SyrienkriegWaffenruhe führt zu «gespannter Ruhe» in Idlib
dpa
6.3.2020
Seit Wochen erlebt Syriens letzte grosses Rebellengebiet ein neues Flüchtlingsdrama. Ein Abkommen zwischen Putin und Erdogan soll die Gewalt beenden. Doch Syriens Rebellen sehen die Waffenruhe skeptisch.
Nach dem Beginn einer Waffenruhe in dem heftig umkämpften syrischen Rebellengebiet um die Stadt Idlib hat sich die Lage dort beruhigt. Russische und syrische Jets flogen am Freitag zunächst keine Angriffe, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Es herrsche eine «gespannte Ruhe». Mehrere EU-Staaten begrüssten die Einigung zwischen den Schutzmächten Türkei und Russland.
Russland und die Türkei, die Schutzmächte der syrischen Regierung respektive der Rebellen, hatten sich am Donnerstagabend auf eine neue Waffenruhe für Idlib geeinigt. Sie trat um Mitternacht in Kraft. Sie sieht auch einen «Schutzkorridor» entlang der wichtigen Schnellstrasse M4 vor, die durch das Rebellengebiet führt. Die russische und türkische Armee wollen dort vom 15. März an gemeinsam patrouillieren.
Die beiden Schutzmächte reagierten mit dem Abkommen auf die jüngste Eskalation. Die syrischen Regierungstruppen hatten im vergangenen Jahr eine Offensive auf Idlib begonnen und konnten zuletzt wichtige Geländegewinne erzielen. Der Vormarsch der Anhänger von Syriens Präsident Baschar al-Assad führte zu schweren Zusammenstössen mit der türkischen Armee, die dort ebenfalls im Einsatz ist und syrische Rebellen unterstützt. Beide Seiten erlitten hohe Verluste.
Eine Million Menschen geflohen
Die Eskalation verschärfte auch die humanitäre Not. Nach Angaben der UNO sind seit Anfang Dezember fast eine Million Menschen vor der Gewalt und den heranrückenden Regierungstruppen in Richtung der türkischen Grenze geflohen, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Hilfsorganisationen sind nicht mehr in der Lage, sie zu versorgen.
Die Rebellen reagierten skeptisch auf die Waffenruhe. «Wir vertrauen der russischen Seite und Assads Gangs nicht», sagte der Sprecher des Rebellenbündnisses Nationale Befreiungsfront, Mustafa Nadschi. «Wir erwarten, dass diese Milizen die Waffenruhe verletzen, wie sie es bei früheren Waffenruhen gemacht haben.» Schon früher waren für Idlib Waffenruhen vereinbart worden, die jedoch scheiterten.
Im Osten der Region kam es kurz nach Beginn der Waffenruhe zu Kämpfen zwischen Regierungsanhängern und ihren Gegnern. Dabei habe es auf beiden Seiten Tote gegeben, meldeten die Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Letzte Rebellenbastion
Idlib ist nach fast neun Jahren Bürgerkrieg das letzte grosse Rebellengebiet. Es wird von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) dominiert. Dort kämpfen aber auch moderatere Gruppen, die mit der Türkei verbündet sind. Die Truppen der syrischen Armee werden von pro-iranischen Milizen unterstützt. Dazu gehört die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah. Die EU hatte den militärischen Arm der Hisbollah-Organisation 2013 auf die Terrorliste gesetzt.
Die EU-Aussenminister wollten am Freitag bei einem Krisentreffen in der kroatischen Hauptstadt Zagreb die Lage in Idlib beraten. Mehrere Aussenminister zeigten sich vorsichtig optimistisch, dass das Abkommen positive Auswirkungen auf die humanitäre Versorgung der Flüchtlinge in der Region haben könnte.
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sagte vor Beginn der Beratungen: «Natürlich bin ich froh über die Waffenruhe.» Dies sei eine Voraussetzung dafür, die humanitäre Hilfe in der Region Idlib zu erhöhen.
Österreichs Aussenminister Alexander Schallenberg sprach von einem «vorsichtigen Hoffnungszeichen». Es gehe allen darum, in Nordwestsyrien eine Situation zu erzeugen, in der die Menschen ein Minimum an Sicherheit hätten und so im eigenen Land bleiben könnten.
Ein Migrant versucht, sich am 3. März beim Dorf Skala Sikaminias auf der Insel Lesbos aufzuwärmen: Mehr Flüchtende erreichen dieser Tage die Ägäisinsel, nachdem die Türkei verkündet hat, sie werde syrische Flüchtende auf ihrem Weg nach Europa nicht mehr aufhalten.
Bild: Keystone
Dieses Flüchtlingsboot erreicht Lesbos am 2. März, doch ein Kleinkind überlebt an diesem Tag die Überfahrt von der türkischen Küste nicht. Dort leben derzeit rund 3,7 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien.
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Migranten passieren bei Edirne am 2. März die Grenze zur EU: Griechenland hat angekündigt, alle Asylverfahren einen Monat lang auszusetzen, nachdem die Türkei bekundet hat, Flüchtende nicht mehr aufzuhalten.
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Im zentralen Flüchtlingslager Moria auf Lesbos herrschen prekäre Zustände. Polizisten versuchen, am 2. März Migranten zu zerstreuen, die freie Weiterreise fordern.
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Afrikaner warten an der türkischen Küste am 3. März auf die Gelegenheit, nach Lesbos überzusetzen. Dort werden sie schlechterdings von rechtsradikalen Griechen empfangen, die sich auf der Insel gesammelt haben, um Fremde abzuwehren und Journalisten und NGO-Mitarbeiter zu jagen.
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Migranten sammeln sich bei Edirne in einem Feld, um nach Griechenland weiterzuziehen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach am 2. März von «Hunderttausenden», die nun Richtung EU strömten.
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Hinter Stacheldraht: Flüchtende auf der türkischen Seite der Grenze zu Griechenland am 2. März. Zur Zahl der Migranten und Flüchtlinge, die im Gebiet zwischen dem Grenzposten Kastanies und dem eigentlichen Grenzverlauf ausharrten, lagen zunächst keine gesicherten Angaben vor.
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In der Nacht zum Dienstag nahmen griechische Sicherheitskräfte 45 Menschen fest, die illegal von der Türkei über die Grenze gekommen waren, wie der griechische Staatssender ERT berichtete. Im Bild: Flüchtende bei Edirne am 3. März.
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Die Menschen stammten demnach hauptsächlich aus Afghanistan, Pakistan, Marokko und Bangladesch. Darüber hinaus sei die illegale Einreise von mehr als 5'000 Menschen verhindert worden. Im Bild: Griechische Soldaten halten am 3. März Flüchtende beim Dorf Mandra unweit der Grenze auf.
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Flüchtende bei Edirne: Gleichzeitig verschlimmerte sich die humanitäre Lage in Nordsyrien. 950'000 der 3 Millionen Einwohner der Region sind nach Uno-Angaben auf der Flucht.
Boris Pistorius in Kiew: Der Verteidigungsminister will mit der ukrainischen Regierung über die weitere militärische Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland beraten. O-Ton Boris Pistorius, Verteidigungsminister
«Das sind ein paar Erwartungen und vor allem die Botschaft, aber auch jetzt, eine Woche vor der Übernahme der Amtsgeschäfte durch den amerikanischen Präsidenten Trump noch einmal das deutliche Signal zu setzen, dass wir in Europa, dass die Nato-Partner an der Seite der Ukraine stehen, gerade auch jetzt in der besonders angespannten Situation.»
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