Beliebt dank Krise Wenn Politiker vom Virus profitieren

Von Andreas Fischer

13.4.2021

Markus Söder ist bereit für höchste Aufgaben: Der bayrische Ministerpräsident profitiert in der Corona-Krise von seinem Macher-Image und könnte der nächste Bundeskanzler werden.
Markus Söder ist bereit für höchste Aufgaben: Der bayrische Ministerpräsident profitiert in der Corona-Krise von seinem Macher-Image und könnte der nächste Bundeskanzler werden.
Peter Kneffel/dpa/Pool/dpa

In Deutschland hat ein lange Zeit unbeliebter Politiker stark von Corona profitiert: Markus Söder könnte nun sogar Bundeskanzler werden. Auch in anderen Ländern kommen einige Politiker ziemlich gut durch die Krise.

Von Andreas Fischer

Anpacken und laut drüber reden – mit diesem Rezept hat Markus Söder Erfolg. Der Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Bayern war 2018 noch der unbeliebteste Landeschef in Deutschland. Jetzt will er Bundeskanzler werden – und seine Chancen stehen gar nicht mal so schlecht. Unterstützung bekommt er dabei vom Coronavirus.

Die Pandemie ist eine Zeit für Entscheider, Markus Söder hat sich als solcher profiliert. Einer wie er fragt nicht viel, spricht sich nicht ab – so einer tut, macht, packt an. Das kommt gut an bei den Wählenden.



Nun will er Angela Merkel beerben, die im Herbst nach fast 16 Jahren als Bundeskanzlerin nicht weitermacht. Söders letzter Konkurrent: Armin Laschet. Die beiden Männer führen als Ministerpräsidenten die zwei bevölkerungsreichsten deutschen Bundesländer an. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet regiert in Nordrhein-Westfalen, Söder als Chef der Schwesterpartei CSU in Bayern.

Es gibt nur einen König in Bayern

Während Gremien und Bundestagsfraktion der Unionsparteien in der Kanzlerfrage gespalten sind, hat das Umfragevolk eine eindeutige Meinung. Söders Beliebtheit war zuletzt mehr als doppelt so gross die von Armin Laschet.

Manche, die viel mit Söder zu tun haben , finden es seltsam, dass ausgerechnet ein Mann Bundeskanzler werden könnte, der jahrelang an seinem Ruf als unbeliebtester Politiker Deutschland gearbeitet hat. Die «Spiegel»-Korrespondentin Anna Clauss beschreibt ihn als herrschsüchtig, perfektionistisch, unnahbar. Der Mann durfte sogar bei der Landtagswahl 2018 massive Verluste einfahren und die absolute Mehrheit seiner Partei verlieren, ohne dass es ihm angelastet wurde. Oder dass er es sich anlasten liess.

Von wem auch? In Bayern gibt es nur einen König. Es drängen sich – auch das ist Teil der Wahrheit – einfach keine Konkurrenten ins Bild. «Söders Glück ist, dass es keinen zweiten Söder gibt», sagte ein CSU-Vorstand gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Das Virus spielte Söder in die Karten

Dann kam auch noch das Corona-Virus und mit ihm die Sehnsucht nach jemandem, der die Ärmel hochkrempelt – und darüber redet, wie viel besser man als alle anderen ist. Ein Mann wie Söder halt. Über Bayerns Corona-Politik jedenfalls hört die Bevölkerung in ganz Deutschland nur Positives. Dabei steht das Bundesland überhaupt nicht besser da als andere.

Doch Söder verteilt Schulterklopfer für sich selbst und wiederholt seit mehr als einem Jahr sein Mantra, dass in Bayern alles besser laufe. Das können die Menschen in Leipzig, Hamburg und Köln zwar nicht nachprüfen, auch weil sie genug mit selbst beschäftigt sind, aber Söders polternde Botschaften verfangen. Wenn doch etwas schiefläuft, wie bei der Pannenserie bei den Tests von Reiserückkehrern im Sommer 2020, dann findet sich ein Sündenbock.

Politisch gesehen ist die Pandemie ein Glücksfall für Markus Söder, der seine ohnehin unangefochtene Machtposition weiter ausgebaut hat. Aber auch in anderen Ländern kommen einige Politiker erstaunlich gut durch die Corona-Krise. Und sie müssen dabei nicht einmal poltern.

Berset menschelt

In der Schweiz etwa beantwortet Bundesrat Alain Berset (SP) seit über einem Jahr mit Engelsgeduld die sich oft wiederholenden Fragen zu Corona-Massnahmen – stets höflich, sachlich und bisweilen sehr menschlich. Obwohl der Gesundheitsminister viele unbeliebte Entscheide verkünden muss, ist er bei der Bevölkerung das beliebteste Regierungsmitglied.



In einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Link im Auftrag von «Blick» gemacht hat, vertrauten ihm zuletzt 28 Prozent der Befragten «voll und ganz». Dies obwohl derzeit nur noch gut 70 Prozent der Befragten der Ansicht sind, dass die Landesregierung im zweiten Lockdown richtig reagiert hat.

Macrons Erbe bringt sich in Stellung

In Frankreich profitiert Édouard Philippe von einem Umfragehoch, dass ihn sogar in den Élysée-Palast bringen könnte. Dass Philippe bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2022 seinen ehemaligen Chef Emmanuel Macron als Präsident beerben könnte, gilt nicht als ausgeschlossen, wie «Der Spiegel» schreibt. Philippe hatte als Premierminister seinen Landsleuten in der ersten Phase der Pandemie im vergangenen Jahr pragmatisch die Infektionsverläufe erklärt – und mit seiner beruhigenden Art die Sympathien seiner Landsleute gewonnen.

Als er beliebter wurde als der Präsident, tauschte Macron seine Regierungsmannschaft aus. Philippe wurde wieder Bürgermeister von Le Havre – und kommt in nationalen Umfragen derzeit trotzdem als einziger Politiker auf Beliebtheitswerte von über 50 Prozent.

Boris Johnson – das Stehauf-Männchen

Pub-Besitzer schenken im Aussenbereich wieder Bier aus, Friseure vergeben Termine im Akkord und die Ferienwohnungen in Cornwall sind so gut wie ausgebucht. In England stehen die Zeichen auf Lockerung. Seit gestern dürfen Biergärten, etliche Geschäfte und erste Unterkünfte wieder öffnen. Noch vor drei Monaten schien undenkbar, dass der Chaot im Klassenzimmer der Pandemie einmal zum Musterschüler werden könnte.

Verantwortlich dafür ist auch Boris Johnson, der bei allem Glück auf seiner Seite, vor allem davon profitierte, aus eigenen Fehlern lernen zu wollen. Und er liess impfen, impfen, impfen. Die meisten Briten bescheinigen Johnson, dass er einen guten Job macht.



Im Februar hatte der Premierminister den Menschen in England seinen Weg aus dem Lockdown aufgezeigt. Seither ist er nicht davon abgewichen. Der Erfolg gibt ihm recht: Grossbritannien atmet auf, der Rest der Welt schaut neidisch zu. Dabei betont Johnson, dass er sein Vorgehen nicht nach Daten im Kalender, sondern nach wissenschaftlichen Daten ausrichtet.

Das macht den streitbaren Politiker zumindest im Moment zu einem politischen Gewinner in der Pandemie – die meisten Briten bescheinigen ihm, einen guten Job zu machen. Das wiederum muss bei Johnson nicht allzu viel heissen: Denn nach der Impf- und Lockerungseuphorie steht irgendwann der Brexit wieder auf der Tagesordnung.

Mit Material der dpa.