zu Hause. Zudem trinken die Menschen viel – überall wird bei Hitze Wasser angeboten, oder man trinkt Shikanji, einen Zitronensaft mit Zucker, Salz und Wasser, der gegen Dehydrierung hilft.

Doha

Für Bewohner*innen der Golfstaaten und der arabischen Welt ist Hitze Alltag. Die Menschen in der Region sind sich 40 Grad gewöhnt. In Katar, dem Gastgeberland der Fussball-WM 2022, ist der hippe Stadtteil Muschairib der Hauptstadt Doha ein gutes Beispiel dafür, wie intelligente Stadtplanung helfen kann, mit der Sommerhitze klarzukommen. Die modernen Bauten im traditionellen Stil sind etwa so angelegt, dass Fussgänger*innen in dem Viertel durchgehend im Schatten laufen können. Dazu haben die Architekten die Gegend so konzipiert, dass Luftströme zwischen den Häusern für eine Brise sorgen.

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Die Region ist bekannt für ihre Gastfreundschaft, dies spiegelt sich auch in der Stadtarchitektur wider. So haben in der Vergangenheit Hausbesitzer*innen oft eine Etage höher gebaut, um ihren Nachbar*innen Schatten zu spenden, erzählen Einheimische in Katar.

Heute verbringen die Menschen der Region die heisseste Tageszeit meist mit Klimaanlagen zu Hause. Erst wenn es kühler wird und Temperaturen auf gut 30 Grad fallen, strömen die Menschen in den Abendstunden ins Freie. Beliebt in vielen Ländern der arabischen Welt sind mobile Klimaanlagen im Freien, die neben den Tischen von Restaurants und Cafés aufgestellt werden und kühle Luft spenden – quasi das Gegenstück zu Heizpilzen.

Tel Aviv

In Tel Aviv sind Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad im Sommer keine Seltenheit. Das Gute an der israelischen Metropole am Mittelmeer: Wasser gibt es reichlich. In der ganzen Stadt verteilt gibt es zudem in regelmässigen Abständen Trinkwasserspender – nicht nur an der kilometerlangen Strandpromenade, auch an vielen anderen Orten: Wasserflasche auffüllen und fertig. Das schützt nicht nur vor einem Sonnenstich, sondern spart in einer der weltweit teuersten Städte auch noch Geld.

Generell verlagert sich das Leben im Freien allgemein eher in den Abend. Nach dem Sonnenuntergang füllen sich die Bars und Restaurants, und die Tel Aviver Bevölkerung verlässt ihre stark heruntergekühlten Wohnungen und Büros. Um tagsüber nicht allzu verschwitzt bei der Arbeit anzukommen, fahren viele mit E-Bikes.

Athen

In der Hauptstadt Griechenlands stimmt man über die Hitze mit den Füssen ab. Spätestens Anfang August pilgert der Grossteil der rund drei Millionen Einwohner*innen ans Meer, in Dörfer und auf Inseln, bevorzugt dorthin, wo man Verwandte hat. Resultat: Die sonst so laute Metropole fällt in eine Art Sommerschlaf. Es gibt kaum Autoverkehr, selbst die kleinen Kioske, die sonst oft rund um die Uhr offen sind, bleiben zu.

Eine Ausnahme bildet das Stadtzentrum samt der Altstadt rund um die Akropolis. Dort tummeln sich dann allerdings kaum Einheimische, sondern Touristinnen und Touristen. Die Athener*innen gehen bei grosser Hitze, wenn überhaupt, nur morgens oder nach Sonnenuntergang aus dem Haus. Deshalb wird in Griechenland im Sommer auch erst spät abends gegessen, und Kinder toben sich bis nach Mitternacht auf Spielplätzen aus.

Rom

Wer in der Ewigen Stadt eine Abkühlung braucht, kann sich einen der vielen grauen Brunnen suchen, aus denen Trinkwasser fliesst – auch Nasone genannt, wegen der nasenähnlichen Form des Wasserhahns. In italienischen Städten füllen die Leute dort ihre Flaschen auf, kühlen sich das Gesicht oder lassen ihre Hunde trinken.

Viele Wohnungen und Häuser in Italien haben einen Stein- oder Fliesenboden, der für Kühle sorgen soll. Beliebt sind auch Früchte, vor allem die Wassermelone, die als erfrischender Snack in heissen Stunden dient. Kühle Treffpunkte vor allem in den Wohnvierteln sind zum Beispiel auch Kirchen. Wer es sich in Italien leisten kann, entflieht der Sommerhitze in der Stadt und fährt in die Zweitwohnung in den Bergen oder am Meer, wo die Witterung etwas frischer ist.

Auch viele Päpste reisten Jahr für Jahr vom Vatikan ins unweit von Rom gelegene Castel Gandolfo – die päpstliche Sommerresidenz. Der amtierende Papst Franziskus hat darauf allerdings bislang verzichtet.

«Ich bin entweder drinnen oder im Wasser»

«Ich bin entweder drinnen oder im Wasser»

Die Schweiz schwitzt bei Temperaturen weit über 30 Grad. blue News hat in Bern und Zürich Passanten gefragt, wie sie trotz Gluthitze kühlen Kopf bewahren.

19.07.2022

Madrid

In der spanischen Hauptstadt sind 40 Grad im Sommer recht normal. Die Madrileños sind sich die Hitze gewöhnt und wissen, wie man damit auskommt – und sie sogar geniesst. Klimaanlagen gibt es, anders als etwa in der Schweiz, nahezu überall: im Einkaufszentrum genauso wie im Laden, Restaurant oder Café, in der U-Bahn, im Bus, in den Büros und erst recht daheim.

Die meisten Spanier*innen tragen im Sommer helle, leichte Kleidung, und auch die Essgewohnheiten sind dem Klima angepasst: Im Sommer erfrischt man sich gern mit kalten Suppen wie Gazpacho oder Salmorejo. Die langen Abende kann man dank allgegenwärtiger Wassernebel-Kühlsysteme auch in den Aussenbereichen von Bars und Restaurants bei einem Rioja oder einer Cerveza verbringen.

Wenn die Sonne besonders heiss knallt – zwischen 14 und 18 Uhr –, zieht man sich zurück. Die Siesta über Mittag gehört ohnehin zu Spanien wie die Paella. Büros machen dann längere Pausen, in den meisten Läden hängen «Geschlossen»-Schilder an der Tür. Während der Siesta halten allerdings die wenigsten Spanier*innen tatsächlich noch wie früher ein Nickerchen. Man geht ins Fitnessstudio oder ins Schwimmbad oder isst mit Familie oder Kolleg*innen länger zu Mittag.

Rio de Janeiro

Wenn im brasilianischen Sommer die Temperaturen auf gefühlte 50 Grad steigen, fürchtet man zu schmelzen. Klimaanlagen sind denn auch die wichtigsten Einrichtungsgegenstände, um in der Metropole kühlen Kopf zu bewahren. Die Tage werden länger, sportliche Aktivitäten verlagern sich in den frühen Morgen oder die Nacht. Auch um Mitternacht spielen Cariocas, wie die Einwohner*innen Rios heissen, etwa am Strand der Copacabana noch Volleyball oder Futevolei.

Der Januar ist in Brasilien und anderen südamerikanischen Ländern wie der August in der Schweiz. Viele füllen die berühmten Strände von Rio und nehmen zur Abkühlung ein Bad im Meer. Andere ziehen es in den tropisch-heissen Sommermonaten vor, zu verreisen oder sich wie einst der Schriftsteller Stefan Zweig nach Petrópolis in die Bergregion von Rio zurückzuziehen, wo es aufgrund der Höhenlage kühler ist.

New York

Wenn es im Grossstadtdschungel von NYC so richtig heiss wird – und das wird es jeden Sommer –, dann greifen die Bewohner*innen auf ein bewährtes Mittel zurück: Hydranten. Die Feuerwehr öffnet nach offiziellem Antrag einen Hydranten pro Strassenblock, der dann kühlendes Wasser ausspuckt. Zwar mit weniger Druck als für Löscharbeiten, aber ausreichend, um herumspringenden Kindern, Erwachsenen sowie durstigen Vögeln und Haustieren stundenlang Freude und Abkühlung zu bereiten.

Los Angeles

Im Westen von Los Angeles bringt die Meeresbrise vom Pazifik Abkühlung, doch in vielen Teilen der kalifornischen Millionenstadt steigt die Hitze oft auf über 35 Grad Celsius. Das «Cool Streets L.A.»-Programm soll Extremtemperaturen wenigstens um einige Grade drücken. Der Trick: Schwarzer Asphalt wird mit heller Farbe übermalt. Hunderte Strassenblocks in den heissesten Bezirken tüncht die Stadt durch das seit 2019 laufende Projekt mit einem weissen Belag, der Sonnenlicht stärker reflektiert und weniger Wärme aufnimmt.

Palm Springs

In Sachen Hitze stellt die Wüstenstadt mit Palmen und Mid-Century-Architektur alle anderen Orte Südkaliforniens in den Schatten. Hitzegestresste ohne eigene Klimaanlage können bis Ende September in «Cooling Centers» Zuflucht suchen. Sobald es mehr als 38 Grad heiss wird, lädt die Stadt die Bevölkerung in drei klimatisierte Kühlzentren ein. Netter Nebeneffekt für Bücherratten: Eines davon ist die örtliche Bücherei.

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