Vier Gründe Warum Trump das TV-Duell heute Nacht krachend verloren hat

Von Philipp Dahm

23.10.2020

Showdown in Nashville, Tennessee: Bei der dritten TV-Debatte ging es gesitteter zu als zuletzt, doch während aus dem ersten Duell kein eindeutiger Sieger hervorging, war das Ergebnis heute Nacht überraschend klar.

Es steht viel auf dem Spiel: Nachdem die erste Runde zwischen den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Joe Biden dank des verbalen Chaos keinen eindeutigen Gewinner ergab und die zweite Runde aus medizinischen Gründen entfallen ist, müssen die beiden betagten Männer im Kampf um die Wählergunst in der dritten Runde den finalen Schlag setzen.

Wie sich die Kombattanten geschlagen haben? Ein Blick auf die Streiter nach geschlagener Schlacht. Zuerst der Herausforderer, der Ehefrau Jill Biden in den Arm nimmt:

Bild: Keystone

Und nun der Präsident an der Seite von Ehefrau Melania Trump:

Bild: Keystone
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Es steht Donald Trump ins Gesicht geschrieben: Es war nicht der Abend des Amtsinhabers. Hier die Gründe dafür, dass Trump das TV-Duell verloren hat.

Direkte Ansprache 

Zäumen wir das Pferd von hinten auf: Am Ende der Debatte sollen sich beide Kandidaten vorstellen, es wäre Amtseinführung und sie sollten sich in einer Minute an jene Wähler wenden, die nicht für sie gestimmt haben.

Es ist irgendwo bezeichnend, dass Donald Trump erst darüber redet, dass die Arbeitslosenquote von Schwarzen und Hispanics unter ihm so niedrig sei, bringt dann Allgemeinplätze wie «Erfolg bringt uns zusammen» und verlegt sich schliesslich auf Attacken auf Joe Biden, der «alle Steuern» erhöhen wolle. Trump warnt: «Mit ihm würde es eine wirtschaftliche Depression geben.»

Und Biden? Der spielt mit und hält sich an die Aufgabe. Der 77-Jährige legt eine kleine Amtsantrittsrede hin, in der er sagt, er wäre Präsident aller Amerikaner. Sein Vortrag verbreitet Aufbruchstimmung und Biden spricht die Wähler an – nur ganz am Ende erlaubt auch er sich einen Seitenhieb auf den Gegner, als er meint, es ginge bei der Wahl am 3. November auch um die Wahl des Charakters. 

Das besagte finale Statement der beiden sehen Sie ab Stunde 1:55.

Trump ist am Ende des TV-Duells schon so verärgert, dass er die Chance verpasst, das Volk emotional anzusprechen, während Biden eine einende, staatsmännische Botschaft aussenden kann.

Emotionale Ansprache

Während Donald Trump entweder die Situationen schönredet oder Verschlechterungen unter Biden prophezeit, teilt jener die Sorgen des kleinen Mannes. Etwa als es um die Krankenversicherung geht, die Trumps Administration gerade vor Gericht kippen lassen will.

Der 74-Jährige erklärt recht simpel: «Obamacare ist schlecht.» Er wolle ein viel besseres Gesundheitssystem aufbauen, dass alle Vorerkrankungen miteinschliesse. 

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Biden packt dagegen Problem und Gelegenheit beim Schopf: «Wie viele von euch wälzen sich nachts herum, weil ihr denkt: Was passiert, wenn ich krank werde?», fragt er und schaut dabei direkt in die Kamera. Als es um die Corona-Seuche geht, spricht Biden über Familien, bei denen am Tisch jetzt ein Platz frei sei.

Als es um Migrantenkinder geht, die an der Grenze von ihren Eltern getrennt werden, ruft Biden emotional aus: «Das ist kriminell!» Und als die Sprache auf die Ausschaffung der «Dreamer» kommt, also von Kindern illegaler Einwanderer, die in den USA geboren und aufgewachsen sind, bringt Biden die Coronakrise und die Staatsangehörigkeit zusammen: «Über 20'000 von ihnen arbeiten im Gesundheitswesen. Wir schulden ihnen das.»

Kompetenz

Donald Trump bleibt bei seinen Plänen und Ideen oft relativ allgemein und vage – siehe Thema Obamacare. Er wiederholt, gegen Corona werde es sehr bald einen Impfstoff geben und 100 Millionen Dosen würden dann durch das Militär verteilt werden. «New York ist eine Geisterstadt», behauptet Trump – und schuld seien die Corona-Massnahmen des demokratischen Gouverneurs.

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Biden macht sich im Gegensatz zu Trump Notizen. Er hat viele Zahlen auf der Pfanne: Die Sozialsysteme würden 2023 bankrottgehen, wenn Trump Obamacare kippe, aber seine Versprechen mit Vorerkrankungen halte. «Und alle mit Covid haben Vorerkrankungen», warnt er. Biden spricht konkret darüber, dass KMUs geholfen werden müsse. Trump sagt bloss: «Plexiglas ist unglaublich teuer, Joe, das kannst du den Leuten nicht antun.»

Deutliche Unterschiede zwischen den Kandidaten auch beim Thema Klimawandel. «Wir haben so viele Programme, wir lieben die Umwelt, wir wollen kristallklares Wasser», erklärt Trump, streut ein «Wir arbeiten so gut mit der Industrie zusammen» ein und endet mit «Schaut euch China an: Es ist dreckig. Schaut euch Indien an: Es ist dreckig» sowie dem bekannten Argument, das Klima-Abkommen von Paris sei «unfair».

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«Die globale Erwärmung ist eine existenzielle Bedrohung der Menschheit», stellt dagegen Biden klar und präsentiert seine Vision von der Umstellung auf eine umweltfreundlichere Wirtschaft: den «Green Deal». 18,6 Millionen neue Jobs stellt der Demokrat in Aussicht. Trump kontert solche Pläne bloss mit: «Sie wollen aus grossen Fenstern kleine Fenster machen und am liebsten gar keine Fenster.»

Glaubwürdigkeit

Donald Trump – da werden Freund und Feind zustimmen, hat schon einiges vom Stapel gelassen. Das Problem ist: Viele seiner rhetorischen Tiefschläge sind altbekannt – und ziehen mitunter selbst bei seiner eigenen Klientel nicht mehr. 

Etwa der Vorwurf, die Schweinegrippe, die unter Barack Obamas Vize Joe Biden aufkam, sei irgendwie schlimmer als Corona («700'000 wären jetzt tot»). Auch die persönlichen Angriffe auf Biden dürften eher ihm selbst geschadet haben, denn Trumps pauschale Anschuldigungen haben ihre Kraft verloren.

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So sagt Trump: «Wir können uns nicht im Keller einsperren wie Joe. Er hat offenbar irgendwo eine Menge Geld gemacht. Ich kann das nicht tun.» Und behauptet: «Joe hat 3,5 Millionen Dollar von Putin bekommen. Das musst du erklären: Warum hast du 3,5 Millionen bekommen?»

Aber das wohl Dümmste sagt Trump, als es um die 500 Kinder geht, die an der Grenze von den Eltern getrennt worden sind: «Sie wurden von Kojoten und sehr bösen Leuten hergebracht.» Zudem seien sie nun in Gebäuden untergebracht, die ja sehr sauber seien. Der Papst nannte vor wenigen Tagen die Familientrennung an der amerikanischen Grenze übrigens «Grausamkeit in seiner höchsten Form».

Biden hingegen spricht über die Verschmutzung durch die Ölindustrie, die er in seiner Jugend in Delaware selbst miterlebt hat. Er sagt klipp und klar: «Es gibt institutionalisierten Rassismus in Amerika», weshalb Schwarze mehr Chancen bekommen müssten, Vermögen anzuhäufen. Er sagt Dinge wie: «Geht auf meine Website und prüft es nach.»

Die Kontrahenten Donald Trump und Joe Biden in Nashville, Tennessee. 
Die Kontrahenten Donald Trump und Joe Biden in Nashville, Tennessee. 
Bild: Keystone

Und als Trump ihn auf ein Gesetz festnageln will, durch das viele Minderheiten ins Gefängnis gekommen sind, pariert Biden: «Es war ein Fehler. Wir sollten Leute nicht wegen eines reinen Drogenvergehens ins Gefängnis stecken. Sie sollten behandelt werden. Das amerikanische Volk hat gesehen, dass es ein Fehler war.»

Fazit: Amerika hat am 3. November wirklich die Wahl zwischen zwei sehr unterschiedlichen Charakteren. Das hat dieser Abend wohl widerspruchslos bewiesen.

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