«Wer will noch eine Klage?» Republikaner geben sich nach Trump-Urteil kleinlaut

Von Philipp Dahm

29.1.2024

Verleumdung: Trump zu Zahlung von 83 Millionen Dollar verurteilt

Verleumdung: Trump zu Zahlung von 83 Millionen Dollar verurteilt

Donald Trump muss zahlen. Und zwar sehr viel. Der ehemalige US-Präsident ist in einem zweiten Verleumdungsprozess zu einer weiteren Entschädigungszahlung von 83,3 Millionen Dollar an die US-Autorin E. Jean Carroll verurteilt worden.

29.01.2024

Donald Trump will das Diffamierungsurteil anfechten, doch mindestens 17 Millionen Dollar muss er zunächst dennoch zahlen. Aus seiner Partei bekommt er wenig Rückendeckung – auch aus Angst vor weiteren Klagen.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • 83,3 Millionen Dollar Strafe: Donald Trump nennt das Urteil im Fall Carroll das Ergebnis einer «von Biden orchestrierten Hexenjagd».
  • Aus seiner Partei erhält Trump aber relativ wenig Rückendeckung.
  • Das Verdikt passe seinen Anhängern nicht ins Narrativ des Justizopfers. Gleichzeitig werden offenbar weitere entsprechende Klagen durch Carroll befürchtet.
  • Auch wenn Donald Trump das Verdikt anfechtet, muss er zunächst mindestens 17 Millionen Dollar zahlen.
  • Weiterer finanzieller Ungemach droht Trump in anderen Prozessen.
  • Elizabeth Jean Carroll will mit Trumps Strafzahlung «etwas Gutes tun».

«Total lächerlich», nennt Donald Trump das Urteil, das nach Elizabeth Jean Carrolls Rufmord-Klage gesprochen worden ist: Der Ex-Präsident muss der Autorin 18,3 und 65 Millionen Dollar – also 83,3 Millionen Dollar – zahlen, was 71,8 Millionen Franken entspricht.

Trump ist mit beiden Zahlungen überhaupt nicht einverstanden, schreibt er auf «Truth Social»: «Ich werde diese ganze von [US-Präsident Joe] Biden orchestrierte Hexenjagd anfechten», kündigt der 77-Jährige nach dem Verdikt an.«Unser Rechtssystem ist ausser Kontrolle und wird als politische Waffe benutzt.»

In Grossbuchstaben endet der Post: «Das ist nicht Amerika!» Und nach nur einer Stunde legt der New Yorker nach: «Es gibt in Amerika nicht länger Gerechtigkeit. Unser Rechtssystem ist kaputt und unfair.» Doch im Weiteren hält sich Trump einigermassen zurück.

«Jeder versucht, so zu tun, als sei es nicht passiert»

Er postet Links zu Artikeln über «die grösste Fehlgeburt der Justiz in der modernen amerikanischen Geschichte» und «15 Fakten über E. Jean Carrolls Anschuldigungen, die ihnen die Medien verheimlichen». Hinzu kommen noch erratische Schlagwörter, doch das war's.

Auch seine Partei hält sich nach der Entscheidung der Geschworenen auffallend zurück: «Am auffälligsten war, dass es kaum Reaktionen gab», stellt «Politico» verwundert fest. «Jeder versucht, so zu tun, als sei es nicht passiert», bestätigt Jason Roe, ein früherer Republikaner-Funktionär im Bundesstaat Michigan.

Dahinter stecke die Angst der Partei, das Urteil könnte Frauen abschrecken, die konservativ sind oder die Unabhängige wählen. «Es wird bei den unabhängigen Wählenden im November wehtun», ist sich die Republikanerin Alice Stewart sicher.

«Wer will noch eine Klage wegen Diffamierung?»

Joe Walsh, einst republikanischer Abgeordneter in Illinois, ergänzt: «Es ist der eine Fall, der den Republikanern verdammt egal ist, weil er nicht in ihr Narrativ passt, dass die Demokraten die Justiz benutzen, um ihn davon abzuhalten, anzutreten – was Blödsinn ist. Aber hier geht es um Trumps persönliches Verhalten. Es ist etwas anderes.»

Donald Trump wird am 13. April 2023 von der New Yorker Staatsanwältin Letitia James befragt.
Donald Trump wird am 13. April 2023 von der New Yorker Staatsanwältin Letitia James befragt.
AP

Nicht zuletzt könnte die Zurückhaltung auch mit Carrolls juristischem Erfolg zu tun haben: «Wer will noch eine Klage wegen Diffamierung?», fragt ein anonymer Republikaner rhetorisch. Es dürfte einigen Trump-Anhängern potenziell schlicht zu teuer sein, sich noch zu Wort zu melden.

Apropos Geld: Das Carroll-Urteil wird auch den Schleier um Trumps Vermögen lüften, der vor einem Jahr noch behauptet hat, er sei 400 Millionen Dollar schwer. Auch wenn er es anfechtet, muss er bei Gericht entweder einen Anteil von knapp 17 Millionen Dollar oder aber die komplette Summe von 83,3 Millionen Dollar hinterlegen, weiss der «DC Report». Ohne flüssige Mittel wird aus Trumps Rekurs also nichts.

Carroll: «Wir werden etwas Gutes damit tun»

Und dabei droht weiteres finanzielles Ungemach: Die New Yorker Staatsanwältin Letitia James ist Trump auf den Fersen, weil er seine Finanzen aufgebläht haben soll. Eine Strafzahlung von 370 Millionen Dollar wurde gefordert. Ob der Ex-Präsident im Falle einer Verurteilung zahlungsfähig bleibt, scheint fraglich.

Siegessicheres Lächeln: Staatsanwältin Letitia James (vorne rechts) hört am 11. Januar in New York die Schlussplädoyers im Betrugsprozess gegen Donald Trump.
Siegessicheres Lächeln: Staatsanwältin Letitia James (vorne rechts) hört am 11. Januar in New York die Schlussplädoyers im Betrugsprozess gegen Donald Trump.
EPA

Autorin Carroll kann sich dagegen über einen Geldsegen freuen, sobald das Urteil rechtskräftig ist. «Ich werde keinen Cent davon verschwenden», versichert sie in der «New York Times». «Wir werden etwas Gutes damit tun.» Es werde aber Zeit brauchen, um herauszufinden, wo genau die Mittel einfliessen werden.

Es habe auch gedauert, bis sie ihren Sieg vor Gericht realisiert habe: Erst am Tag danach, «gegen 8 oder 9 Uhr, als ich meine erste Tasse Tee hatte, war ich wahrlich ruhig genug, um zu fühlen, was wir erreicht haben.» Sie habe für die Frauen in den USA gewonnen, sagt Carroll.

Sie selbst will sich von der Schadenssumme übrigens bloss eine Sache gönnen: «Ich werde in der Lage sein, Premium-Hundefutter zu kaufen.» Carroll besitzt Pyrenäenberghunde und einen Pitbull.