Late Night USA «Wie ein Fünfjähriger, der erzählt, was er im Zoo gesehen hat»

Philipp Dahm

19.2.2019

US-Präsident Donald Trump ruft den nationalen Notstand aus. 
US-Präsident Donald Trump ruft den nationalen Notstand aus. 
Keystone

Wer hat was ausgesagt – und gegen wen? Welcher neue Skandal? Wessen Entlassung? Es ist schwer, mit Donald Trump mitzuhalten, aber es fällt leicht, den Deutungen der Late-Night-Stars zu folgen.

Egal, ob man die Arbeit des US-Präsidenten schätzt oder nicht, eines muss man Donald Trump lassen: Seit der Mann am Drücker ist, wird die US-Politik nie langweilig. Zuletzt hat der 72-Jährige den nationalen Notstand ausgerufen, um so an Gelder für den Bau seiner Mauer an der Grenze zu Mexiko zu kommen. Der Schachzug wird ein juristisches Nachspiel haben, kündigten die Demokraten bereits an.



Was geht bei diesem politischen Ränkespiel im Kopf des Wählers vor sich? Glaubt man einer Umfrage, die der öffentlich-rechtliche US-Sender «PBS» veröffentlicht hat, lehnen knapp zwei Drittel die Notstandserklärung ab. Eine nackte, nüchterne Zahl – doch wie steht es tatsächlich um die amerikanische Seele? Wer das wissen will, ist auf der Couch am besten aufgehoben – wenn die Late-Night-Stars die Geschehnisse einordnen.

The Late Show with Stephen Colbert

Wie sind die USA eigentlich in diese Lage hineingeraten? «Der Notstand begann, nachdem Trump von Mexiko kein Geld für seine Grenzmauer bekam», beginnt Stephen Colbert – und wenn der Moderator dann in wenigen Worten den Irrsinn der jüngsten Zeit zusammenfasst, wird einem (wieder) bewusst, wie wild, wirr und wahnsinnig es im Weissen Haus seit 2016 hergeht.



«Dann hatten wir eine Zwischenwahl, bei der die Leute keine Grenzmauer wollten. Dann wollte ihm der neugewählte Kongress kein Geld für das Ding geben, das die Wähler nicht wollten. Also sorgte er für eine Haushaltssperre, um Geld für das Ding zu bekommen, das keiner haben will. Alle waren sauer auf ihn, weshalb er gleichzeitig Sieg und nationalen Notstand erklärt. Und das alles erzählt er uns am Freitag in einem merkwürdigen, zusammenhangslosen Auftritt. Es war von Anfang an klar: Der wahre Notstand herrscht in seinem Schädel.»

Ausschnitte der Trump-Rede ab Minute 3:08 stützen Colberts These. Das Video von Trumps fahrigem Vortrag regt den Gastgeber auf: «Alles, was Sie tun müssen, ist uns zu sagen, dass es keine andere Möglichkeit gab, um die Nation zu retten. Sagen Sie uns einfach, dass Sie das tun mussten.» Trump aber sagt im nächsten Filmschnipsel: «Ich hätte das nicht tun müssen.» Reaktion Colbert:

Donald Trump bringt Stephen Colbert in Wallungen.
Donald Trump bringt Stephen Colbert in Wallungen.
Screenshot: YouTube

Dass er für seine Notlösung verklagt wird, ist dem US-Präsidenten bewusst, wie der Ausschnitt seiner Singsang-Rede ab 4:57 zeigt. Im selben Singsang stellt sich Colbert ab 6:05 vor, wie sich Trumps Text am Ende seiner Amtszeit anhören könnte, bevor Nordkorea zur Sprache kommt – in Form von Kim Jobng-un, der für Colbert aussieht wie «eine Kombination aller Mitglieder der Adam's Family».

Kim Jong-un: Sind Ähnlichkeiten zur Adam's Family wirklich boloss reiner Zufall?
Kim Jong-un: Sind Ähnlichkeiten zur Adam's Family wirklich boloss reiner Zufall?
Screenshot: YouTube

Trump sagt in seiner Rede: «Als ich mein Amt antrat, habe ich mich gleich da vorne mit Präsident Obama getroffen. Ich fragte: ‹Was ist das grösste Problem?› Er sagte: ‹Mit Abstand Nordkorea. › Ich will eigentlich gar nicht über ihn reden, aber ich glaube, er hätte einen Krieg mit Nordkorea angezettelt. Ich denke, er war bereit für den Krieg. Tatsächlich sagt er mir, er sei so kurz davor … einen … grossen Krieg mit Nordkorea anzufangen.» Das schreit natürlich nach einer Parodie, die Colbert ab 7:45 serviert.



Im nächsten Ausschnitt erzählt Trump, Japans Ministerpräsident habe ihn – aus freiesten Stücken und im Namen seines ganzen Volkes – für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Colberts Replik ab 8:45: «Sie sollen den nationalen Notstand erklären und nicht über Preise reden, die Sie nie bekommen werden.»

Das Beste an der Fabel ist jedoch, dass Shinzo Abe die Geschichte ganz anders erzählt: Dem Premier zufolge hatte ihn die US-Administration im vergangenen Herbst explizit aufgefordert, Trump ins Spiel zu bringen. 

War sonst noch was? Ach ja: das lästige FBI!

Der stellvertretende Direktor der Bundespolizei hat sich in einem Interview mit dem Sender «CBS» zu den Ermittlungen gegen Trump geäussert. Andrew McCabe hat die Behörde geführt, als der Präsident FBI-Chef James Comey gefeuert hat – wegen dessen Russland-Ermittlungen: «Da muss man sich fragen: Warum tut ein Präsident der USA sowas?», fragt McCabe bei «CBS». Colbert unterbricht: «Ich möchte das Rätsel lösen: Weil er schuldig ist?»



Für diese Auslegung spricht auch die folgende Anekdote, die McCabe zum Besten gibt: «Präsident Putin hatte ihm gesagt, Nordkorea hätte gar keine derartigen [Atomraketen]. Geheimdienst-Offiziere dementierten, das widerspreche allen uns vorliegenden Informationen. Der Präsident antwortete darauf mit: ‹Ist mir egal. Ich glaube Putin.›»

Das könnte durchaus sein, glaubt auch Colbert. Allerdings nicht aus Gründen der Redlichkeit, sondern wegen des «Pipi-Tapes»: Der Gastgeber spielt auf das Gerücht an, Putin habe kompromittierendes Videomaterial von Trump mit leichten Damen, die von Inkontinenz gequält werden. Sogar die Absetzung des Präsidenten nach dem 25. Zusatzartikel der Verfassung haben die Strafverfolger intern diskutiert – weshalb der von den Republikanern dominierte Senat nun eine Untersuchung gegen das FBI anstrengt.

Late Night with Seth Meyers

Seth Meyers «Closer Look»-Segment schliesst nahtlos an die Vorarbeit von Kollege Colbert an: Der Monolog beginnt mit Trumps wütenden Reaktionen auf Kritik an seiner Rede, bevor das launige Golf-Wochenende auf den Tisch kommt. Ab 2:22 zeigt auch Meyers Trumps Singsang-Einlage: «Er hört sich wie ein Fünfjähriger an, der einem erzählt, was er im Zoo gesehen hat», bringt es der Moderator auf den Punkt.

Trumps Geständnis ab 3:40, er habe den Notstand gar nicht ausrufen müssen, kommentiert Meyers so: «Das ist kein Notstand, das ist freier Wille. Es ist, als würde man sagen: ‹Ich habe eine Notoperation, um Po-Implantate zu kriegen. Ich hätte das nicht machen müssen, aber ich hasse [die Pomuskel-Übung] Squats. › Als er davon hörte, sagte sogar Rudy Giuliani: ‹Das hätte er nicht sagen sollen.›»



Bemerkenswert ist weiter, wie sich Trump ab 4:20 bei konservativen Meinungsmachern wie Sean Hannitys und Rush Limbaugh einschmeichelt: Limbaugh habe etwa «mit das grösste Publikum in der Geschichte der Welt», so der Präsident.

Ab 5.39 beleuchtet Meyers den Auftritt von Mike Pence bei der Münchner Sicherheitskonferenz – genauer gesagt die peinliche Pause, die entsteht, nachdem der Vizepräsident einen Gruss von seinem Boss überbringt.

Und wie der Hase beim «freiwilligen» Friedensnobelpreis-Vorschlag von Japan-Premier Abe läuft, erzählt die Meyers' Show ab 6:40 im Gegensatz zur Colbert-Konkurrenz Colbert vollständig.

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