Late Night USA Syrien-Chaos: «Das US-Militär bombardiert sich jetzt selbst»

Von Philipp Dahm

18.10.2019

Donald Trump feiert die Waffenruhe in Syrien als grossen Erfolg und lädt die G7 zum Treffen in sein Hotel in Miami. Das stinkt zum Himmel, finden (nicht nur) die Late-Night-Hosts.

Jimmy Kimmel Live

«Jimmy Kimmel Live» eröffnet seine Show mit der Nachricht, dass Energieminister Rick Perry seinen Rücktritt eingereicht habe. «Der Präsident hat Rick Perry angeblich die Schuld dafür gegeben, dass er an dem inzwischen berüchtigten Ukraine-Telefonat teilgenommen hat.»

Der Gastgeber fährt fort: «Nicht vergessen: Während dieser ganzen Geschichte haben der Präsident und seine Bewunderer darauf bestanden, dass es kein quid pro quo im Zusammenhang mit Hunter Biden oder der Firma, für die er arbeitete, gab – aber heute ist sein Stabschef Mick Mulvaney vor die Presse getreten und hat frank und frei zugegeben, dass es doch [so etwas] gab.»

Die entsprechenden Bilder sind ab Minute 0:53 zu sehen. Mulvaney endet mit dem Satz: «So etwas tun wir die ganze Zeit.» Dass diese Worte ein Fehler waren, zeigt sich schon dadurch, dass Trumps Anwalt Jay Sekulow anschliessend betonte: «Das juristische Team hatte nichts mit der Pressekonferenz des Stabschefs zu tun.» Obwohl es um Trumps Anwälte geht, äussert sich für einmal Rudy Giuliani nicht.

Jimmy Kimmel: Wenn sich die Anwälte im Weissen Haus distanzieren, brennt der Baum.
Jimmy Kimmel: Wenn sich die Anwälte im Weissen Haus distanzieren, brennt der Baum.
Screenshot: YouTube

Vielleicht weil der selbst jede Menge Ärger hat, nachdem jüngst ein vierter Mitarbeiter von ihm verhaftet worden ist. Giuliani selbst steht sozusagen unter Beschuss, weil er in der Ukraine nach einem Server der Demokraten gefahndet hat. «Rudy war einer von vielen, die wegen der Korruption [bei] dieser Wahl [2016] entsetzt waren», verteidigte Trump ab Minute 2:27 seinen Verteidiger.

«Pure Korruption! Ich frage beispielsweise das FBI noch immer, wo der Server ist. Wie kann es sein, dass das FBI noch immer nicht diesen Server gefunden hat? Ich will diesen Server sehen. Ich würde gern diesen Server sehen. Ich glaube, es wäre sehr wichtig für dieses Land, den Server zu sehen.»

Kimmel kommentiert: «Als hätte er eine Ahnung davon, was ein Server ist…» – und steckt Trump mit Spezialeffekt in ein «Hooters»-Restaurant, in dem die Bedienung stets leicht bekleidet ist und wo der Satz «I wanna see the server» eine ganz neue Bedeutung bekommt.

Donald will die Serviertochter sehen.
Donald will die Serviertochter sehen.
Screenshot: YouTube

Ab Minute 3:24 zeigt Kimmel, wie Donald Trump Jr. bei «Fox»-Moderator Sean Hannity Hunter Bidens jüngstes Interview verteufelt, in dem Joe Bidens Sohn eingeräumt hat, er hätte den Aufsichtsratsposten in der Ukraine wohl nicht ohne seinen Namen bekommen.

«Stell dir vor, du versteckst dich über Monate, kommst raus und gibst dann so ein Interview? Schon das ist Schuld», ereifert sich Trumps Sohn. Hannity packt noch einen drauf: «Er hat die Millionen nur wegen seines Vaters bekommen.»

Donald Trump Jr. (rechts) greift bei «Fox» Joe Biden (links) und seinen Sohn Hunter an.
Donald Trump Jr. (rechts) greift bei «Fox» Joe Biden (links) und seinen Sohn Hunter an.
Screenshot: YouTube

Und das Ganze ruft er Donald Trump Jr. zu, fasst sich Kimmel an den Kopf. «Mal sehen, ob das in Sachen Heuchelei noch getoppt werden kann.» Trump Jr. beschwert sich darüber, Hunter Biden habe gesagt, sein Vater wüsste nichts über seine Geschichte – und dann wurden die beiden gemeinsam beim Golfen fotografiert.

«Und wie wir alle wissen, heisst es, dass man [schuldig ist], wenn es ein gemeinsames Foto gibt», kontert Kimmel – und zeigt Don Jr. im Restaurant mit jenen Giuliani-Schergen, die gerade verhaftet worden sind.

Donald Trump Jr. mit mittlerweile verhafteten Giuliani-Mitarbeitern: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeissen.
Donald Trump Jr. mit mittlerweile verhafteten Giuliani-Mitarbeitern: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeissen.
Screenshot: YouTube

Apropos illegal: Das Weisse Haus habe gerade verkündet, das nächste G-7-Treffen fände in einem Trump-Golfhotel in Miami statt. «Es ist ihm inzwischen egal», sagt Kimmel über Trump, der so natürlich die Regel verletzt, nach der sich der Präsident durch sein Amt nicht bereichern dürfe.

Aussenminister Mike Pompeo und Vize-Präsident Mike Pence haben in der Türkei unterdessen eine Waffenruhe erreicht. «Auch wenn die türkische Regierung es bloss eine Pause genannt hat, hat Trump einen Siegestanz aufgeführt und gesagt, das Ergebnis wäre ohne ihn nicht möglich gewesen. Und er hat recht, denn bevor er die Truppen abgezogen hat, gab es keine [Kämpfe zum Pausieren]. Der Rückzug ging sogar so hastig vonstatten, dass wir einen unserer eigenen Stützpunkte bombardieren mussten, um zurückgelassene Munition zu zerstören. Dank unseres genialen Oberbefehlshabers bombardiert sich das US-Militär selbst.»

Wer dann noch mal richtig über eine diplomatische Zusammenkunft lachen möchte, dem seien die Ausschnitte ab Minute 6:39 ans Herz gelegt, in denen sich Mike Pence und Recep Tayyib Erdogan, sagen wir mal, laut anschweigen.

«Wer auch immer diese Wachsfiguren gemacht hat, überragender Job! Es ist wie das schlimmste Tinder-Date überhaupt. Noch mal zusammengefasst: Mike Pence ist in die Türkei geflogen, um eine Einigung zu erzielen, die Türkei hat alles bekommen, was sie will – Auftrag ausgeführt.»

The Daily Show with Trevor Noah

Trevor Noah macht mit der Meldung auf, dass Trump das G-7-Treffen in seinem Hotel stattfinden lasse. «Es scheint wirklich so, als gäbe es nichts, was Trump nicht tun würde, um Profit aus seiner Präsidentschaft zu schlagen. Ich wette, er würde bei seinem eigenen Impeachment-Prozess vor der Tür Tickets verkaufen.»

Karten! Kaaaarten für mein Impeachment!
Karten! Kaaaarten für mein Impeachment!
Screenshot: YouTube

Und weiter: «Als ausländischer Staatsführer würde ich auch nicht in seinem Hotel bleiben wollen, ich würde ihm nicht trauen. Vielleicht schleicht er sich nachts ein, um nach schmutzigen Informationen über Joe Biden zu suchen.»

Dann sagt Noah etwas, was man sich vergegenwärtigen sollte: «An einem normalen Tag bei einer normalen Präsidentschaft würden wir die ganze Zeit darüber reden, wie dubios es ist, dass Donald Trump die Führer der Welt zwingt, dass G-7-Treffen in seinem Golfklub abzuhalten, mit dem er Geld macht. Insbesondere wenn man bedenkt, dass er ja immer so betont, dass er keinen Gewinn durch [sein Amt] einstreicht.» Aber normal sei in diesen Tagen ja nun einmal nichts.

Explosives Treffen im Weissen Haus: Donld Trump und Nancy Pelosi.
Explosives Treffen im Weissen Haus: Donld Trump und Nancy Pelosi.
Screenshot: YouTRube

So haben sich rund 100 Republikaner in einer Resolution den Demokraten angeschlossen, weil sie Trumps Syrien-Zug ebenfalls verurteilen. Nancy Pelosi sagte nach einem Treffen im Weissen Haus, sie bete «die ganze Zeit» für den Präsidenten, weil der nach der Kritik einen «heftigen Ausraster» gehabt habe. Und wie reagiert der 74-Jährige darauf? «Ich mag, wie Trump ohne Scham die Beleidigungen stiehlt, mit denen er beleidigt wurde», lacht Noah über Trumps Tweet.

Dann kommt der Gastgeber auf das Syrien-Debakel und die Waffenruhe zu sprechen – ab Minute 4:04 bekundet Trump: «Die Kurden sind sehr glücklich, die Türkei ist sehr glücklich, die Vereinigten Staaten [sind] sehr glücklich, und wisst Ihr was: Die Zivilisation ist sehr glücklich. Es ist ein grossartiges Ding für die Zivilisation.»

Kommentar Noah: «Ja, die Zivilisation ist sehr glücklich. Jahrhunderte später werden Historiker auf die grössten Errungenschaften aller Zeiten zurückblicken: die Erfindung der Demokratie, die Erfindung der Elektrizität, und das eine Mal, als Trump eine wirklich kurze Waffenruhe in einem Krieg erreicht hat, den er selbst ausgelöst hat. Oh ja, was für eine Errungenschaft!»

Dabei seien die Kurden ja eigentlich übers Ohr gehauen worden: «Sie haben fünf Tage, das Land zu räumen, und das kriegt dann die Türkei. Das ist der Deal. Hört sich wie der Deal mit meinem Bully in der High School an: Er kriegt mein Zmittag und ich ein blaues Auge.»

Zieht sich da etwa einer aus der Affäre? Gordon Sondland, früherer US-Botschafter in der EU.
Zieht sich da etwa einer aus der Affäre? Gordon Sondland, früherer US-Botschafter in der EU.
Screenshiot: YouTube

Doch auch für dieses Thema habe er keine Zeit, um es ausführlich zu behandeln: Ab Minute 5:13 widmet sich die Show Gordon Sondlands Aussage, dass ihm und anderen Beamten vom Weissen Haus gesagt worden sei, er solle sich in Sachen Ukraine direkt an Trumps persönlichen Anwalt Rudy Giuliani wenden. «Jetzt sagt er, er habe Druck auf die Ukraine ausgeübt, aber er habe nicht gewusst, dass es wegen Joe Biden ist. Er versucht sich davon zu distanzieren, was Trump getan hat.»

Zum Schluss ist dann noch Mick Mulvaneys Geständnis dran, mit dem sich der Stabschef wohl arbeitslos gemacht hat. Was Kimmel nicht gezeigt hat, ist Mulvaneys Ansage an die Journalisten: «Ich habe Neuigkeiten für Euch: Kommt damit klar. Es gibt politische Einflüsse in der Aussenpolitik.» Das ist das, was von «kein quid pro quo» übrig geblieben ist.

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Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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