Late Night USA «Ups – wie dumm ist dieser Typ? Er ist so dumm!!!»

Von Philipp Dahm

9.10.2019

Einst ein unschuldiges Baby, heute «ein Monster» (sagt Jimmy Kimmel): Matt Damon.
Einst ein unschuldiges Baby, heute «ein Monster» (sagt Jimmy Kimmel): Matt Damon.
Screenshot: YouTube

Ein Botschafter darf nicht vor dem US-Kongress aussagen, aber seine SMS-Nachrichten sprechen ohnehin für sich. So wie der achtseitige Zickenbrief, mit dem Ober-Bock Donald Trump die Demokraten anmeckert.

«Er ist ein besonderer Tag, dieser 8. Oktober», beginnt Jimmy Kimmel seine Show und erinnert an das grosse Feuer von Chicago 1871, den Einmarsch deutscher Truppen in Rumänien 1940 und das bis dato schwerste Zugunglück in Grossbritannien im Jahr 1952.

«Und am 8. Oktober 1970 wurde dieses Baby geboren, das zu dem Monster mutierte, das man heute unter dem Namen Matt Damon kennt. Aus welchem Grund auch immer: Matt hat einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Können wir den mal sehen?»

Die Kamera zeigt das berühmte Trottoir in der Filmhauptstadt, und Kimmel sagt: «Weil ich mehr Grösse an den Tag lege, dachte ich, wir könnten unsere Differenzen beilegen …» Da wird der Moderator von einem Hund unterbrochen, der vor laufender Kamera auf Damons Stern uriniert. «Oh mein Gott! Ach nein … so was will man nun wirklich nicht sehen an so einem besonderen Tag.»

TV-Fehde: Kimmel ist am Zug – Matt Damons Stern schifft ab.
TV-Fehde: Kimmel ist am Zug – Matt Damons Stern schifft ab.
Screenshot: YouTube

Wer sich nun fragt «Was zur Hölle soll denn das?», der hat den wohl amüsantesten Hahnenkampf des US-Fernsehens verpasst. Jimmy Kimmel und Schauspieler Matt Damon beharken sich fast schon traditionell in schöner Regelmässigkeit, was unter anderem darin gipfelte, dass Damon 2009 ein Lied mit Kimmels Ex Sarah Silverman aufnahm.

Das muss Liebe sein: Kimmel und Silverman waren von 2002 bis 2008 zusammen.
Das muss Liebe sein: Kimmel und Silverman waren von 2002 bis 2008 zusammen.
Screenshot: YouTube

Der Titel, den sie singen: «I’m Fucking Matt Damon». Und natürlich gab es auch einen lustigen Konter-Song von Kimmel – Cameron Diaz, Harrison Ford, Robbie Williams und Ben Affleck inklusive. So, nun wissen Sie also Bescheid, aber wie kommen wir jetzt von diesem traditionsreichen TV-Spass zur bitteren Polit-Realität von heute?

Jimmy Kimmel Live

Mister Kimmel, bitte: «Naja, Matt Damons Geburtstag ist eine gute Erinnerung daran, dass schlimme Dinge in diesem Land passieren, die überhaupt nichts mit dem Präsidenten zu tun haben.» Womit wir beim Thema wären: Eigentlich sollte gestern Gordon Sondland vor drei verschiedenen Kongress-Ausschüssen zu mehreren SMS-Nachrichten im Zusammenhang mit der Ukraine-Affäre aussagen.

«Das Weisse Haus hat ihn jedoch ausgebremst: Sondland ist den ganzen Weg von Belgien hergeflogen, nur um mitten in der Nacht zu erfahren, dass er nicht aussagen darf.» Kimmel liest dazu den entsprechenden Tweet Trumps vor:

«Ob Sie es glauben oder nicht: Damit ist nicht alles gesagt», sagt der 51-Jährige. Und es geht auch nicht um einen Tweet von Sondland, sondern um eine SMS-Unterhaltung, die der EU-Botschafter mit dem US-Botschafter in der Ukraine geführt hat, wobei der Donald Trump den wesentlichen Teil einfach unterschlagen hat. Kimmel erinnert daran, dass das Weisse Haus Militärhilfen in Höhe von 400 Millionen Dollar eingefroren hat, um Druck auf Kiew auszuüben, damit dort Ermittlungen gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter Biden eingeleitet werden.

Sondland bekam daraufhin am 1. September eine SMS, in der er gefragt wurde, ob Unterstützung bei der Verteidigung und dem Treffen mit der Trump-Administration nun an Bedingungen geknüpft seien. Sondland, der als Hotel-Magnat 2016 eine Million Dollar für Trumps Amtseinführung gespendet hatte und im März 2018 auf den Botschafterposten in der EU berufen wurde, antwortete bloss: «Ruf mich an.»

Donald Trump mit Gordon Sondland. Stephen Colbert glaubt, Sondland denkt in diesem Moment: «Was? Für den soll ich in den Knast gehen???»
Donald Trump mit Gordon Sondland. Stephen Colbert glaubt, Sondland denkt in diesem Moment: «Was? Für den soll ich in den Knast gehen???»
Screenshot: YouTube

Kimmel: «Das hört sich ja überhaupt nicht schmierig an. Und eine Woche später [kam die SMS]: ‹Wie ich schon am Telefon sagte, finde ich es crazy, Militärhilfen wegen Hilfe bei einer politischen Kampagne zurückzuhalten.› Genau deswegen sollte Trump des Amtes enthoben werden. Sondland antwortet bis zum nächsten Morgen nicht auf diese SMS, bis er plötzlich seinen Ton deutlich ändert.»

Denn plötzlich schreibt Sondland (zu sehen ab Minute 3:12), dass es Trump nur um Transparenz und Korruptionsbekämpfung gehe, dass man das SMSen lieber sein lasse und der US-Botschafter in der Ukraine sich mit seinen Sorgen an andere wenden solle. «Wie ein schuldiger Ehemann, der herausgefunden hat, dass seine Frau seine Nachrichten liest. Fünf Stunden kommt nichts und dann: ‹Hey, ich würde niemals Sex mit dir haben, ich bin ein verheirateter Mann! Wie kannst du es wagen, mit mir kopulieren zu wollen???›»

Huch! Die zweite SMS klingt so völlig anders als die davor ...
Huch! Die zweite SMS klingt so völlig anders als die davor ...
Screenshot: YouTube

Natürlich habe Sondland in jenen fünf Stunden mit Donald Trump telefoniert, so Kimmel. Und dann habe er die zweite SMS geschrieben, «um den dicken, organgenen Arsch des Präsidenten zu retten. Das sagt alles.

Und am Nachmittag hat das Weisse Haus den Demokraten einen achtseitigen Brief geschrieben, in dem steht, dass man nicht bei den Befragungen nicht kooperieren werde. Ausserdem halten Sie SMS von Sondland zurück, denn das tun unschuldige Präsidenten nun mal so.»

Dabei brauche man den Mann gar nicht, weil Trump ja sein Gesprächsprotokoll höchstselbst veröffentlich habe, in dem alle Beweise bereits stünden. Und wie «Time» mit Blick auf die Aussage des Whistleblowers berichtet, hätten auch die Anwälte des Weissen Hauses nach dem Telefonat befunden, dass Trump «klar ein Verbrechen begangen hat». «Ups», macht Kimmel und lacht: «Wie dumm ist dieser Typ? Er ist so dumm!!!»

Sogar Trumps Anwälte meinen laut «Time», der Präsident habe sich strafbar gemacht.
Sogar Trumps Anwälte meinen laut «Time», der Präsident habe sich strafbar gemacht.
Screenshot: YouTube

Ab Minute 5:57 zeigt uns «Jimmy Kimmel Live» dann noch, wie die Parteikameraden ihren obersten Feldherr vor der Medienphalanx verteidigen wollen. Natürlich reden auch sie vom «Känguru-Gericht», obwohl es um einen Ausschuss geht. Einer von Trumps Soldaten nennt das Ganze eine «Clown-Show». «Da will ich nicht gegenanstänkern», grölt Kimmel, «es ist eine Clown-Show, und Präsident Es leitet sie.»

Clown-Show mit Präsident Es - eine Anleihe an den bösen Spassmacher aus Stphen Kings «It».
Clown-Show mit Präsident Es - eine Anleihe an den bösen Spassmacher aus Stphen Kings «It».
Bild: PR

Dazu passe, dass Trump angeblich bei allen Angestellten im Weissen Haus einen Lügendetektortest vornehmen lassen will. «Ich habe [zwei] Worte für euch: ‹Du zuerst!›» Und das bei Trump, lästert der New Yorker: «Das ist, als würde jemand in die Hosen machen und dann herumlaufen und sagen: ‹Irgendjemand stinkt hier!›»

Kimmels Monolog im Video.

Late Night with Stephen Colbert

Ein Punkt kommt bei Kimmel allerdings zu kurz: Der Brief vom Weissen Haus, laut dem Trump nicht mit dem Kongress kooperieren werde. «Natürlich würde Trump eigentlich gerne bei der Untersuchung seines Telefonats mit der Ukraine helfen, aber er hat tragischerweise ein Telefon-Überbein», lästert Stephen Colbert in seiner «Late Night»-Show – eine Anspielung auf Trumps Fussproblem, dass ihn einst vor einem Einsatz im Vietnamkrieg bewahrt hat.

Hat jemand dreckige Infos für mich??? Colbert spielt den Buckligen.
Hat jemand dreckige Infos für mich??? Colbert spielt den Buckligen.
Screenshot: YouTube

Dass der Präsident beim Impeachment nicht mitspiele, habe das Weisse Haus in einem «offiziell zickigen, acht Seiten langen Brief» angekündigt, fährt der New Yorker fort. «Moment, man kann doch nicht einfach nicht teilnehmen am eigenen Impeachment!??» In dem Brief stünden absolute Idioten-Argumente wie «Sie haben dem Präsidenten das Recht verweigert, den Zeugen auf Herz und Nieren zu überprüfen».

Colbert verzweifelt: «Der Zeuge ist die Mitschrift des Telefonats, die du veröffentlicht hast!» Auch das Argument, dass der Präsident keine Zeit für so etwas habe, lässt der Moderator nicht gelten. Trump müsse ein Land führen? «Ja, es ist die Ukraine, und er führt sie direkt in Putins Arme.» Dann widmet sich der Gastgeber Sondlands SMS-Verkehr.

Ein Auszug aus dem Zickenbrief des Weissen Hauses.
Ein Auszug aus dem Zickenbrief des Weissen Hauses.
Screenshot: YouTube

Der Botschafter soll per Voicemail um 0:30 Uhr unterrichtet worden sein, dass er nicht aussagen darf. Ab Minute 3:34 veranschaulicht Colbert, wie die Voice-Message geklungen haben muss. Interessant ist, dass das Zurückhalten von Sondlands SMS wiederum selbst als Akt der Justizbehinderung gesehen werden kann.

Dass das Vertrauen in die Institutionen der USA nachhaltig erschüttert worden ist, beweist die Tatsache, dass die Demokraten erwägen, den Whistleblower maskiert aussagen zu lassen. Sogar seine Stimme könnte verfremdet werden – «möglicherweise durch Technologie». Dass es auch ohne geht, zeigt Colbert ab Minute 7:15.

Stephen Colbert schlachtet die neusten Irrungen in Washington aus.

Video: YouTube

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50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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