Trump-Impeachment«Tag der Schande» endet mit einem Freispruch zweiter Klasse
Von Jürgen Bätz, dpa
14.2.2021 - 11:43
Nach dem Freispruch für Donald Trump im zweiten Impeachment-Verfahren überziehen sich Demokraten und Republikaner mit Vorwürfen. Nur US-Präsident Joe Biden bleibt ruhig. Trump selbst reagiert mit einer Kampfansage.
US-Präsident Joe Biden hat den Freispruch im Amtsenthebungsverfahren gegen seinen Vorgänger Donald Trump als «Ende eines traurigen Kapitels» amerikanischer Geschichte bewertet. «Auch wenn die letzte Abstimmung nicht zu einer Verurteilung geführt hat, ist das Wesentliche der Anschuldigung unbestritten», heisst es in einer am späten Samstagabend (Ortszeit) vom Weissen Haus verbreiteten Erklärung Bidens. 57 Senatoren hätten Ex-Präsident Trump für schuldig befunden, «die tödliche Revolte gegen unsere Demokratie angestachelt» zu haben.
In einem kurzen Rückblick auf die von Trump in Frage gestellte Präsidentschaftswahl sowie die darauf folgenden Ereignisse, die schliesslich am 6. Januar zur Erstürmung des Kapitols mit fünf Todesopfern geführt hatten, sprach Biden von «einem traurigen Kapitel unserer Geschichte». Dieses habe gezeigt, dass Demokratie zerbrechlich sei und stets verteidigt werden müsse.
Nunmehr müsse dieser Konflikt beendet und die Seele der Nation geheilt werden. «Dies ist die Aufgabe, die vor uns steht, die wir gemeinsam angehen müssen», mahnte Biden. «Als Vereinigte Staaten von Amerika», schloss Biden, wobei das Wort «Vereinigte» unterstrichen war.
Mit geballter Faust abgestimmt
Der US-Senat hatte Trump im Amtsenthebungsverfahren vom Vorwurf der «Anstiftung zum Aufruhr» freigesprochen. Eine Mehrheit von 57 Senatoren stimmte am Samstag zwar für eine Verurteilung des Republikaners, sie verfehlten damit aber die für eine Verurteilung im Senat nötige Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen. 50 Demokraten und sieben Republikaner stimmten für eine Verurteilung Trumps.
Einige Republikaner haben wohl nur mit geballter Faust abgestimmt. Ex-Präsident Trump könnte nun 2024 sogar erneut kandidieren. Die Demokraten sprechen von einer «Schande». Doch zunächst dürfte Trump wohl den Republikanern mehr Kopfzerbrechen bereiten.
Vor wenigen Wochen mussten US-Senatoren im Kapitol um ihr Leben bangen und vor einem wütenden Mob fliehen, den Donald Trump angestachelt hatte. Nun sollten sie am Tatort über den Mann richten, den viele für die Erstürmung des Kongressgebäudes verantwortlich machen.
Halbherziger Freispruch
Ex-Präsident Trump übersteht die Ereignisse vom 6. Januar juristisch ungestraft: Er könnte sich 2024 sogar erneut um das Weisse Haus bewerben. Doch das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen ihn endet mit einem knappen und halbherzigen Freispruch, politisch ist der Republikaner zunächst angeschlagen.
Die Erstürmung des Kapitols, des Tempels der amerikanischen Demokratie, wird in den USA inzwischen oft als der schlimmste Terrorangriff seit dem 11. September 2001 bezeichnet. Doch viele Republikaner wollten trotz gehöriger Wut nicht mit Trump brechen.
Der Ex-Präsident sei «praktisch und moralisch» für die Erstürmung des Kapitols verantwortlich, sagte der wohl prominenteste Republikaner in Washington, der Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell. Trump habe die Erstürmung «orchestriert» und seine Pflichten als Präsident «schändlich» verletzt, sagte er.
«Feige» Republikaner
McConnell und andere Republikaner stimmten dennoch gegen eine Verurteilung, weil sie das Verfahren nach dem Ende von dessen Amtszeit für verfassungswidrig hielten. Die Demokraten bezeichneten das als «feigen» Vorwand und kritisierten, die Republikaner kuschten nur vor Trump.
Bei dem Amtsenthebungsverfahren wegen der Ukraine-Affäre vor einem Jahr hatte nur ein einziger Republikaner gegen Trump gestimmt. Am Samstag (Ortszeit) schlossen sich sieben Republikaner den 50 Demokraten an. Damit stimmten so viele Senatoren für die Amtsenthebung eines Präsidenten wie noch nie in einem Impeachment-Verfahren in der US-Geschichte. Am Schluss fehlten nur zehn Stimmen, um Trump mit einer Zweidrittelmehrheit zu verurteilen.
Nun steht es dem 74-Jährigen Trump frei, sich bei der Wahl 2024 erneut um die Präsidentschaft zu bewerben. Ob er das tatsächlich tun wird, weiss er derzeit vermutlich nicht mal selbst mit Sicherheit. Klar ist aber, dass sein Einfluss auf die republikanische Partei in Sach- und Inhaltsfragen damit wieder deutlich gestiegen ist. Er hatte bei der Wahl mit seinen populistischen Positionen rund 74 Millionen Stimmen bekommen. Mit diesem Pfund wird er wuchern.
Trump macht gleich eine Kampfansage
In einer triumphierenden Stellungnahme liess Trump nur Minuten nach dem Freispruch keinen Zweifel daran, dass weiter mit ihm zu rechnen ist: «Unsere historische, patriotische und schöne Bewegung, Amerika wieder grossartig zu machen, hat jetzt erst angefangen», erklärte er.
Mehr werde er dazu in den kommenden Monaten mitteilen, kündigte er geheimnisvoll an. «Wir haben so viel Arbeit vor uns», sagte er. Jene Republikaner, die auf einen Neuanfang der Partei nach den turbulenten Trump-Jahren gehofft hatten, dürften erst mal enttäuscht werden.
Trump hat seine Wahlniederlage bislang immer noch nicht eingestanden – ein beispielloser Vorgang in der jüngeren US-Geschichte. Millionen Anhänger Trumps glauben – trotz aller gegenteiligen Beweise und Gerichtsurteile – immer noch, dass Trump um den Sieg betrogen wurde.
«Tag der Schande»
Die Spaltung des Landes in zwei Lager hat sich damit noch weiter vertieft. Es ist eine gefährliche Mischung. Ohne eine Verurteilung des Senats könnte Trump seine Anhänger jederzeit wieder zu Gewalt anstacheln, warnten die Ankläger des Repräsentantenhauses. «Ich fürchte, dass die Gewalt, die wir an jenem schrecklichen Tag sahen, nur der Anfang war», warnte der Demokrat Joe Neguse.
Wegen der im Senat nötigen Zweidrittelmehrheit war eine Verurteilung Trumps nie wahrscheinlich – ganz unabhängig von der Schuldfrage. Den Demokraten ging es bei dem Verfahren darum, Trump trotzdem zur Rechenschaft zu ziehen. Sie setzten darauf, dass das Impeachment selbst bei einem Scheitern im Senat für immer in den Kapiteln der Geschichtsbücher zu Trump stehen wird.
Ihre Präsentation der Vorwürfe gegen Trump mit dramatischen Videoaufnahmen und einer minutiösen Nacherzählung des Angriffs – die von fast allen Nachrichtensendern übertragen wurden – dürften vielen Amerikanern im Gedächtnis bleiben.
«Trump hat unser Haus gestürmt, und wir haben unser Haus vereidigt», sagte Chefankläger Jamie Raskin nach der verlorenen Abstimmung. Der Mehrheitsführer im Senat, der Demokrat Chuck Schumer zürnte: «Der 6. Januar wird ein Tag der Schande in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Das Versäumnis, Donald Trump zu verurteilen, wird als Schande in die Geschichte des Senats der Vereinigten Staaten eingehen». Er sagte weiter, die Anstiftung zum Angriff auf den Kongress sei die «verabscheuungswürdigste Tat, die ein Präsident jemals begangen hat».
Trump ist nicht mehr immun
Donald Trump kann die Sonne in seinem selbst gewählten Exil in Florida noch nicht völlig sorgenfrei geniessen. «Wir haben eine Strafjustiz in diesem Land, wir haben Zivilklagen – und frühere Präsidenten sind gegen keines von beiden immun», warnte ausgerechnet der stramme Republikaner McConnell.
Zudem hat Trump in anderen Belangen bereits Ärger mit der Justiz. In New York etwa prüft die Staatsanwaltschaft das Geschäftsgebaren des Immobilienunternehmers mit Verdacht auf Betrug, im Bundesstaat Georgia prüft die Anklage Trumps versuchte Manipulation der Wahl. «Ich glaube er wird in Zukunft noch viele Probleme haben», sagte der Republikaner John Bolton, Trumps früherer Nationaler Sicherheitsberater, im Gespräch mit dem Sender CNN.
Biden profitiert vom Ende des Impeachment-Verfahrens
Für den neuen Präsidenten Joe Biden ist der Abschluss des Verfahrens im Senat jedenfalls eine gute Nachricht. Der Demokrat braucht den Senat, um seine Kandidaten für Ministerposten und Behördenleiter bestätigen zu lassen. Zudem wirbt er wegen der Corona-Krise mit Nachdruck für die Verabschiedung eines weiteren Konjunkturpakets und weitere Gesetzesvorhaben. Dafür muss der Senat arbeitsfähig sein.
Viele Republikaner wiederum wollten die schändlichen Ereignisse vom Januar möglichst schnell abhaken, deswegen war beiden Parteien an einem schnellen Ende gelegen. Der Senat verhandelte nur fünf Tage.
Andere Republikaner, die weiter felsenfest zu Trump stehen, wollten ein schnelles Ende des Verfahrens, weil sie darin nur eine Fortsetzung der politischen «Hexenjagd» gegen Trump sahen. Das Verfahren «hat einmal mehr nur das Verlangen der Demokraten befriedigt, ihren Hass für Donald Trump und ihre Verachtung für die Dutzenden Millionen Amerikaner zu äussern, die für ihn gestimmt haben», erklärte etwa Senator Ted Cruz.
Wie kontrovers Trumps Präsidentschaft war, lässt sich an der Liste der Amtsenthebungsverfahren ablesen: Erst vier Impeachment-Verfahren wurden seit dem Jahr 1868 vom Repräsentantenhaus gegen Präsidenten eröffnet, zwei davon gegen Trump. Schon alleine dafür wird der 45. Präsident der USA in die Geschichtsbücher eingehen.
Gewalt in Washington: Trumps Mob stürmt das Kapitol
In Washington spielen sich am 6. Januar 2021 beispiellose Szenen ab. Nach einer Wutrede von Donald Trump, in der der Präsident seine Lüge von einem Wahlbetrug wiederholte, ziehen Hunderte seiner Anhänger vor das Kapitol.
Bild: Anadolu Agency/Getty Images
Und sie belassen es nicht beim Protest: Hier dringt der Mob durch eine Tür gewaltsam ins Innere des Kapitolgebäudes ein. (6. Januar 2021)
Bild: AFP/Getty Images
Auch Absperrungen und Sicherheitskräfte können die Meute nicht aufhalten. (6. Januar 2021)
Bild: AP Photo/John Minchillo
Beim Sturm aufs Kapitol kommt es zu tumultartigen Szenen. Ein Mitglied des Kongresses wird hier in Sicherheit gebracht. (6. Januar 2021)
Bild: Getty Images
Politiker und Angestellte des Parlaments suchen Schutz vor den aufgebrachten Angreifern. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/AP Photo/Andrew Harnik
Abgeordnete werden von Sicherheitskräften auf der Tribüne des Repräsentantenhauses in Sicherheit gebracht. Einige tragen Gasmasken, da auch Reizgas eingesetzt wird. (6. Januar 2021)
Bild: Andrew Harnik/AP/dpa
Ein Polizist des United States Capitol Police Department versucht einen durch ein eingeworfenes Fenster eindringenden Mann mit Pfefferspray zurückzudrängen. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Kevin Dietsch/Pool
Mitglieder der Capitol Police bewachen mit gezogener Waffe einen verbarrikadierten Eingang. (6. Januar 2021)
Bild: Andrew Harnik/AP
Die Anhänger des abgewählten Präsidenten posieren nach ihrem gewaltsamen Eindringen neben der Tür zu den Senatskammern. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Das Bild geht um die Welt: Ein Randalierer macht sich im Büro von Nancy Pelosi, der demokratischen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, breit. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Dieser Mann führt die in den USA schon lange umstrittene Südstaatenflagge mit sich. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Die Flagge gilt bis heute als Symbol für Sklaverei und Rassismus. (6. Januar 2021)
Bild: Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo
Ein Jahr später ist die Aufarbeitung der Vorgänge noch immer im Gange. Im Repräsentantenhaus, der grossen Parlamentskammer, ermittelt eine Untersuchungskommission. (14. Dezember 2021)
Bild: Keystone
Im Zentrum steht die Frage: Wie eng waren der damalige US-Präsident Donald Trump und sein Umfeld in die Planung und Durchführung des Sturms involviert?
Bild: Evan Vucci/AP/dpa
Trumps Stabschef Mark Meadows (rechts) kam wohl eine Schlüsselrolle zu: So schrieb ihm unter anderem der Präsidentensohn Donald Trump Jr., sein Vater müsse der Gewalt Einhalt gebieten. (2. Oktober 2021)
Bild: EPA/Oliver Contreras / POOL
Derweil wird vielen der Eindringlinge der Prozess gemacht. Der dank seines Schamanen-Looks bekannt gewordene Jacob Chansley beispielsweise wurde zu 41 Monaten Haft verurteilt. (6. Januar 2021)
Bild: AP Photo/Manuel Balce Ceneta
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Und sie belassen es nicht beim Protest: Hier dringt der Mob durch eine Tür gewaltsam ins Innere des Kapitolgebäudes ein. (6. Januar 2021)
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Bild: Keystone/AP Photo/Andrew Harnik
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Bild: Andrew Harnik/AP/dpa
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Dieser Mann führt die in den USA schon lange umstrittene Südstaatenflagge mit sich. (6. Januar 2021)
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Bild: Evan Vucci/AP/dpa
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