Fragen und Antworten Was Streubomben gegen Gräben und Minenfelder bewirken 

Von Philipp Dahm

10.7.2023

US-Regierung will Ukraine Streumunition liefern – Biden: Übergangslösung

US-Regierung will Ukraine Streumunition liefern – Biden: Übergangslösung

Die US-Regierung will der Ukraine umstrittene Streumunition liefern und verteidigt sich gegen Kritik an diesem Schritt. US-Präsident Joe Biden sprach von einer Übergangslösung und sagte, dass ihm die Entscheidung sehr schwergefallen sei.

10.07.2023

Während russische Streumunition eine Blindgängerquote von 40 Prozent haben soll, behauptet das Pentagon, bei der US-Variante seien es unter 3 Prozent. Offizielle Berichte zeichnen aber ein anderes Bild.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bei Streumunition fallen durchschnittlich 20 Prozent Blindgänger zu Boden. Russland soll eine Quote von 40 Prozent haben.
  • Die USA sagen, ihre DPICM haben unter 3 Prozent Blindgänger. Offizielle Berichte beziffern den Wert jedoch auf 10 bis 30 Prozent.
  • Wegen der Blindgänger muss genau aufgezeichnet werden, wo Streumunition eingesetzt wird.
  • Streumunition eignet sich nur bedingt für das Minenräumen.
  • Die Submunition kann keine Bunker, etwa in Schützengräben, durchschlagen.
  • Ukrainische Drohnen könnten die Submunition für die Jagd auf Panzer und Schützenpanzer benutzen.

Es gibt Widerstand gegen das Vorhaben der US-Regierung, Kiew mit Streubomben vom Typ DPICM zu versorgen. Länder wie Grossbritannien, Spanien oder Kanada sind ebenso dagegen wie Russland – auch, wenn Moskau im Krieg in der Ukraine selbst nicht nur Streumunition einsetzt, sondern auch Brandwaffen.

Wofür Kiew die Streumunition einsetzen kann – und wofür nicht, liest du hier nach.

Warum gibt es bei Streubomben Blindgänger?

In einem Bombenkanister steckt Submunition: Es können über 100 kleine Bomben sein, die dabei herausfallen. Diese berühren sich in der Luft mitunter gegenseitig und schalten sich dabei aus.

Ein Bild aus dem Jahr 1960: der geöffnete Sprengkopf der amerikanischen Boden-Boden-Raketen MGR-1 Honest John mit der Submunition M134, die mit dem Nervengift Sarin gefüllt ist.
Ein Bild aus dem Jahr 1960: der geöffnete Sprengkopf der amerikanischen Boden-Boden-Raketen MGR-1 Honest John mit der Submunition M134, die mit dem Nervengift Sarin gefüllt ist.
US Army

Wie hoch ist die Blindgängerquote?

Angeblich liegt der Durchschnitt bei 20 Prozent. Bei russischen Streubomben sollen 40 Prozent der Submunition nicht explodieren. Die UA behaupten, ihre Dual-Purpose Improved Conventional Munition (DPICM) habe nur eine Fehlerrate von 1 bis 3 Prozent. Laut «Business Insider» hätten Pentagon-Berichte für das Repräsentantenhaus jedoch ergeben, dass auch bei US-Streumunition 10 bis 30 Prozent Blindgänger dabei sind.

Warum setzt man sie denn ein?

Streumunition wird gegen ein Ziel eingesetzt, das sich auf eine grosse Fläche verteilt. Das können Infanteristen sein, Minenfelder oder etwa auch eine Start- und Landebahn. Der Vorteil von Streumunition ist, dass man durch die Flächenwirkung nicht so genau zielen muss.

Grossbritannien, Deutschland und die USA haben beispielsweise das System JP233 entwickelt, ein Low-Altitude Airfield Attack System. Ein tief fliegender Tornado kann aus dem Behälter mehrere Hundert Sprengkörper abwerfen: Kleine Bomben zerstören dabei in zwei Stufen die Start- und Landebahn, während gleichzeitig Tretminen verteilt werden, die den Wiederaufbau der Infrastruktur verhindern sollen.

Eignet sich Streumunition zum Minenräumen?

Eigentlich nicht. Ja, Hunderte kleiner Streubomben können auf einer grossen Fläche eine ganze Menge Minen hochjagen. Doch mit jedem Einsatz von Streubomben entsteht wegen der Blindgänger wiederum auch ein neues Minenfeld.

Deshalb besagt eines der fünf Prinzipien der Ukraine für ihren Einsatz auch, dass genau festgehalten werden muss, wo sie benutzt worden ist. Diese Gebiete sollen dann mit erhöhter Priorität geräumt werden, wenn der Krieg es zulässt.

Kiews 5 Regeln für den Streubombeneinsatz

Das wurde laut Verteidigungsminister Oleksij Resnikow festgelegt:
1.) Die Munition wird nicht auf russischem Gebiet benutzt.
2.) Sie wird nicht in urbanem Gebiet eingesetzt.
3.) Es wird streng Buch über ihre Verwendung geführt.
4.) Die Gebiete werden prioritär geräumt.
5.) Die Ukraine wird gegenüber den Lieferanten Rechenschaft ablegen.

Was ist mit den Schützengräben?

Grundsätzlich bewirken viele kleine Bomben beim Grabenkampf mehr als eine grosse Bombe. Verteilen sich jedoch wenige Soldaten auf einen langen Schützengraben, der womöglich noch mit einem Bunker bewehrt ist, den die Submunition nicht penetrieren kann, bringt auch die Streumunition nicht viel.

Wofür braucht Kiew Streumunition?

Das ukrainische Militär wird die Streumunition gegen Konzentrationen von Mensch und Material im Feld einsetzen. Sie wird insofern dringend benötigt, als dass Artilleriemunition knapp ist. Es ist denkbar, dass die Armee die Streumunition öffnet und die Submunition für ihre Drohnen verwendet. Das würde auch die Zahl der Blindgänger senken.

Für Russland wäre das fatal: Panzer und Schützenpanzer sind auf der Oberseite am wenigsten geschützt. Die Submunition würde eine Drohne in die Lage versetzen, einen Panzer auch dann auszuschalten, wenn er nicht mit geöffneter Luke unterwegs ist, in den dann sehr genau eine Granate geworfen werden muss.