Eskalation in NahostWas über Irans Grossangriff auf Israel bekannt ist
dor/Agenturen
14.4.2024
Der Iran hat erstmals Israel direkt angegriffen. Über 100 Kampfdrohnen flogen in Richtung Israel. Der Iran hat laut iranischen Staatsmedien auch Raketen auf Israel abgefeuert. Was bisher über den Angriff des Irans auf Israel bekannt ist.
dor/Agenturen
14.04.2024, 04:37
14.04.2024, 04:42
Helene Laube
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der Iran hat am Samstagabend einen Drohnenangriff auf Israel gestartet.
Irans Revolutionsgarden haben laut dem iranischen Staatsfernsehen auch Raketen Richtung Israel abgefeuert haben.
Der iranische Angriff ist ein Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien.
Die israelische Armee wurde in Alarmbereitschaft versetzt, Premierminister Benjamin Netanhahu beruft eine Dringlichkeitssitzung des Kriegskabinetts ein.
US-Präsident Joe Biden wird fortlaufend über die Lage informiert.
Nach dem Angriff des Irans auf Israel droht ein Flächenbrand im Nahen Osten.
Der Iran hat erstmals Israel direkt angegriffen. Trotz internationaler Warnungen schickte der Iran Drohnen und Raketen. Israels Armeesprecher Daniel Hagari bestätigte am Samstag den Beginn des Angriffs. Die wichtigsten Informationen zusammengefasst:
Was ist passiert?
Der Iran hat in der Nacht auf Sonntag einen Luftangriff auf Israel gestartet. Israels Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Samstagabend, es werde mehrere Stunden dauern, bis Irans Drohnen israelisches Gebiet erreichen könnten.
“Together with our partners, the IDF is operating at full force to defend the State of Israel—and the people of Israel. This is a mission that we are determined and ready to fulfill.”
Der Iran löst damit eine direkte militärische Konfrontation zwischen den beiden Ländern aus und erhöht das Risiko einer Eskalation des Kriegs in der Region.
Bei dem Grossangriff feuerte der Iran nach Angaben des israelischen Militärs rund 200 Drohnen und Raketen ab. «Die grosse Mehrheit der Raketen wurde von unserer Raketenabwehr noch ausserhalb der Grenzen Israels abgefangen», sagte Hagari am frühen Sonntagmorgen (Ortszeit). Nur eine kleine Anzahl von Raketen sei auf israelischem Gebiet eingeschlagen.
Mehr als 100 Drohnen sollen mit Hilfe der USA und Grossbritanniens ausserhalb israelischen Gebiets abgefangen worden sein, berichtet die israelische Tageszeitung «Haaretz» unter Berufung auf das Militär.
Das israelische Ministerium für Inlandsicherheit gab am Sonntagmorgen Ortszeit vorerst Entwarnung. Die Einwohner im Norden und Süden des Landes müssten sich nicht mehr in der Nähe von Schutzräumen aufhalten, hiess es in einer Mitteilung auf der Website des Ministeriums.
«Eine breite Drohnenoperation der Revolutionsgarden gegen Ziele im besetzten Land (Israel) hat vor Minuten begonnen», hiess es in den Untertiteln des iranischen Staatsfernsehens kurz vor Mitternacht (Ortszeit). Der massive Drohnenangriff, begleitet von Raketen, sei die «Antwort auf die jüngsten Verbrechen des zionistischen Regimes», hiess es in einer im Fernsehen verlesenen Erklärung der Revolutionsgarden.
Um welche Raketentypen es sich handelte, ging aus dem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Irna in der Nacht zu Sonntag (Ortszeit) nicht hervor. Irans Revolutionsgarden verfügen über mehrere Typen von Mittelstreckenraketen, die Israel erreichen können.
Warum greift der Iran Israel an?
Der iranische Angriff – vom Iran als «Operation True Promise» (etwa «Wahres Versprechen») bezeichnet – ist ein Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien. Die militärischen Spannungen im Nahen Osten hatten sich verschärft, nachdem es bei einem mutmasslich israelischen Luftangriff am 1. April auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus mehrere Tote gegeben hatte. Dabei kamen die Brigadegeneräle Mohammed Reza Zahedi und Mohammed Hadi Hadschi sowie fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden ums Leben.
Irans Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei drohte dem Erzfeind Israel daraufhin mit Vergeltung. Der Angriff sei wie eine Attacke auf iranisches Territorium gewesen und müsse bestraft werden, sagte der Religionsführer. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi rief ebenfalls nach Vergeltung.
Von israelischer Seite wurde eine Beteiligung bis heute nicht eingeräumt.
Wie und wann reagiert Israel?
Es ist unklar, wie Israel auf den iranischen Angriff reagieren wird. Die beiden Länder führen seit mehreren Jahren einen Schattenkrieg gegeneinander. Dieser Krieg ist mit Irans erstem direkten Angriff auf den Erzfeind offen geworden.
Das israelische Militär wird am Sonntag um 6 Uhr morgens Ortszeit (5.00 Uhr MESZ) eine Lagebeurteilung vornehmen, um zu entscheiden, wie auf den iranischen Angriff zu reagieren ist, zitierte die «New York Times» einen israelischen Militärbeamten.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wandte sich kurz vor dem Angriff an die Bürger seines Landes. «Der Staat Israel ist stark. Die IDF sind stark. Wir wissen es zu schätzen, dass die USA an der Seite Israels stehen, ebenso wie die Unterstützung Grossbritanniens, Frankreichs und vieler anderer Länder», sagte er. «Wir haben ein klares Prinzip: Wer uns schadet, dem schaden wir auch», warnte er. «Gemeinsam werden wir standhalten und mit Gottes Hilfe alle unsere Feinde besiegen», fügte Netanjahu hinzu.
Israels Verteidigungsminister Joav Galant hatte wiederholt betont, ein solcher Angriff werde nicht unbeantwortet bleiben. «Ein direkter iranischer Angriff wird eine angemessene israelische Antwort gegen den Iran erfordern», hatte Galant zuletzt am Freitag gewarnt.
Nach dem Angriff plant der UN-Sicherheitsrat auf Israels Betreiben eine Sondersitzung. Per Brief an die maltesische UN-Botschafterin Vanessa Frazier, deren Land derzeit dem Gremium vorsitzt, habe er um ein entsprechendes Treffen des Sicherheitsrats gebeten, teilte der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan über die Online-Plattform X, vormals Twitter, mit. Aus Diplomatenkreisen hiess es, dass Treffen in New York könne noch am Sonntag stattfinden, wahrscheinlich um 22 Uhr MESZ.
Wie reagieren die USA – Israels wichtigster Sicherheitspartner?
US-Präsident Joe Biden werde fortlaufend über die Lage informiert, teilte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats mit. Er traf sich am Samstagnachmittag (Ortszeit) mit seinem Sicherheitsteam im Weissen Haus zu Beratungen. ,Der Angriff werde sich «wahrscheinlich über mehrere Stunden hinziehen».
Nach dem iranischen Grossangriff sicherte Biden Israel die Unterstützung der USA zu. «Unser Engagement für die Sicherheit Israels gegen die Bedrohungen durch den Iran und seine Stellvertreter ist unumstösslich», schrieb Biden in einem Beitrag auf X, vormals Twitter, in der Nacht auf Sonntag. Dazu veröffentlichte er ein Foto von einem Treffen mit seinem Krisenstab im Situation Room, dem Einsatzzentrum im Weissen Haus. Auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und US-Aussenminister Antony Blinken, die an den Beratungen am Samstag teilnehmen, sind darauf zu sehen.
I just met with my national security team for an update on Iran’s attacks against Israel. Our commitment to Israel’s security against threats from Iran and its proxies is ironclad. pic.twitter.com/kbywnsvmAx
Für das Krisentreffen verkürzte Biden seinen Aufenthalt in Rehoboth Beach im US-Bundesstaat Delaware, wo er eigentlich das Wochenende verbringen wollte. Er flog früher als geplant nach Washington zurück.
Angesichts der Sorge vor einem möglichen iranischen Vergeltungsangriff hat die israelische Armee am Samstagabend neue Schutzanweisungen für die Zivilbevölkerung veröffentlicht. Armeesprecher Daniel Hagari sagte vor Journalisten, es solle von Sonntag an keinen Schulunterricht oder andere Bildungsaktivitäten, keine Ferienlager und keine organisierten Ausflüge geben. Am Sonntag beginnen zweiwöchige Schulferien zum jüdischen Pessach-Fest.
Raketenwarnungen ertönen im Norden und Süden Israels, in Jerusalem und im Westjordanland.
Israels Ministerium für Inlandsicherheit veröffentlichte auf seiner Website ausserdem weitere Anweisungen. Diese begannen am Samstagabend um 23.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MESZ) und sollten zunächst 48 Stunden lang gelten.
Demnach dürfen in den Gebieten, die nicht in der Nähe des Gazastreifens oder des Libanons liegen, bis zu 1000 Menschen an Versammlungen teilnehmen. In den sogenannten Konfliktzonen dürfen sich draussen bis zu 30 und drinnen bis zu 300 Menschen versammeln. Am Arbeitsplatz sollen die Bürger besonders in diesen Gebieten darauf achten, dass sie notfalls rasch einen Schutzraum erreichen können.