Kim Jong-un in Panik Warum sich Nordkorea gerade mehr abschottet als je zuvor

Von Sven Hauberg

30.11.2020

Nach Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie hat Kim Jong-un die Grenzen seines Landes dichtgemacht. (Archivbild)
Nach Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie hat Kim Jong-un die Grenzen seines Landes dichtgemacht. (Archivbild)
Bild: Keystone

Der Handel zwischen Nordkorea und China ist fast zum Erliegen gekommen, das stalinistische Land ist derzeit so isoliert wie lange nicht mehr. Beobachter sagen: aus gutem Grund.

Dass sich Nordkorea noch mehr vom Rest der Welt abkapselt – bis vor ein paar Monaten war das kaum vorstellbar. Denn das stalinistisch regierte Land gehört schon länger zu den isoliertesten Staaten der Welt. Im Oktober aber machte Staatschef Kim Jong-un ernst und kappte auch noch die letzten Verbindungen zum Ausland: Der Handel mit China, das zeigen unlängst veröffentlichte Daten, brach um rund 99 Prozent ein.

Glaubt man den Zahlen, die vor rund einer Woche von der chinesischen Zollbehörde veröffentlicht wurden, dann exportierte China im Oktober Waren im Wert von lediglich 253'000 US-Dollar in sein kleines Nachbarland – nur rund ein Prozent der Vormonatssumme. Auch die Importe brachen drastisch ein. Entsprechende Zahlen aus Nordkorea wurden bislang nicht veröffentlicht.



Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 90er und der Verschlechterung der Beziehungen zu Japan rund zehn Jahre später ist heute die Volksrepublik China der mit grossem Abstand wichtigste Handelspartner von Pjöngjang. In den letzten Jahren machte der Handel mit Peking bis zu 90 Prozent des gesamten nordkoreanischen Handelsvolumens aus; lediglich die UN-Sanktionen, mit denen das Land ab 2016 belegt wurde, verringerten den Austausch mit China ein wenig.

Bizarre Anti-Corona-Massnahmen

So oder so: Dass der Handel mit China eingebrochen ist, zeigt, dass das Kim-Regime heute so isoliert ist wie lange nicht mehr. Schuld am Isolationskurs von Pjöngjang dürfte vor allem die Corona-Pandemie sein. Um eine Einschleppung des Erregers zu verhindern, hatte das Land frühzeitig die Grenzen geschlossen.

Der südkoreanische Geheimdienst NIS berichtet unterdessen von bizarr anmutenden Massnahmen, die das Kim-Regime im Kampf gegen das Coronavirus getroffen haben soll. Demnach habe Nordkorea zuletzt zwei Personen hinrichten lassen: Einen bekannten Geldwechsler in Pjöngjang, den Kim persönlich für den in der Krise gefallenen Kurs des nordkoreanischen Won verantwortlich gemacht habe, und eine nicht identifizierte Person, die die wegen Corona verschärften Einfuhrbeschränkungen für Waren aus dem Ausland missachtet haben soll.



In Pjöngjang und in der nördlichen Provinz Jagang soll ein strenger Lockdown gelten, ausserdem hat Kim angeblich die Meersalzproduktion und den Fischfang verboten – aus Sorge vor einer Verseuchung des Wassers mit dem Coronavirus. Offiziell gibt es in Nordkorea bislang keine einzige Infektion; Experten zweifeln dies allerdings an.

Marodes Gesundheitssystem

Am vergangenen Sonntag, berichtet CNN, seien die Massnahmen noch einmal verschärft worden. So seien an der Grenze zu China mehr Soldaten aufgestellt worden, um illegale Übertritte zu verhindern; ausserdem soll die Regierung angeordnet haben, Abfälle, die über das Meer in Nordkorea angespült werden, zu verbrennen.

Dass Nordkorea mit derart drastischen Massnahmen auf die Pandemie reagiert, liegt Experten zufolge an dem maroden Gesundheitssystem des Landes. Mit vielen Corona-Fällen könne das verarmte Land nicht umgehen; Nordkorea habe bereits Probleme, andere Infektionskrankheiten wie Tuberkulose in Griff zu kriegen.

Mitte Oktober veröffentlichte die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur Fotos, die Kim Jong-un beim Besuch der von einem Taifun schwer getroffenen Stadt Komdok zeigen.
Mitte Oktober veröffentlichte die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur Fotos, die Kim Jong-un beim Besuch der von einem Taifun schwer getroffenen Stadt Komdok zeigen.
Bild: Keystone

Naturkatastrophen und schlechte Ernten haben die Bevölkerung zusätzlich unter Druck gesetzt. Das Leben in dem Land sei «extrem schwierig» geworden, so der südkoreanische Beobachter Doh Hee-youn vor ein paar Wochen gegenüber dem Magazin «Time».

Die aktuelle Situation sei «ziemlich ernst für den nordkoreanischen Staatschef», sagte der Nordkorea-Experte Evans Revere nun gegenüber CNN. «Das könnte erklären, warum sich Nordkorea seit der US-Präsidentschaftswahl derart ruhig verhält.» Die Regierung, so Revere, konzentriere sich nun vor allem auf das eigene Land und darauf, «wie sie durch die nächsten Monate kommt».

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