IrakUSA töten mächtigen iranischen General – Iran droht mit Vergeltung
SDA/afp/aka
3.1.2020 - 05:26
Neue Verschärfung: Das US-Militär tötet einen der ranghöchsten iranischen Generäle, Irans geistliches Oberhaupt schwört Rache, die Schweiz muss vermitteln. Droht nun eine Eskalation zwischen beiden Staaten?
Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran spitzt sich mit der Tötung eines ranghohen iranischen Generals im Irak gefährlich zu. Der Kommandant der iranischen Al-Kuds-Brigaden, Ghassem Soleimani, kam bei einem US-Raketenangriff nahe dem Flughafen von Bagdad ums Leben.
Das iranische Aussenministerium hat nun erneut den Geschäftsträger der Schweizer Botschaft in Teheran einberufen. Die Schweiz vertritt die Interessen der USA im Iran.
Dem Diplomaten sei gesagt worden, dass «die Ermordung von General Soleimani» ein «eklatantes Beispiel für den amerikanischen Staatsterrorismus sei, und dass das amerikanische Regime für die Folgen der Tat voll verantwortlich sei», erklärte ein Sprecher des iranischen Aussenministeriums im Kurznachrichtendienst Twitter.
Vom Schweizer Aussendepartement (EDA) lag zunächst keine Stellungnahme vor.
Das iranische Aussenministerium hatte bereits am Mittwoch einen Schweizer Diplomaten in Teheran einbestellt. Die Einberufung stehe im Zusammenhang mit dem Schutzmachtmandat, in dessen Rahmen die Schweiz die Interessen der USA im Iran vertrete und das auch die Aufrechterhaltung eines diplomatischen Kommunikationskanals zwischen den USA und dem Iran erlaube, teilte das EDA damals mit.
Bombardierung auf Anweisungs Trumps
Doch von vorne: Die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) bestätigten am Freitag den Tod Soeimanis. Das Pentagon in Washington übernahm die Verantwortung: Die Bombardierung sei auf Anweisung von Präsident Donald Trump erfolgt, um weitere Angriffe auf US-Kräfte zu verhindern – als «Akt der Verteidigung», sagte das Verteidigungsministerium in einer Pressemitteilung.
Soleimani habe aktiv an Plänen gearbeitet, um amerikanische Diplomaten und Einsatzkräfte im Irak und der Region zu attackieren, hiess es zur Begründung des Angriffs.
Ebenfalls getötet wurde der stellvertretende Leiter der irakischen Volksmobilisierungskräfte, Abu Mahdi al-Muhandis, wie die Medienstelle der vom Iran unterstützten Milizen erklärte.
Von Lenkraketen getroffen
Soleimani und Abu Mahdi al-Muhandis seien in einem Fahrzeug gefahren, als es von zwei aufeinanderfolgenden Lenkraketen getroffen wurde, die von einem amerikanischen Helikopter abgefeuert worden seien, als sie vom Flughafen wegfuhren, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Mit der Attacke wächst die Sorge vor einem Krieg zwischen den USA und dem Iran.
Der 62 Jahre alte Soleimani war der prominenteste Vertreter und das bekannteste Gesicht des iranischen Militärs im Ausland. Die Al-Kuds-Brigaden gehören zu den Revolutionsgarden, einer Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte. Er tauchte in der Region immer dann auf, wenn es für den Iran um besonders viel ging. Sein Gesicht war vor allem in den Krisenländern Syrien und im Irak berühmt-berüchtigt.
Dort zeigte er sich gerne an der Seite schiitischer Milizen, die mit dem Irak eng verbündet sind. Er war zwar nicht der Kommandant der iranischen Revolutionsgarden, aber als Leiter der im Ausland aktiven Al-Kuds-Brigaden genauso einflussreich.
Ihm und den Al-Kuds-Brigaden wurde stets vorgeworfen, die Doktrin des Exports der iranischen Revolution von 1979 umzusetzen. Gleichzeitig galt er als einer der Top-Strategen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Irak und Syrien. Im Iran selbst genoss er innerhalb der iranischen Führung den Ruf, ein absoluter Vorzeigesoldat zu sein. Auch von den Reformern, die die IRGC-Politik nicht immer befürworten, wurde er geschätzt und respektiert.
Iran droht mit Rache
Der General und die Al-Kuds-Brigaden seien verantwortlich für den Tod von Hunderten Amerikanern und Verbündeten, erklärte das Pentagon. Soleimani habe in den vergangenen Monaten Angriffe auf Stützpunkte von US-Verbündeten gesteuert und auch die gewaltsamen Proteste an der US-Botschaft in Bagdad gebilligt.
Ziel des Angriffs auf ihn sei es, den Iran von künftigen Angriffen abzuschrecken. «Die Vereinigten Staaten werden weiterhin alle notwendigen Massnahmen ergreifen, um unser Volk und unsere Interessen überall auf der Welt zu schützen.»
Der iranische Aussenminister Mohammad Dschawad Sarif verurteilte den tödlichen Raketenangriff als «extrem gefährlich» und als «dumme Eskalation». Sarif bezeichnete die Tötung des Generals in einer am Freitag im Internetdienst Twitter veröffentlichten Botschaft auch als «Akt des internationalen Terrorismus».
Chamenei droht mit Vergeltung
Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei hat Rache für den tödlichen US-Raketenangriff geschworen. In einer am Freitag über den Internetdienst Twitter verbreiteten Botschaft drohte Chamenei den «Verbrechern», die für den Tod Soleimanis verantwortlich seien, mit «schwerer Vergeltung».
Trump selbst hatte kurz zuvor per Tweet lediglich das Bild einer US-Flagge verbreitet – ohne Kommentar. In den Stunden davor war er auf Twitter ungewöhnlich still gewesen.
Der demokratische US-Senator Chris Murphy schrieb in einem Tweet, Soleimani sei ohne Zweifel ein Feind der Vereinigten Staaten. Er betonte zugleich: «Die Frage ist: Hat Amerika (...) gerade ohne Zustimmung des Kongresses die zweitmächtigste Person im Iran ermordet und wissentlich einen potenziell massiven regionalen Krieg ausgelöst?»
Streit um Atompolitik
US-Verteidigungsminister Mark Esper hatte am Donnerstag in Washington mit Blick auf die jüngsten gewaltsamen Proteste an der US-Botschaft in Bagdad erklärt, es gebe Hinweise, dass der Iran oder dessen verbündete Kräfte weitere Attacken planen könnten. Falls es dazu kommen sollte, würden die USA reagieren, um amerikanische Kräfte und Menschenleben zu schützen – womöglich auch «vorbeugend», falls man von konkreten Angriffsplänen erfahren sollte.
Die USA und der Iran sind seit langem in einen schweren Konflikt verwickelt. Washington setzt den Iran mit massiven Wirtschaftssanktionen unter Druck, um das Land zu einem Kurswechsel in seiner Atompolitik zu zwingen – was Teheran jedoch ablehnt. Die Amerikaner beschuldigen die Iraner ausserdem, Terrorismus zu fördern. In den vergangenen Monaten stand der Konflikt zwischen beiden Ländern mehrfach kurz vor einer militärischen Eskalation.
Im vergangenen Juni verkündete Trump per Tweet, nach dem Abschuss einer US-Drohne durch den Iran habe ein militärischer Gegenschlag der USA unmittelbar bevorgestanden. Wegen der erwarteten 150 Toten auf der iranischen Seite habe er den Angriff nur zehn Minuten vorher aber noch gestoppt.
Tausende US-Soldaten im Land
Insbesondere der Irak ist bereits seit längerem Schauplatz des Konflikts zwischen den USA und dem Iran. In dem Krisenland sind rund 5'000 US-Soldaten im Einsatz, die die irakische Armee im Kampf gegen den IS unterstützen.
Die als Volksmobilisierungskräfte bekannten irakischen Milizen wiederum pflegen enge Beziehungen zum Iran. Sie unterstehen offiziell Regierungschef Adel Abdel Mahdi, agieren aber weitestgehend unabhängig und besitzen auch starken politischen Einfluss.
Am vergangenen Wochenende war es zur bislang gefährlichsten Eskalation gekommen, als die US-Armee die irakische Miliz Kataib Hisbollah bombardierte. Washington beschuldigte die Milizen, mehrfach amerikanische Soldaten und US-Bürger im Irak angegriffen zu haben.
Als Reaktion auf den Angriff waren am Dienstag Hunderte Demonstranten in Bagdads besonders gesicherte Grüne Zone eingedrungen, um die US-Botschaft zu stürmen. Mehrere Wachhäuschen wurden in Brand gesetzt, Mauern beschmiert und Brandsätze geworfen. Sicherheitskräfte drängten die Demonstranten jedoch zurück, bevor sie auf das Botschaftsgelände gelangen konnten.
Zur Abschreckung setzte das US-Militär auch Kampfhelikopter ein, verlegte rund 100 Marineinfanteristen aus dem benachbarten Kuwait und entsandte für den Fall einer weiteren Eskalation rund 750 Fallschirmjäger aus den USA in die Region. Die USA machten den Iran für die Proteste verantwortlich. Die Führung in Teheran wies den Vorwurf vehement zurück.
Anhaltende Proteste
Die neueste Eskalation trifft den Irak in einer politisch ohnehin äusserst instabilen Zeit. Das Krisenland leidet noch immer unter dem jahrelangen Kampf gegen den IS. Die Terrormiliz ist militärisch zwar besiegt, Zellen der Extremisten sind aber weiter aktiv.
Seit Wochen kommt es zudem immer wieder zu massiven Protesten gegen die Regierung und die im Irak weit verbreitete Korruption. Die Demonstrationen richten sich auch gegen den starken iranischen Einfluss im Land. Bei den Protesten wurden Hunderte Menschen getötet, die meisten von ihnen Demonstranten.
Regierungschef Abdel Mahdi, erst seit etwas mehr als einem Jahr im Amt, reichte auf Druck der Strasse seinen Rücktritt ein und ist nur noch geschäftsführend im Amt. Seit Wochen ringen die wichtigsten politischen Blöcke in einem Machtkampf um seinen Nachfolger, bisher ohne Erfolg. Dabei spielen auch die Iran-treuen Milizen eine zentrale Rolle.