USA-Experte über allfällige Wahl-Folgen «Trump würde mit Putin wohl einen Deal machen»

Von Manuel Kellerhals

15.2.2024

Donald Trump lässt sich an einem Wahlkampf-Auftritt in South Carolina feiern. 
Donald Trump lässt sich an einem Wahlkampf-Auftritt in South Carolina feiern. 
IMAGO/ZUMA Wire

Investieren Nato-Länder nicht genug in ihre Verteidigung, könne Russland mit ihnen machen, «was auch immer zur Hölle sie wollen». Diese Aussage von Donald Trump bietet Zündstoff. Ein Experte erklärt die Hintergründe – und die Folgen. 

Von Manuel Kellerhals

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Laut Donald Trump würde er manche Nato-Staaten nach seiner Wiederwahl bei einem Angriff Russlands nicht unterstützen. 
  • Mehr noch: Russland könne mit ihnen machen, «was zur Hölle sie wollen».
  • Die Aussagen werden von Regierungsmitglieder*innen der Nato weltweit kritisiert.
  • USA-Experte Dr. Josef Braml gibt seine Einschätzung zu Trumps kontroverser Rede. 
  • Braml ist einer der führenden USA-Experten Deutschlands und hat unter anderem das Buch «Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können» geschrieben. 

Donald Trump sägt an den Nato-Prinzipien. Der wahrscheinliche Präsidentschafts-Kandidat der US-Republikaner betonte bei einem Wahlkampfauftritt, dass nach seiner Wahl nicht alle Nato-Länder bei einem russischen Angriff auf die Unterstützung der USA zählen könnten.

Wer nicht die vereinbarten zwei Prozent des BIPs in die Rüstung stecke, sei auf sich allein gestellt. Und: In solchen Fällen würde er Russland «sogar dazu ermutigen, das zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen».

Dass ein ehemaliger und potenzieller US-Präsident sich so klar gegen die Solidaritätsabmachungen der Nato stellt, löste scharfe Kritik aus. «Um Himmels willen, das ist dumm, das ist beschämend, das ist gefährlich, das ist unamerikanisch», wettert etwa Trumps Konkurrent Joe Biden.

Sind die Aussagen wirklich so gefährlich für die Nato? Ist es Trump ernst mit «America First» – auch wenn es um militärische Verbündete geht? Welche Botschaft sendet er damit an den russischen Präsidenten Wladimir Putin? USA- und Politikexperte Dr. Josef Braml ordnet ein. 

Wie ernst muss man die Worte von Donald Trump vom Wochenende nehmen?

In einer möglichen zweiten Trump-Amtszeit wären die Nato und das Schutzversprechen der USA gegenüber Europa nicht mehr viel wert. Die Europäer müssten umso mehr für ihre eigene Sicherheit investieren. Doch es geht jetzt nicht darum, die häufig bemühten «zwei Prozent» der Wirtschaftsleistung möglichst für amerikanische Militärgüter auszugeben, um eine durchaus denkbare US-Regierung unter Donald Trump zu beschwichtigen. Dies wäre genauso nachhaltig, wie auf Schutzgelderpressungen einzugehen. 

Hätte er als US-Präsident überhaupt die Macht, der Nato die Unterstützung zu entziehen? Schliesslich gibt es auch noch andere Instanzen.

Ja, es ist richtig: Ohne die Zustimmung des Kongresses kann Trump die USA nicht aus der Nato herausnehmen. Aber er wäre der Oberbefehlshaber und könnte im Ernstfall US-Truppen nicht den Befehl geben, um den Alliierten Beistand zu leisten. Bereits jetzt unterminiert Trump die nötige Abschreckung gegenüber Russland, wenn er den russischen Präsidenten Putin ermutigt, mit zahlungsunwilligen Nato-Mitgliedern zu tun, was er wolle.

Wie sollten Nato-Staaten sich laut Ihnen auf eine weitere Amtszeit von Trump vorbereiten?

Indem die Europäer eigene, von den USA unabhängige militärische Fähigkeiten entwickeln – im konventionellen wie im nuklearen Bereich –, können sie Erpressungsversuchen einer möglichen zweiten Trump-Regierung oder auch der russischen Führung vorbeugen.

Trumps Kommentare lösten weltweit Empörung aus. Aber wie werden sie in Russland gesehen?

Es ist durchaus denkbar, dass Putin in seiner Einschätzung bestärkt wird, dass die Zeit für ihn arbeitet. Je länger Russlands Krieg gegen die Ukraine dauert, desto weniger sind die westlichen Staaten, vor allem die USA bereit, Kiew zu unterstützen.

Joe Biden kritisierte Donald Trumps Aussagen aufs Schärfste. Sie seien «unamerikanisch», sagte er bei einem Auftritt im Weissen Haus am 13. Februar. 
Joe Biden kritisierte Donald Trumps Aussagen aufs Schärfste. Sie seien «unamerikanisch», sagte er bei einem Auftritt im Weissen Haus am 13. Februar. 
IMAGO/ZUMA Wire

Ganz konkret: Verliert die Ukraine den Krieg, wenn Donald Trump Präsident wird?

Für fachkundige Beobachter sieht es schon seit Längerem nicht danach aus, dass die Ukraine den Krieg gewinnen könne. Eher früher als später werden die USA der Ukraine verdeutlichen, dass Washingtons Unterstützung begrenzt ist. Trump würde mit Putin wohl einen Deal machen, bei dem nicht nur die Ukraine, sondern auch die Sicherheit Europas auf dem Verhandlungstisch wären.

Bei Trumps erstem Impeachment-Skandal spielte ein Telefonat mit Selenskyj eine grosse Rolle. Welche Rolle spielt nun sein persönlicher Groll gegen die Ukraine?

Das mag eine Rolle spielen. Aber ich würde dringend empfehlen, den Blick zu weiten. Es ist nicht nur Trump, sondern die US-Bevölkerung, die meint, nunmehr genug für die Ukraine geleistet zu haben. Je länger der Krieg zwischen Russland und der Ukraine andauert, umso mehr sinkt auch der Rückhalt der amerikanischen Öffentlichkeit für die Hilfe für die Ukraine. Die US-Bevölkerung, vor allem die den Republikanern nahestehenden Wählerinnen und Wähler, sind bereits jetzt nicht mehr bereit, Amerikas Zuwendungen für die Ukraine aufrechtzuerhalten.

Zur Person: 
Politikwissenschaftler Dr. Josef Braml
Bild: ZvG

Dr. Josef Braml ist USA-Experte und European Director der Trilateral Commission – einer globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider*innen Amerikas, Europas und Asiens. Zuletzt erschienen beim Verlag C.H.Beck sein mit Mathew Burrows verfasstes Buch «Die Traumwandler. Wie China und die USA in einen neuen Weltkrieg schlittern» und sein weiterhin aktueller Bestseller «Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können».

Deshalb ist es nicht überraschend, dass die Republikaner, die die Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben, einer weiteren Unterstützung der Ukraine ablehnend gegenüberstehen, ja diese sogar blockieren. Die USA haben begrenzte Ressourcen und müssen abwägen. Israel ist ihnen wichtig, viel wichtiger als die Ukraine. Wichtiger als beide ist China. Niemand sollte überrascht sein, wenn Amerika Ressourcen zurückhält, um wirtschaftlich und auch militärisch gerüstet zu sein in einem Konflikt mit China.

Lange galt die USA im Volksmund als «Weltpolizei». Für Trump gilt aber «America First». Sind diese Pole überhaupt vereinbar?

Der Anspruch des Weltpolizisten besteht nach wie vor. Doch aufgrund der inneren Zerrissenheit der USA und der beiden Kriege in Israel und der Ukraine wäre dies schon eine Riesen-Herausforderung für ein «gesundes» Amerika. Aber die Vereinigten Staaten haben sich in den vergangenen Jahren selbst geschwächt: durch Kriege wie im Irak und in Afghanistan, durch unseriöses Finanzgebaren, durch die Polarisierung, ja mittlerweile Radikalisierung der beiden Parteien in der innenpolitischen Auseinandersetzung. Deswegen würde ich heute von einem dysfunktionalen Weltpolizisten sprechen.

Im Herbst finden die Wahlen statt. Was spricht für einen Sieg von Donald Trump?

Bidens Schwäche hilft Trump. Umfragen zeigen etwa, dass sieben von zehn US-Wählern der Meinung sind, dass er zu alt ist, um erneut zu kandidieren. Biden begeht einen wahlstrategischen Fehler, indem er seinen Wahlkampf weiterhin darauf fokussiert, die amerikanische Demokratie vor Trump retten zu wollen. Denn diese Strategie, mit der der Amtsinhaber von seinen schlechten Umfragewerten ablenken will, verfängt bei immer weniger seiner Landsleute.

Den meisten Amerikanerinnen und Amerikanern ist ihr eigenes Hemd näher als diese institutionelle Jacke. Sie sorgen sich um ihr wirtschaftliches Auskommen und befürchten, sozial abzusteigen, auch gegenüber illegalen Einwanderern, die ihnen die Jobs wegnehmen könnten. Die Fokussierung auf innenpolitische Spalt-Themen – die Trump im Wahlkampf weiter forcieren wird – bedeutet auch, dass sich die meisten US-Wählerinnen und Wähler weniger um die Probleme in der Welt kümmern.

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