Lagebild Ukraine Wie es Kiews Kräften gelingt, die russischen Linien zu brechen

Von Philipp Dahm

12.6.2023

Ukraine verliert nach russischen Angaben Panzer aus westlicher Produktion

Ukraine verliert nach russischen Angaben Panzer aus westlicher Produktion

Das russische Verteidgungsministerium hat Videoaufnahmen veröffentlicht, die die Zerstörung ukrainischen Militärgeräts aus westlicher Produktion zeigen sollen.

11.06.2023

Die ukrainische Gegenoffensive läuft, doch weil es so lange gedauert hat, stehen die Russen in starken Verteidigungsstellungen. Wie diese im Süden des Landes überwunden werden, erfährst du hier.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die ukrainische Gegenoffensive hat angeblich drei Schwerpunkte: in Saporischschja, in West-Donezk und in Bachmut.
  • Weil die Offensive so lange angekündigt war, haben sich die russischen Kräfte auf die Offensive einstellen können.
  • Wie die Verteidigungslinien in West-Donezk dennoch durchbrochen werden konnten, zeigt dir die entsprechende Bildergalerie.
  • Auch in Russland selbst und auf dem Schwarzen Meer wird offenbar gekämpft.

Zunächst müssen die ukrainischen Streitkräfte im Süden einige Verluste hinnehmen, doch nun rollt der Angriff. Am Wochenende rückt Kiew an mindestens drei Frontabschnitten vor, weiss das Institute for the Study of War: in Saporischschja, im Westen des Oblast Donezk und um Bachmut herum.

Das Problem: Wirklich überraschend ist der Beginn der Offensive nicht. Der Kreml ist vorbereitet: «Russische Kräfte in Saporischschja verteidigen sich weiterhin in Übereinstimmung mit einer vernünftigen Defensiv-Doktrin gegen ukrainische Angriffe», schreibt die Washingtoner Denkfabrik.

Russische Befestigungen im Oblast Saporischschja.
Russische Befestigungen im Oblast Saporischschja.
CSIS

«Sie haben nur auf uns gewartet. Überall waren Verteidigungspositionen vorbereitet», erklärt ein 28-jähriger Ukrainer dem «Wall Street Journal», dessen Einheit am 8. Juni Richtung Tokmak vorgerückt ist. «Es war eine Wand aus Stahl.» Zudem verstärkt Moskau seine Truppen durch Soldaten aus Cherson, die nach dem Dammbruch dort nicht mehr gebraucht werden.

Durchbruch am Maokri Yaly

Wie kann die ukrainische Armee die stark befestigten russischen Stellungen einnehmen? Sie muss so ähnlich arbeiten wie Nazi-Deutschland 1940 beim Westfeldzug: Die französische Marginot-Linie an der Grenze wird damals einfach umfahren. Panzer-Verbände brechen in Belgien durch die Ardennen durch und greifen die Verteidiger in der Flanke oder im Rücken an.

So gehen nun auch Kiews Kräfte vor – und beissen sich durch. Die unten stehende Bildergalerie zeigt anschaulich, wie die ukrainische Armee im Süden des Landes diese starken Verteidigungslinien durchbrochen hat. Mit der Sprengung des Dammes am Mokri Yaly hat sich Moskau übrigens einen Bärendienst erwiesen, weil die Ukrainer auf erhöhten Positionen vorrücken.

Ein weiteres Problem für den Kreml im Süden der Ukraine ist die Unterbrechung der Zugverbindung von West nach Ost: Partisanen haben Gleise bei Melitopol gesprengt, wird auf Telegram mitgeteilt. Eigentlich kein grosses Problem: Normalerweise kann so etwas schnell repariert werden. Die Verbindung wurde allerdings an einer Brücke sabotiert: Es wird deshalb länger dauern, bis Mensch und Material dort wieder transportiert werden können.

Wo noch gekämpft wird

Neben diesem Angriffsvektor in West-Donezk greifen ukrainische Truppen bei Orichiw und Wasyliwka im Oblast Saporischschja an. Dabei sollen auch mehrere Leopard 2R beschädigt worden sein: Das ist die Minenräum-Variante des Leopard-2-Panzers. Gleichzeitig gehen im Norden und Süden von Bachmut die Kämpfe weiter.

Die Angriffe beschränken sich jedoch nicht auf diese drei Haupt-Stossrichtungen. Ein Video aus der «Region Donezk» zeigt, wie ukrainische Soldaten mit Humvees an Gräben heranfahren und die Russen vertreiben. Auch im Norden der Front bei Kreminna sollen Kiews Kräfte Boden gutgemacht haben.

Und auch dort, wo man es in dieser Zeit gar nicht unbedingt erwartet, schlagen die ukrainischen Streitkräfte: Schiffsdrohnen haben erneut ein russisches Spionage-Schiff im Schwarzen Meer angegriffen – erfolglos, teilt Russland mit. Ausserdem werden Explosionen aus Rostow am Don und auch aus dem russischen Oblast Belgorod gemeldet.