US-Wahl«Trump strickt an einer grossen Verschwörung»
tsha/SDA
6.11.2020
Verschwörungstheorien, abgefeuert aus dem Weissen Haus: Ein Politikwissenschaftler erklärt Donald Trumps Strategie.
Die Demokraten als grosse Betrüger und Donald Trump als eigentlicher Sieger: So sehen das, kurz vor einem wahrscheinlichen Wahlsieg von Herausforderer Joe Biden, viele Amerikaner. Denn der Amtsinhaber selbst befeuert seit Tagen mit Lügen und Unwahrheiten die Gerüchteküche. «Trump strickt an einer grossen Verschwörung», sagt der Politologe Thomas Jäger im Interview mit SRF.
Der Professor für Internationale Politik an der Universität Köln sagt, es sei schwierig zu entscheiden, ob Trump wirklich glaube, was er sage, ob der US-Präsident «die Rolle jetzt inzwischen über die vier Jahre so verinnerlicht hat, dass er wirklich meint, er würde betrogen».
Trump würde sich als Politiker präsentieren, der als Einziger für das amerikanische Volk kämpfe – gegen Medien- und Tech-Konzerne, die versucht hätten, die Wahl zu verhindern, «etwa durch Umfragedaten, die sich alle als falsch erwiesen».
Man habe seinen Wählern einzubläuen versucht, so Trumps Logik, sie müssten gar nicht zur Wahl gehen, da sowieso klar sei, dass Biden ins Weisse Haus einziehe. Aus diesem Narrativ habe der Republikaner eine «grosse Verschwörung» gemacht, so Jäger. Ein Fünftel der US-Amerikaner glaube an diese Behauptungen. «Je härter die Auseinandersetzung wird, desto mehr Menschen kann diese Erzählung erreichen.»
Biden hingegen, der scheinbar entspannt auf das Ende der Auszählung wartet, habe sich so verhalten, wie man es von ihm kenne: Seine Zurückhaltung sei «etwas, was sich durch Bidens Wahlkampf durchzieht. Im Sinne: Wenn der Trend dein Freund ist, dann lass ihn einfach laufen.»
So habe es Biden schon zu Beginn der Pandemie gemacht, sagt Jäger weiter, als sich der Demokrat «gar nicht gezeigt hat, sondern gesagt hat: ‹Die Pandemie geht so schlecht und die Regierung gibt so ein schlechtes Bild ab. Da brauche ich mich überhaupt nicht zu äussern.›»
Trump-Team gibt sich weiterhin optimistisch
Das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump zeigte sich unterdessen am Freitag weiter optimistisch. Nachdem Herausforderer Joe Biden in vier noch offenen Bundesstaaten in Führung lag, erklärte der Leiter der Rechtsabteilung von Trumps Team, Matt Morgan: «Diese Wahl ist nicht vorbei.» Die Prognosen von Wahlsiegen Bidens in Pennsylvania, Georgia, Nevada und Arizona beruhten auf Ergebnissen, die noch lange nicht vollständig seien. «Sobald die Wahl abgeschlossen ist, wird Präsident Trump wiedergewählt sein», so Morgan.
In Pennsylvania habe es «viele Unregelmässigkeiten» gegeben, hiess es in einer schriftlichen Erklärung. So seien Freiwillige des Trump-Teams am Zugang zur Stimmenauszählung gehindert worden. Die Staatssekretärin von Pennsylvania, Kathy Boockvar, hatte am Donnerstag gesagt, Vertreter beider Kandidaten und Parteien seien für die Stimmenauszählung registriert worden und dabei anwesend.
In Georgia werde es eine Neuauszählung der Stimmen geben, kündigte Morgan an. «Wir sind zuversichtlich, dass wir Stimmzettel finden, die ordnungswidrig gesammelt wurden.»
In Nevada seien Tausende von Briefwahlstimmen ordnungswidrig abgegeben worden. Und in Arizona werde Trump die Mehrheit erzielen – «trotz der unverantwortlichen und irrtümlichen» Meldungen der Nachrichtenagentur AP und des TV-Senders Fox über eine Mehrheit für Biden in diesem Staat. Beide Medien waren bereits in der Wahlnacht aufgrund von eigenen Berechnungen erster Ergebnisse und der Analyse weiterer Daten zu dem Schluss gekommen, dass Biden in Arizona die Mehrheit auf sicher hat. Andere Medien sind noch vorsichtig.