Gespräche über EU-Beitritt Von der Leyen ist zum zweiten Mal nach Kiew gereist

SDA

11.6.2022 - 10:37

EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen  kommt, begleitet von der ukrainischen Vize-Premierministerin Olga Stefanischina, auf dem Bahnhof in Kiew an. 
EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen  kommt, begleitet von der ukrainischen Vize-Premierministerin Olga Stefanischina, auf dem Bahnhof in Kiew an. 
Michel Winde/dpa

Um die letzten offenen Punkte rund um den EU-Beitrittsantrag der Ukraine zu klären, ist die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nochmals nach Kiew gereist. Thema soll auch der Wiederaufbau der Ukraine sein.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist am Samstag zu Gesprächen über den EU-Beitrittsantrag der Ukraine in Kiew eingetroffen.

Die deutsche Spitzenpolitikerin wollte in der Hauptstadt des von Russland angegriffenen Landes mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ministerpräsident Denys Schmyhal unter anderem noch offene Punkte des Aufnahmegesuchs erörtern. Zudem sollte es um die langfristige Hilfe der EU bei der Beseitigung der Kriegsschäden gehen.

«Wir werden eine Bestandsaufnahme der für den Wiederaufbau benötigten gemeinsamen Anstrengungen und der Fortschritte der Ukraine auf ihrem europäischen Weg vornehmen», sagte von der Leyen zu ihrer Ankunft in Kiew am Samstagvormittag. «Dies wird in unsere Bewertung einfliessen, die wir demnächst vorlegen werden.»

EU-Kommission gibt am Freitag eine Einschätzung ab

Die EU-Kommission wird voraussichtlich kommenden Freitag ihre Einschätzung dazu veröffentlichen, ob der Ukraine der Status als Kandidat für einen EU-Beitritt gewährt werden sollte. Geknüpft an eine solche Empfehlung wären wohl Reformzusagen in Bereichen wie der Rechtsstaatlichkeit oder dem Kampf gegen Korruption.

Die Entscheidung darüber, ob die Ukraine den Kandidatenstatus bekommt, liegt bei den EU-Staaten und muss einstimmig getroffen werden. Der EU-Gipfel am 23./24. Juni soll sich damit befassen - die Ansichten der Länder gehen jedoch teils weit auseinander, obwohl die Entscheidung über den Kandidatenstatus die Aufnahmeentscheidung nicht vorwegnimmt und auch nicht mit einem Zeitrahmen verbunden ist. So ist die Türkei beispielsweise bereits seit 1999 EU-Beitrittskandidat.

Die Ukraine hatte im März, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar, einen Antrag auf Annahme in die EU gestellt. Die EU-Staaten beauftragten die EU-Kommission, sich damit zu befassen und eine Empfehlung abzugeben.

Die Ukraine macht Druck

Die Erwartungen der Ukraine an eine Annäherung an die EU sind riesig. Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk machte kürzlich im Europaparlament deutlich, dass es dabei auch um die Moral des ukrainischen Volks geht: «Wir brauchen diesen Ansporn, wir brauchen diesen Beitrittskandidatenstatus. Das muss das ukrainische Volk aus Europa hören», sagte er.

Präsident Selenskyj macht immer wieder Druck und sagte jüngst, die EU könne einen historischen Schritt unternehmen und beweisen, dass Worte über die Zugehörigkeit des ukrainischen Volkes zur europäischen Familie nicht bloss leere Worte seien.

Innerhalb der EU birgt diese Frage jedoch erheblichen Sprengstoff – für die EU-Kommission ist es eine Herausforderung, bei ihrer Empfehlung die Interessen aller Länder zu berücksichtigen. Staaten wie Estland, Litauen und Lettland, aber auch Italien oder Irland machen sich nachdrücklich dafür stark, die Ukraine zügig zum EU-Kandidaten zu machen.

Das sei «eine wichtige politische Botschaft, die wir so schnell wie möglich senden müssen», sagte der litauische Staatspräsident Gitanas Nauseda am Dienstag nach Gesprächen mit Bundeskanzler Olaf Scholz. «Wir haben kein moralisches Recht, diesen Augenblick zu verpassen. Die Ukraine verteidigt dieses Recht mit ihrem Blut.»

Frankreich und Niederlande skeptisch, Deutschland hält sich zurück

Offene Ablehnung gegen einen solchen Weg gab es zuletzt wenig, doch sind einige Staaten mindestens skeptisch. Dazu gehören etwa Frankreich und die Niederlande. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bislang nicht klar Stellung bezogen, jedoch betont, dass er keine Sonderregeln für einen beschleunigten EU-Beitritt der Ukraine akzeptieren werde. Dabei verwies er auch darauf, dass dies nicht fair gegenüber den sechs Länder des westlichen Balkan sei, die ebenfalls auf einen Beitritt zur EU hoffen.

Serbien, Montenegro, Nordmazedonien und Albanien sind bereits EU-Beitrittskandidaten. Das Kosovo und Bosnien-Herzegowina warten noch auf diesen Status. Die Annäherung stockt seit Jahren, Scholz will für eine neue Dynamik sorgen. Er war am Wochenende in Balkanstaaten unterwegs.

Zweiter Besuch von der Leyens in Kiew

Von der Leyens Reise nach Kiew ist bereits ihre zweite seit Beginn des Kriegs am 24. Februar. Sie wurde aus Sicherheitsgründen im Vorfeld nicht öffentlich angekündigt.

Im April hatte von der Leyen unter anderem den Kiewer Vorort Butscha besucht, in dem kurz zuvor Kriegsverbrechen öffentlich geworden waren. Selenskyj überreichte sie damals den Fragenkatalog, der für die Bewertung ihrer Behörde der ukrainischen EU-Ambitionen massgeblich ist. «Wir stehen an eurer Seite, wenn ihr von Europa träumt», sagte sie damals. Ihre Botschaft laute, «dass die Ukraine zur europäischen Familie gehört».

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