USA-Experte im Interview«Nach den Wahlen wird es Unruhen geben – egal, wer gewinnt»
Von Gil Bieler
2.10.2020
US-Wahlkampf in Krisenzeiten
US-Präsident Donald Trump und die First Lady, Melania Trump, wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Das gab das Paar am 2. Oktober bekannt (im Bild: bei einem Wahlkampfauftritt).
Bild: AP Photo/Julio Cortez
Die Nachricht kommt in der Schlussphase eines ohnehin turbulenten Wahlkampfs: Das erste TV-Duell zwischen Trump und Herausforderer Joe Biden (l.) am 29. September verlief chaotisch und liess die Zuschauer vor allem verärgert zurück.
Bild: Pool via AP/Olivier Douliery
Trump unterliess es auch, sich in der Debatte von weissen Rechtsextremistengruppen zu distanzieren. Erst auf Druck auch aus den eigenen Reihen holte er dies Tage später nach.
Bild: AP Photo/John Locher
Dass auch der Demokrat Joe Biden aus der TV-Debatte keinen Profit schlagen konnte, zeigt sich an den stabil gebliebenen Umfragewerten. Die Meinungen scheinen im Land gemacht.
Bild: AP Photo/Andrew Harnik
Für den Amtsinhaber läuft es dabei nicht gerade rund im Wahlkampf. Das Coronavirus trifft die USA besonders schwer, in den Umfragen liegt er hinter zuverlässig hinter Biden zurück.
Bild: Keystone/EPA/Chris Kleponis
Hinzu kommen die Proteste gegen Rassismus, die das Land seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch die Polizei in Atem halten. Im Bild: eine Demo in Washington.
Bild: Keystone/EPA/Michael Reynolds
Oft geraten Demonstranten und Polizei, wie hier in Philadelphia, gewaltsam aneinander.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Rourke
Und auch Trumps erste Wahlkampfveranstaltung in Tulsa, Oklahoma, wurde am 20. Juni nicht zum erwarteten Triumphzug.
Bild: Keystone/AP Photo/Sue Ogrocki
Stattdessen blieb gut ein Drittel der Sitze im BOK Center leer.
Bild: Keystone/AP Photo/Sue Ogrocki
Immerhin: Auch sein voraussichtlicher Herausforderer von den Demokraten, Ex-Vizepräsident Joe Biden, kann in diesen Krisenzeiten kaum Wahlkampf betreiben.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Slocum
Wer hat unter diesen erschwerten Bedingungen bessere Aussichten auf den Wahlsieg? Joe Biden, findet Mark Steenbergen, Professor und USA-Experte von der Universität Zürich.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Slocum
Der Grund: Trumps ursprüngliche Botschaft, dass unter seiner Regierung die Wirtschaft floriere, sei verpufft, so der Politikwissenschaftler.
Bild: Keystone/AP Photo/Nam Y. Huh
Der Ausgang der Wahlen könnte sehr gut vor dem obersten Gerichtshof des Landes enden. Und dort kann Trump nach dem Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg Einfluss zu seinen Gunsten nehmen.
Bild: AP Photo/Charles Dharapak
So hat er bereits Amy Coney Barrett als Nachfolgerin nominiert –wird sie in den Supreme Court gewählt, wäre dort eine stabile konservative Richter-Mehrheit installiert.
Bild: EPA/Shawn Thew
Das alles zeigt: Bis zu den Wahlen am 3. November kann noch viel passieren. Man sollte Donald Trump also nicht voreilig abschreiben.
Bild: Keystone/AP Photo/Alex Brandon
US-Wahlkampf in Krisenzeiten
US-Präsident Donald Trump und die First Lady, Melania Trump, wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Das gab das Paar am 2. Oktober bekannt (im Bild: bei einem Wahlkampfauftritt).
Bild: AP Photo/Julio Cortez
Die Nachricht kommt in der Schlussphase eines ohnehin turbulenten Wahlkampfs: Das erste TV-Duell zwischen Trump und Herausforderer Joe Biden (l.) am 29. September verlief chaotisch und liess die Zuschauer vor allem verärgert zurück.
Bild: Pool via AP/Olivier Douliery
Trump unterliess es auch, sich in der Debatte von weissen Rechtsextremistengruppen zu distanzieren. Erst auf Druck auch aus den eigenen Reihen holte er dies Tage später nach.
Bild: AP Photo/John Locher
Dass auch der Demokrat Joe Biden aus der TV-Debatte keinen Profit schlagen konnte, zeigt sich an den stabil gebliebenen Umfragewerten. Die Meinungen scheinen im Land gemacht.
Bild: AP Photo/Andrew Harnik
Für den Amtsinhaber läuft es dabei nicht gerade rund im Wahlkampf. Das Coronavirus trifft die USA besonders schwer, in den Umfragen liegt er hinter zuverlässig hinter Biden zurück.
Bild: Keystone/EPA/Chris Kleponis
Hinzu kommen die Proteste gegen Rassismus, die das Land seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch die Polizei in Atem halten. Im Bild: eine Demo in Washington.
Bild: Keystone/EPA/Michael Reynolds
Oft geraten Demonstranten und Polizei, wie hier in Philadelphia, gewaltsam aneinander.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Rourke
Und auch Trumps erste Wahlkampfveranstaltung in Tulsa, Oklahoma, wurde am 20. Juni nicht zum erwarteten Triumphzug.
Bild: Keystone/AP Photo/Sue Ogrocki
Stattdessen blieb gut ein Drittel der Sitze im BOK Center leer.
Bild: Keystone/AP Photo/Sue Ogrocki
Immerhin: Auch sein voraussichtlicher Herausforderer von den Demokraten, Ex-Vizepräsident Joe Biden, kann in diesen Krisenzeiten kaum Wahlkampf betreiben.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Slocum
Wer hat unter diesen erschwerten Bedingungen bessere Aussichten auf den Wahlsieg? Joe Biden, findet Mark Steenbergen, Professor und USA-Experte von der Universität Zürich.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Slocum
Der Grund: Trumps ursprüngliche Botschaft, dass unter seiner Regierung die Wirtschaft floriere, sei verpufft, so der Politikwissenschaftler.
Bild: Keystone/AP Photo/Nam Y. Huh
Der Ausgang der Wahlen könnte sehr gut vor dem obersten Gerichtshof des Landes enden. Und dort kann Trump nach dem Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg Einfluss zu seinen Gunsten nehmen.
Bild: AP Photo/Charles Dharapak
So hat er bereits Amy Coney Barrett als Nachfolgerin nominiert –wird sie in den Supreme Court gewählt, wäre dort eine stabile konservative Richter-Mehrheit installiert.
Bild: EPA/Shawn Thew
Das alles zeigt: Bis zu den Wahlen am 3. November kann noch viel passieren. Man sollte Donald Trump also nicht voreilig abschreiben.
Bild: Keystone/AP Photo/Alex Brandon
Schlussspurt im turbulenten US-Wahlkampf: Welche Taktik Donald Trump verfolgt, weshalb die Demokraten nicht machtlos sind und wieso es keine friedvolle Machtübergabe geben dürfte – ein Forscher der Uni Zürich klärt auf.
In einem Monat, am 3. November, wählen die US-Amerikanerinnen und -Amerikaner einen neuen Präsidenten. Und als wäre der Wahlkampf nicht schon ungewöhnlich genug verlaufen, haben sich US-Präsident Donald Trump und Gattin Melania Trump nun auch noch mit dem Coronavirus infiziert.
Die Meldung fällt mitten in die heisse Phase des Rennens ums Weisse Haus. Welcher Kandidat liegt vor dem Schlussspurt vorne? «blue News» hat bei USA-Kenner Marco Steenbergen von der Universität Zürich nachgefragt.
Herr Steenbergen, das erste TV-Duell zwischen Trump und Biden zeigte diese Woche zwei Kandidaten, die sich beleidigen und aneinander vorbeireden. Zeigt sich daran auch der Zustand der Nation?
Ich glaube, das zeigt eher, wie wichtig diese Wahlen für beide Seiten sind. Und ausserdem zeigte die Debatte wieder einmal die Persönlichkeit von Donald Trump auf. Er versuchte gar nicht erst, eine inhaltliche Diskussion zu führen. Stattdessen wollte er beweisen, dass die staatsmännische Haltung Bidens ins Bröckeln kommt, wenn dieser unter grossen Druck gerät. Trump wollte nie konstruktiv mitreden, sondern provozieren und die Debatte völlig vereinnahmen.
Was ihm auch gelungen ist. Worüber inhaltlich gesprochen wurde, war kaum ein Thema.
Das stimmt. Das ist zwar häufig der Fall bei solchen Debatten, aber dieses Mal hat man als Zuschauer am Ende tatsächlich sehr wenig gelernt.
Zur Person
Marco Steenbergen ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Zürich. Eines seiner Forschungsschwerpunkte ist amerikanische Politik. Er hat in Amsterdam sowie an der Stony Brook University im US-Bundesstaat New York studiert.
Welcher Kandidat hat sich denn besser geschlagen?
Ich glaube, es gab nur Verlierer – aber derjenige, der am wenigsten verloren hat, war Joe Biden. Gleichzeitig hat er es aber verpasst, Punkte zu machen. Dazugewonnen hat er nichts. Die meisten, die in die Debatte reingezappt haben, dürften sich aber ohnehin gefragt haben, was eigentlich mit Trump los war. Er hat einige Sachen gemacht, die man in einem solchen Format einfach nicht tut.
Woran denken Sie da konkret?
Er hat Bidens Sohn vorgeworfen, drogensüchtig zu sein. Das allein ist eigentlich ein absolutes Tabu. Und noch wichtiger: Trump hat sich einmal mehr geweigert, sich klar von der weissen Rassistenbewegung, der sogenannten White Supremacy, zu distanzieren. Stattdessen behauptete er, alle Gewalt in den USA stamme von der linken Antifa – womit er dem FBI widersprach. Von seiner Basis wird er dafür zwar wie immer Applaus bekommen, aber damit kann er keine neuen Wähler dazugewinnen. Seine Versuche, schwarze Wähler für sich zu gewinnen, hat er mit dieser Debatte jedenfalls wieder zunichtegemacht.
In unserem letzten Gespräch im Juli äusserten Sie Zweifel daran, ob Trump eine Niederlage akzeptieren würde. Heute scheint es diesbezüglich keine Zweifel mehr zu geben ...
Er wird eine Niederlage nicht akzeptieren, das scheint mittlerweile sicher zu sein. Trump wird nicht einfach gehen. Es gibt immer neue Berichte darüber, wie er die Spielregeln zu seinen Gunsten verändern möchte. Zudem ist er nach dem Tod der Richterin Ruth Bader Ginsburg in einer gestärkten Position: Er kann davon ausgehen, noch vor den Wahlen ein neues Mitglied am Obersten Gericht zu ernennen und dort eine klare konservative Mehrheit zu installieren. Wenn er dann den Wahlausgang vor das Gericht zieht, dürfte der Entscheid zu seinen Gunsten ausfallen. Das scheint mir auch seine Strategie zu sein.
Als zuletzt die Frage einer friedvollen Machtübergabe aufkam, hat der Anführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, dies garantiert. Hat er dem Präsidenten damit eine rote Linie aufgezeigt?
Naja. Ich weiss nicht, was von Mitch McConnell und roten Linien zu halten ist. Vor vier Jahren zog er eine solche noch, um eine Neubesetzung von Richterposten am Obersten Gericht in einem Wahljahr zu verhindern – nur um sich jetzt komplett anders zu verhalten.
Und die Demokraten – können die überhaupt etwas tun?
Die Demokraten könnten eine Mehrheit im Senat erobern – denn auch dort wird ein Teil der Sitze neu besetzt. Zwar ist in diesem Wahlkampf nichts sicher, aber zumindest zeigen Umfragen in Staaten wie Georgia, South Carolina und Iowa eine Verschiebung zugunsten der Demokraten. Holen sie tatsächlich die Mehrheit, sieht die Realität gleich ganz anders aus: Dann könnte Trump zwar sagen ‹Ich gehe nicht›, aber dann käme es erneut zu einem Impeachment-Verfahren. Nur dieses Mal würde er auch abgewählt.
In welchen Wählerschichten wird der Wahlkampf jetzt noch entschieden?
Es gibt traditionell eine Gruppe von unentschlossenen Wählern, doch dieses Mal ist sie viel kleiner als gewöhnlich. Das ist ein Unterschied zum Wahlkampf 2016, als sehr viele Bürgerinnen und Bürger bis zum Schluss offenliessen, wem sie ihre Stimme geben. Und Biden hat immer noch Vorsprung.
Das heisst?
Also entweder liegen die Umfragen völlig daneben, was die Unterstützung von Trump angeht – oder aber er steht tatsächlich nicht allzu gut da. So stehen einige Bundesstaaten auf der Kippe, die Trump eigentlich klar gewinnen müsste. In Ohio ist das der Fall, ebenso in Georgia. Und wenn selbst in Texas von einem knappen Rennen die Rede ist, dann zeigt das, dass Trump erhebliche Probleme hat.
Umfrage
Trump oder Biden: Wer gewinnt die US-Wahl?
Nochmals zu Joe Biden: Viele Kommentatoren kritisieren, er müsste mehr Gas geben im Wahlkampf. Stimmen Sie dem zu?
Auch ich finde ihn zu abwesend. Natürlich ist es ein seltsamer Wahlkampf aufgrund der Coronakrise, doch Biden könnte viel stärker präsent sein. Ja, er müsste das auch sein, weil mit der Ernennung einer neuen Richterin für das Verfassungsgericht seine Vizepräsidentschaftskandidatin, Kamala Harris, oft in Washington sein muss – sie ist Teil der Anhörungskommission. Immerhin: Was die Wahlwerbung angeht, ist er in ‹Swing States› sehr prominent vertreten, aber persönlich nicht.
Kann sich die US-Gesellschaft von diesen vier Jahren Trump noch erholen?
Ich bin da leider ziemlich pessimistisch. Ich denke, dass es nach den Wahlen grosse Unruhen geben wird – unabhängig davon, wer gewinnt. Aber ich hoffe, dass dies nur von kurzer Dauer sein wird. Danach muss die sehr schwierige Arbeit beginnen, eine gemeinsame Vision für das polarisierte Land zu finden. Wobei man nicht übertreiben sollte: Es gibt auch sehr viele Amerikanerinnen und Amerikaner, die sich nach Normalität sehnen.
Welche Aufgaben warten auf den Gewinner?
Einfach wird das alles nicht. Sollte Biden gewinnen, hat er gleich drei Krisen zu bewältigen: die Coronapandemie, eine Wirtschaftskrise und die Diskussion um Polizeigewalt und Rassendiskriminierung. Sollte Trump gewinnen, dann dürfte die Spaltung weiter andauern. Denn wenn er eines gezeigt hat, dann dass er sich nicht als Präsident für alle Amerikaner sieht.