Late Night USA Wahnsinn in Washington – was in den USA furchtbar verkehrt läuft

Philipp Dahm

11.2.2019

Ein linker Late-Night-Talker und eine Jungpolitikerin lassen kein gutes Haar am US-Präsidenten.  Ihre Kritik zeigt jedoch, dass Donald Trump nicht das Problem ist – sondern eher eine Folge davon.

Was läuft in Sachen Politik und Gesellschaft falsch in Amerika? Dazu zwei Thesen, die das Kind beim Namen nennen: Zum einen macht Alexandria Ocasio-Cortez deutlich, dass beim Amt des US-Präsidenten das Prinzip der Gewaltenteilung nicht mehr gilt. Die Abgeordnete aus New York sagt: «Wir haben ein politisches System, dass fundamental gestört ist.» Und Talkmaster Bill Maher konstatiert: «Nicht der Kongress ist kaputt, die Republikaner sind es.»

Nun muss man wissen, aus welcher Ecke die Kritik kommt: Alexandria Ocasio-Cortez ist der Shootingstar der demokratischen Partei. Die 29-Jährige nennt sich selbst Sozialistin – und hat sich bei den Republikanern so naturgemäss keine Freunde gemacht. Bill Maher vom Kabelsender HBO ist ebenfalls ein bekennender Linker und dafür bekannt, den Republikanern die Leviten zu lesen. Doch beide haben starke Argumente, die auch politischen Gegnern zu denken geben müssen.

Alexandria Ocasio-Cortez, 29, Angebordnete aus New York und Shootingstar der Demokraten.
Alexandria Ocasio-Cortez, 29, Angebordnete aus New York und Shootingstar der Demokraten.
Screenshot:  YouTube

Der US-Präsident: «Ich werde der Bösewicht sein»

«Lasst uns sein Quiz machen», beginnt Alexandria Ocasio-Cortez am 6. Februar ihren Vortrag im Repräsentantenhaus. «Ich werde der Bösewicht sein, und ich bin sicher, die Hälfte von ihnen wird dem auch zustimmen», ergänzt die Demokratien, bevor sie ein Frage-und-Antwort-Spiel beginnt, das auf Social Media seither durchschlagenden Erfolge feiert. Doch der Reihe nach.

Über 36 Millionen Views – Tweet von TV-Star Corden über Ocaio-Cortez.

«Ich will mit so vielen üblen Sachen wie möglich durchkommen und mich bereichern, auch wenn das heisst, dass ich meine Interessen vor denen des amerikanischen Volkes stelle. Ich will Präsident werden: Hindert mich etwas juristisch daran, meinen Wahlkampf komplett von Political Action Commitees [kurz: PACs, auf Deutsch: politischen Lobbygruppen] bezahlen zu lassen?» Die Replik von Karen Hobert Flynn von der NGO Common Cause ist knapp: «Nein.»

Der US-Präsident: Gibt es Grenzen?

«Okay sagen wir mal, ich bin ein echt, echt übler Typ und ich habe Leichen im Keller, die ich unter den Teppich kehren will, um gewählt zu werden. Mr. Smith, stimmt es, dass sie in der ‹Washington Post› diesen Kommentar geschrieben haben mit der Überschrift ‹Diese Zahlungen an Frauen sind ungehörig. Aber das heisst nicht, dass sie illegal waren›?» Der Jus-Professor und Präsident der NGO Free Speech bejaht. «Okay, grossartig, grünes Licht für Schweigegeld.»

Alexandria Ocasio-Cortez – kurz AOC – spricht am 6. Februar 2019 im Finanzausschuss des Repräsentantenhauses  (United States House Committee on Financial Services).
Alexandria Ocasio-Cortez – kurz AOC – spricht am 6. Februar 2019 im Finanzausschuss des Repräsentantenhauses  (United States House Committee on Financial Services).
Screenshot: YouTube

Der 29-jährige Polit-Shootingstar resümiert: «Ich kann also meinen interessengebundenen Schwarzgeld-Wahlkampf nutzen, um die [richtigen] Leute zu bestechen, um gewählt zu werden. So, und jetzt bin ich gewählt. Ich habe die Macht, um Gesetze zu konzipieren, sie zu gestalten und dafür zu werben. Sagenhaft! Gibt es für mich mit Blick auf die interessengebundenen Gelder, die ich angenommen habe, um überhaupt gewählt zu werden, irgendwelche Grenzen beim Verfassen oder Beeinflussen von Gesetzen?» Antwort Karen Hobert Flynn: «Es gibt keine Grenzen.»

Der US-Präsident: Reichtum ist wirklich wichtig

«Fantastisch», freut sich Alexandria Ocasio-Cortez. «Nun, zuletzt will ich reich werden und möglichst wenig dafür tun. Das ist mir als Bösewicht wirklich wichtig. Hindert mich irgendetwas daran, zum Beispiel Aktien aus der Gas-Branche zu halten, diese Industrie zu deregulieren, den Aktienkurs [dadurch zu verändern] und in dieser Zeit eine Menge Geld [zu machen]? Kann ich das bei unserer Gesetzeslage tun?» Rudy Mehrbani von der NGO Brennan Center for Justice bejaht die Frage. Erwähnt werden muss dabei: Der Mann ist ein früherer Berater von Präsident Barack Obama.

«Meine letzte Frage: Ist es möglich, dass irgendwelche Teile meiner Geschichte auf die aktuelle Regierung zutreffen?» Mehrbani antwortet erneut mit «Ja». Fazit Alexandria Ocasio-Cortez. «Wir haben ein politisches System, dass fundamental gestört ist. Wir haben diese Einflüsse, die in den Institutionen wirken.» Am Ende lässt die Politikerin von Walter Shaub von der NGO Citizens for Responsibility & Ethics noch klarstellen: «Es gibt fast kein Gesetz, das [für Kongressabgeordnete gilt und auch] den Präsidenten bindet.»

GOP: Das Problem

«An all' die Leute, die sagen, beide Parteien sind für unsere missliche Lage: Gebt einfach zu, dass Ihr in den letzten 20 Jahren keine Politik verfolgt habt», beginnt der Gastgeber seine «Real Time with Bill Maher» gewohnt deutlich. Der Aufhänger für seine Themenwahl: Ex-Starbucks-CEO Howard Schultz will als Unabhängiger bei der nächsten Präsidentenwahl antreten und verkauft seine Kandidatur als goldenen, dritten Weg.

Der Grund für Mahers derbe Ansage ist nicht alleine der, dass er im Jahr 2000 George W. Bushs Gegenkandidaten Al Gore unterstützt hat und Barack Obama 2012 eine Million Dollar spendete. Der 63-Jährige beruft sich vielmehr auf die Wissenschaftler Thomas E. Mann und Norman J. Ornstein, die zahlreiche Bücher über die US-Politik geschrieben und dabei stets beide Parteien kritisiert haben. Zumindest bis vor sieben Jahren.

Die besten Bilder aus Obamas Amtszeit:

2012 schreiben sie in der «Washington Post» einen Artikel, dessen Überschrift keine Fragen offen lässt: «Sagen wir es frei heraus: Die Republikaner sind das Problem». Darin zeigen die Autoren den Wandel auf, den die Grand Old Party vollzogen habe: Die US-Konservativen sind demnach «der aufwiegelnde Sonderfall der US-Politik geworden. Sie sind ideologisch extrem, verächtlich gegenüber Kompromissen, vom konventionellen Verständnis von Fakten, Beweisen und Forschung und lehnen die Legitimität der politischen Opposition ab.»

Fake ist das neue News

Bill Maher konstatiert: «Exakt. Nicht der Kongress ist kaputt, die republikanische Partei ist es.» Wenn er höre, wie Howard Schultz die Schuld am amerikanischen Schuldenberg von sagenhaften 21,5 Billionen Dollar beiden grossen Parteien gebe, könne er nur sagen: «Er hat offensichtlich seine Hausaufgaben nicht gemacht.» Als Bill Clinton sein Amt abgegeben habe, sei die US-Haushaltrechnung noch im Plus gewesen. Obamas Gesundheitsreform sei bezahlt worden und auch die Bankenkrise von 2008 habe der gemeistert.

Bill Maher vs. Reagan, Bush und Trump: Der Moderator ist kein Fan der Konservativen.
Bill Maher vs. Reagan, Bush und Trump: Der Moderator ist kein Fan der Konservativen.
Screenshot: YouTube

Ronald Reagan, George W. Bush und Donald Trump hätten dagegen die Steuern für Reiche gesenkt und  neue Schulden angehäuft – «lange nachdem Beweise vorgelegt worden sind, dass das nicht funktioniert.» Ein Blick auf die Website «The Balance», die das Minus jeder Präsidentschaft beleuchtet, gibt Maher Recht: Unter Reagan wuchsen die Schulden um 186 Prozent, unter Bush um 101 Prozent und bei Trump bisher um 29 Prozent. Gleichzeitig ist auch Obama mit 74 Prozent gut im Rennen – Mahers nächster Schlag ist aber treffender.

«Trump hat über 8'000 falsche oder irreführende Statements abgegeben. Das gab es noch nie. Ja, alle Präsidenten lügen bis zu einem gewissen Grade, aber Trump lebt in seiner eigenen Welt. Er ist wie [Leichtathletik-Legende] Bob Beaman bei den Olympischen Spielen 1968, der den Weitsprung-Weltrekord um 55 Zentimeter überboten hat. Er ist [Baseball-Star] Babe Ruth, der 59 Homeruns schlug, während der vorige Rekordhalter 27 hatte. Er ist wie ... [der republikanisch gesinnte Footballer] Tom Fucking Brady, der sechsmal den Superbowl gewinnt.»

GOP: Politischer Kreationismus

Der Punkt dabei: «Aber dieses Egalisieren der Wahrheit ist ein Krieg gegen die Demokratie, der nur von einer Seite geführt wird. 51 Prozent der Republikaner glauben immer noch, dass [Obama seine Geburtsurkunde gefälscht hat]. Ich würde ja witzeln, dass Trump der Sohn eines Orang-Utans sei ... Und er würde mich dafür verklagen ... Aber das ist kein fundamentaler Glaube der demokratischen Partei geworden!»

Alarmstufe Orange: Bill Maher (links) nimmt Donald Trump (Mitte) aufs Korn.
Alarmstufe Orange: Bill Maher (links) nimmt Donald Trump (Mitte) aufs Korn.
Screenshot: YouTube

Der New Yorker liefert weitere Argumente: «Eine Mehrheit der Repulilkaner denkt, dass Hillary [Clinton] aus einer Pizzeria heraus einen Pädophilen-Ring gelenkt hat. Sie glauben, dass drei Millionen bei der Wahl 2016 illegal gewählt haben. Sie glauben, dass umgekehrter Rassismus ein grösseres Problem als Rassismus ist.» Ausserdem hätten die Demokraten im Gegensatz zu den Republikaner nie die Ernennung eines Obersten Richters blockiert.

GOP: Welche Erwärmung? Es schneit doch!

«Nur eine Partei findet es richtig, dass es okay für den Präsidenten ist, einen Nebenjob als russicher Vertreter zu haben. Trump hat den FBI-Chef gefeuert, weil er bei den Russland-Ermittlungen seinen Job gemacht hat, und geht dann rüber zu den Russen und lacht darüber. Das ist kein Problem beider Parteien: Wenn Obama das getan hätte, wäre er im Hochsicherheitsgefängnis und würde mit dem Unabomber Zigaretten tauschen.» Mit Blick auf den Klimawandel legt Mahers nach: «Die eine Seite glaubt an Wissenschaft, die andere fragt: ‹Wie um alles in der Welt kann es eine Klimaerwärmung geben, wenn ich doch einen Schneeball in der Hand halte?›»

Klimaerwärmung lässt Reuplikaner kalt: Kann dieser Schneeball etwa lügen???
Klimaerwärmung lässt Reuplikaner kalt: Kann dieser Schneeball etwa lügen???
Screenshot:  YoiuTube

Mahers Fazit: «Wenn Sie sagen, beide Seiten sind gleich schlecht, sollten Sie wissen, dass Sie das nicht zum Weisen macht. Es ist die Idee eines Dummen, was man Schlaues sagen kann. Es ist Schummelei, die sagt, man steht über den Dingen, obwohl man eigentlich nur zu faul ist, um Scheisse von Schuhcreme zu unterscheiden. Und es ist das zentrale, betrügerische Leitbild, dass einem Aussenstehenden wie Trump überhaupt ermöglicht hat, gewählt zu werden. Es ist eine Stufe vor ‹Ich wähle nicht›. Es ist, als würde man behaupten, nicht zu lesen würde klüger machen oder nicht zu duschen liesse einen gut riechen.»


Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne  dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten die wohl beste Navigationshilfe: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Und nun ganz unpolitisch unsere Bilder des Tages:

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