Nichts zu verlieren Donald Trump stürmt aus dem Gericht – ein Drama mit Ansage

Von Philipp Dahm

26.1.2024

Zweiter Verleumdungsprozess: Trump weist Vorwürfe erneut zurück

Zweiter Verleumdungsprozess: Trump weist Vorwürfe erneut zurück

Der zweite Verleumdungsprozess gegen Donald Trump geht auf die Zielgerade. Nun hat sich der frühere US-Präsident selbst zu Wort gemeldet: Er habe die Autorin nie verletzen wollen, sagte Trump übereinstimmenden Medienberichten zufolge am Donnerstag vor Gericht in Manhattan. Er habe nur sich selbst, seine Familie und die Präsidentschaft verteidigen wollen.

26.01.2024

Riesen-Drama vor dem Gericht in New York: Donald Trumps Anwältin legt sich mit dem Richter an, der droht ihr – und der 77-Jährige verlässt daraufhin medienwirksam den Saal. Trump hat nichts zu verlieren.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Im Fall Carroll vs. Trump werden die Schlussplädoyers gehalten: Die Klägerin fordert wegen Rufmords zehn Millionen Dollar.
  • Nach einem Eklat zwischen seiner Anwältin und dem Richter hat Donald Trump medienwirksam das Gericht verlassen.
  • Nachteilig für Trump könnte seine Verteidigerin sein: Alina Habba wirkt vor Gericht unprofessionell und sorgt bei Experten für Kopfschütteln.
  • Wegen des Medienrummels fliegt Habba beim Flunkern auf. Der Trump-Fan, der sie unwissentlich mit einem Foto geoutet hat, wird wegen seines Posts bei den Republikanern rausgeschmissen.
  • Er kann es nicht lassen: Donald Trump hat mit verschiedenen Äusserungen den Richter und wohl auch die Jury gegen sich aufgebracht.
  • Wie auch immer die Geschworenen entscheiden: Für die politischen Lager ist das Ergebnis zweitrangig. Klägerin Carroll will erreichen, dass es Trump zu teuer wird, sie als Lügnerin zu diffamieren.

In aller Kürze: Worum geht es? Die Autorin Elizabeth Jean Carroll wirft Donald Trump vor, sie 1996 in einem New Yorker Nobelkaufhaus sexuell missbraucht zu haben. Im Mai 2023 sprachen Geschworene der Klägerin fünf Millionen Dollar Schadensersatz zu. Für eine Verurteilung wegen Vergewaltigung fehlte es an Beweisen. Trump hat Rekurs eingelegt.

Elizabeth Jean Carroll am 17. Januar 2024 in New York.
Elizabeth Jean Carroll am 17. Januar 2024 in New York.
AP

Im jetzigen Prozess geht es darum, wie Trump 2019 reagiert hat, als Carroll ihre Anschuldigungen öffentlich gemacht hat. Der damalige Präsident bezeichnete die Klägerin als «Lügnerin» und bezichtigte sie der «versuchten Erpressung». Die heutige 80-jährige Carroll wirft ihm deshalb Rufmord vor und fordert zehn Millionen Dollar Schadensersatz.

Eklat im Gericht: Trump verlässt den Saal

Beim Halten der heutigen Schlussplädoyers kommt es jedoch zum Eklat zwischen dem Richter Lewis Kaplan und Trumps Anwältin Alina Habba. Kaplan erinnert die Parteien, das während der Schlussplädoyers keine Kommentare abgegeben werden dürfen.

Als Habba widersprechen will, sagt er laut CNN: «Sie sind kurz davor, Zeit in der Arrestzelle zu verbringen. Jetzt setzen Sie sich hin.» Das ganze hat eine Vorgeschichte – siehe unten. Als dann Carrolls Anwältin mit ihren Plädoyer beginnt, verlässt Trump den Saal. Der Richter lässt das im Protokoll vermerken und ermahnt die Anwälte, sie müssten sitzenbleiben.

Der 77-Jährige wollte damit womöglich noch einmal ein Zeichen des Protests setzen, denn dass er als Sieger aus dem Prozess hervorgeht, ist ohnehin nicht zu erwarten: Vier Handicaps bremsen ihn.

Handicap 1: Die Anwältin

Nachdem sich Donald Trump mit mehreren Anwälten überworfen hatte, engagierte er im September 2021 Alina Habba als seinen Rechtsbeistand. Die dreifache Mutter strengte zunächst eine 100-Millionen-Dollar-Klage wegen Diffamierung gegen die «New York Times», drei Journalisten und Trumps Nichte Mary Trump an, die abgewiesen wurde. 2022 scheiterte sie mit einer Klage gegen Hillary Clinton und andere wegen der Wahl 2016.

Alina Habba am 8. November 2023 in New York.
Alina Habba am 8. November 2023 in New York.
AP

Die 39-Jährige macht auch im aktuellen Prozess keine gute Figur. Sie mache «einfache Fehler» im Gerichtssaal, weiss «Business Insider» und verhalte sich «unprofessionell». Sie liefere eine «peinliche» Vorstellung ab, kritisiert ein Kollege in «Salon»: Experten zweifeln daran, dass ihre Taktik bei der Jury gut ankommt.

Immer wieder gerät sie mit Richter Lewis Kaplan aneinander: Habba steht nicht auf, wenn sie spricht, setzt sich nicht hin oder versucht, spontan Beweise einzubringen. Einmal sagt Habba zu dem Richter: «So wird nicht mit mir gesprochen, euer Ehren.» Der kontert trocken, sie solle sich setzen.

Handicap 2: Zu viel Öffentlichkeit

Donald Trump hat es darauf angelegt, sich öffentlich zum Märtyrer zu machen. So störte er die Aussage von Carroll, als er hörbar sagte, sie lüge. Kaplan ermahnte ihn, die Geschworenen könnten das hören. Wenn er sich nicht zurückhalte, müsse der Richter ihn ausschliessen.

Eine Gerichtszeichnung vom 25. Januar: In New York lauscht Donald Trump (unten links) den Ausführungen seiner Anwältin Alina Habba (Mitte stehend). Im Hintergrund links die Klägerin Elizabeth Jean Carroll, auf der Richterbank sitzt Lewis Kaplan.
Eine Gerichtszeichnung vom 25. Januar: In New York lauscht Donald Trump (unten links) den Ausführungen seiner Anwältin Alina Habba (Mitte stehend). Im Hintergrund links die Klägerin Elizabeth Jean Carroll, auf der Richterbank sitzt Lewis Kaplan.
AP

«Ich verstehe, dass Sie das wahrscheinlich gerne hätten», sagt Kaplan. Trump ironisch: «Ich fände das toll.» Kaplan antwortet, er wisse das. Und statt Strenge gibt sich der Richter nachsichtig mit dem Angeklagten und seiner Anwältin. Auch Carrolls Anwälte sehen davon ab, weitere Frauen zu Trump zu vernehmen und Videos zu zeigen, in denen sich der New Yorker über Frauen äussert. Sie wollen den Prozess angesichts des öffentlichen Interesses nicht eskalieren lassen.

Die gesuchte Aufmerksamkeit hat aber auch für Trump Nachteile: Erst wird seine Anwältin Habba dabei erwischt, wie sie Covid vorgeschoben hat, um eine Verhandlung zu verzögern – wegen der Vorwahl in New Hampshire. Und dann schlägt auch noch der Trump-Fan zurück, der Habba durch ein Foto als gesund geoutet hat. Weil er ein Habba-Bild gepostet hat, wird er der Wahlparty verwiesen – und wehrt sich mit einem Video.

Handicap 3: Trump kann nicht anders

«Sie können sich offenbar einfach nicht zusammenreissen», hat Kaplan Trump attestiert. Auch bei seiner finalen Aussage schafft es der 77-Jährige nicht, sich an die Regeln zu halten. So ist mit dem Richter abgemacht, er werde nur wenige Ja-Nein-Fragen beantworten dürfen, wenn seine Anwältin ihn als Zeugen aufruft. Er darf den Missbrauch auch nicht verleugnen, weil der nicht Thema ist, sondern Rufmord.

Und so fragt Habba ihren Klienten, ob er dazu aufgerufen habe, Carroll zu schaden. «Nein, ich wollte nur mich, meine Familie und ehrlich gesagt die Präsidentschaft verteidigen.» Der Richter weist die Jury an, alle nach «Nein» zu ignorieren. Auch die Frage, ob er die Anschuldigungen leugnet, antwortet er: «Für mich sind das falsche Beschuldigungen.» Auch das muss die Jury ignorieren.

Handicap 4: Die Urteile sind bereits gemacht

In den Schlussplädoyers wird es – trotz des heutigen Eklats – keine Überraschungen geben. Was wird die Jury dazu sagen? Es macht den Eindruck, als könnten sie der Klägerin recht geben.

Trump und Habba auf einer Zeichnung vom 22. Januar.
Trump und Habba auf einer Zeichnung vom 22. Januar.
AP

Das würde aber kaum etwas verändern: Für Demokraten ist Trump ohnehin ein Gauner. Für seine Anhänger bleibt der Ex-Präsident ein politisches Justizopfer. Niemand wird laut Expert*innen seine Meinung ändern – egal, wie sich die Geschworenen entscheiden.

Elizabeth Jean Carroll will erreichen, dass es Trump einfach zu teuer wird, sie weiter der Lüge zu bezichtigen. Sie könnte ihr Ziel erreichen, wenn sich die Jury auf ihre Seite schlagen sollte. Das Problem: Trumps Anhänger würde ein derartiges Urteil nicht davon abhalten, weiter zur Jagd auf die 80-Jährige zu blasen.