Macron attackiert Le Pen in TV-Duell «Sie sind von Russland abhängig»

dpa

21.4.2022 - 06:18

Macron vs Le Pen: Erstes und einziges TV-Duell

Macron vs Le Pen: Erstes und einziges TV-Duell

Diesen Sonntag wird in Frankreich über den zukünftigen Präsidenten oder die zukünftige Präsidentin entschieden. Die Kandidaten sind Emmanuel Macron und Marine Le Pen. Vier Tage vor der Stichwahl kam es zum ersten und einzigen TV-Duell.

21.04.2022

Kurz vor der Endrunde der französischen Präsidentschaftswahl stehen sich die Finalisten Emmanuel Macron und Marine Le Pen erstmals im Fernsehen gegenüber. In der Debatte geht es heiss her. So manches sorgt auch für Belustigung.

Aus dem grossen TV-Duell vor der Frankreichwahl ist Präsident Emmanuel Macron nach ersten Umfragen als Gewinner mit klarem Vorsprung vor der rechten Herausforderin Marine Le Pen hervorgegangen. Nach der mehr als zweieinhalbstündigen Debatte am Mittwochabend hielten zwei von drei Zuschauern den Mitte-Politiker für den überzeugenderen Kandidaten, wie eine Umfrage des Instituts Elabe ergab. Mit Spannung war erwartet worden, ob die beiden Kontrahenten sich wie im Duell vor der Präsidentschaftswahl 2017 Beschimpfungen und persönliche Angriffe leisten würden. Die Debatte blieb aber überwiegend sachlich, auch wenn beide hart gegen den Gegner austeilten.

Weshalb das Duell so wichtig war: Ein eher knappes Rennen wird für die Stichwahl am Sonntag vorausgesagt, die Wählerschaft ist gespalten und viele besonders linke Wähler wollen eigentlich keinem der beiden ihre Stimme geben. Sie wollen eine ganz andere Politik. Um diese Gruppe buhlen beide Bewerber.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron (l.) und seine rechte Widersacherin Marine Le Pen (r.) am Mittwochabend bei der einzigen TV-Debatte der beiden Präsidentschaftskandidaten vor der Stichwahl am Sonntag.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron (l.) und seine rechte Widersacherin Marine Le Pen (r.) am Mittwochabend bei der einzigen TV-Debatte der beiden Präsidentschaftskandidaten vor der Stichwahl am Sonntag.
Bild: Keystone/Ludovic Marin, Pool via AP

Was auf dem Spiel stand: Bei dem Duell 2017 hatte Le Pen sich gründlich blamiert. Für sie galt es daher vor allem, seriöser und präsidialer zu wirken. Sie zeigte sich nun vor allem zu Beginn des Duells betont freundlich, strahlte in die Kameras und fiel Macron nicht ins Wort. Macron musste in der Debatte um jeden Preis vermeiden, arrogant und elitär zu wirken. Statt über Le Pens Antworten zu lachen, gab er sich ernst und mimte den nachdenklichen Zuhörer. Auch gestand er Unzulänglichkeiten in seiner Amtszeit ein.

Le Pen will EU gründlich ändern

Was das Netz interessierte: Macrons Zuhörerposen – aufgestützter Kopf, den Mund leicht schmollend – wurden sogleich in etliche Memes umgewandelt. Le Pen hielt einen ausgedruckten Tweet hoch und sorgte damit für Belustigung. In den sozialen Netzwerken wurde der Zettel sogleich umgestaltet und etwa «Wählt am Sonntag Macron» darauf geschrieben.

Worum es inhaltlich ging: Acht Themen waren ausgewählt worden, zu denen Macron und Le Pen sich positionieren sollten. Akribisch wurde die Redezeit der beiden dabei im Blick gehalten.

Europa: Während Macron sich zur deutsch-französischen Kooperation und zur Verankerung Frankreichs in der Europäischen Union bekannte, stellte Le Pen klar, dass sie die EU gründlich ändern will. Ihr geht es dabei um mehr nationale Kompetenzen. Macron warf ihr vor, noch immer aus der EU austreten zu wollen, dies aber nicht offen zu sagen.

Ukraine-Krieg: Einigkeit bei Thema Hilfe für Kiew

Ukraine-Krieg: Le Pen und Macron waren sich weitgehend einig, dass es weiterhin Hilfen für Kiew geben solle. Le Pen sprach sich aber gegen einen Importstopp für russisches Gas aus, Macron setzt auf Energieunabhängigkeit von Russland. Macron warf seiner Kontrahentin zudem vor, von Kremlchef Wladimir Putin abhängig zu sein. «Sie sind von Russland und vom russischen Präsidenten abhängig», sagte Macron, der Le Pen auch vorwarf, als eine der ersten westlichen Politikerinnen die russische Annexion der Krim anerkannt zu haben.

Umwelt und Energie: Frankreich ist ein Atomland, Macron sprach sich für den Bau weiterer Kraftwerke aus, will zugleich aber erneuerbare Energien voranbringen, insbesondere Offshore-Windparks. Le Pen hingegen hält Windräder für ökologisch und ökonomisch unsinnig, will bereits existierende Anlagen abbauen lassen und setzt auf Atomkraft.

Kaufkraft: Das Schlüsselthema des Wahlkampfs war Aufmacher der Debatte. Obwohl Le Pen das Thema seit Wochen geschickt besetzte, konnte sie sich in der Debatte nicht eindeutig gegen Macron durchsetzten. Sie schlug unter anderem eine Mehrwertsteuersenkung auf Energie sowie einen Wegfall der Steuern auf 100 Grundprodukte des täglichen Bedarfs vor. Macron setzte darauf, die Arbeitslosigkeit weiter zu senken und Gas- und Strompreise weiterhin zu deckeln.

Streitthema Rente

Streitthema Rente: Aus deutscher oder Schweizer Sicht gehen die Menschen in Frankreich vergleichsweise früh in Rente, Le Pen will am Renteneintrittsalter von 62 Jahren festhalten. Wer schon jung ins Berufsleben einsteige, solle mit 60 in Rente dürfen. Macron will das Rentenalter mit einigen Ausnahmen auf 65 Jahre anheben. Bei wachsender Lebenserwartung müsse das Rentensystem gegenfinanziert werden, argumentiert er.

Und ewig Zank ums Kopftuch: In der Schule und in der öffentlichen Verwaltung ist das Kopftuch in Frankreich aus Neutralitätsgründen verboten. Le Pen forderte nun ein Kopftuchverbot überall im öffentlichen Raum. Macron hält das mit der Religionsfreiheit und der Verfassung für unvereinbar – und fürchtet einen Bürgerkrieg, wenn man tatsächlich das Kopftuch in den Wohnvierteln verbieten würde.

Grosse Worte: «Sagen Sie keine Dummheiten!» und «Erteilen Sie mir keine Lektionen!» waren nur einige der prägnanten Sätze, die im Duell fielen. Besonders eindringlich wurden beide Bewerber zum Schluss. Macron machte die Wahl auch zu einer Abstimmung über Europa, Klima, den Laizismus – «also ein Referendum für oder gegen das, was wir grundsätzlich sind». Le Pen hingegen versprach eine «Rückkehr des gesunden Menschenverstands», sollte sie gewinnen.

dpa