Syrien-Krieg Warum ein Russe freudig eine US-Strassensperre bedienen kann

Von Philipp Dahm

16.10.2019

Ein russischer Blogger hantiert mit einer Strassensperre, die US-Soldaten in Manbij zurückgelassen haben.
Ein russischer Blogger hantiert mit einer Strassensperre, die US-Soldaten in Manbij zurückgelassen haben.
Screenshot: YouTube

Donald Trump hat Recep Tayyip Erdogan grünes Licht für dessen Invasion in Syrien gegeben. Doch als die US-Soldaten aus Manbij abziehen, überlassen sie das Feld lieber den Russen als den Türken.

Rein theoretisch ist Recep Tayyip Erdogan in einer glänzenden Position. Zwar haben sich die Kurden, die das Ziel seiner Invasion in Nordsyrien sind, mit der Freien Syrischen Armee von Präsident Bashar al-Assad zusammengetan, doch fürchten muss sich der türkische Staatspräsident deswegen nicht.

Denn wenn eine Gegenoffensive erfolgreich wäre, die Türken also über die Grenze zurückgedrängt würden, müsste das als Angriff auf ein NATO-Mitglied interpretiert werden, was den Bündnisfall nach sich zöge.

Damit ergäbe sich dann die absurde Situation, dass Länder wie Deutschland, Frankreich oder die Niederlande zwar einerseits beschlossen haben, Ankara wegen des aktuellen Konflikts keine Waffen mehr zu liefern, andererseits aber nun eigene Truppen mobilisieren müssten, um dem Bündnispartner zu helfen.

Doch so weit werde es nicht kommen, versichert Moskau: Denn Russland würde mit der Damaszener Regierung seinen Bündnispartner und damit auch den Stützpunkt am Mittelmeer verlieren – deshalb spielen die Russen den Streitschlichter.

«Russische Truppen patrouillieren zwischen türkischen und syrischen Kräften an der Grenze», titelt der britische «Guardian» aktuell und analysiert: «Es ist ein klares Zeichen dafür, dass Moskau nach der Evakuierung der US-Truppen der de-facto-Machthaber der Region geworden ist.»

Lieber Russland als Türkei

Doch obwohl erst Donald Trumps Telefonat mit Erdogan die türkische Offensive in Nordsyrien möglich gemacht hat, scheinen seine Soldaten die Russen den Türken vorzuziehen. Das zeigt sich im Fall der strategisch wichtigen Stadt Manbij – dort haben die Amerikaner während dreier Jahre einen Stützpunkt unterhalten.

Gemäss einer «Newsweek»-Quelle hätten die GIs «russischen Kräften assistiert, damit sie schnell durch zuvor unsichere Gegend navigieren» könnten: «Im Prinzip ist es eine Übergabe.»

Wie wenig das US-Militär den Türken traut, wird beim Thema Atombomben deutlich: Laut «New York Times» erwägen die Amerikaner, 50 entsprechende Bomben aus der Türkei abzuziehen. Es wäre ein Rückzug mit drastischen Folgen: «Sie aus Incirlik auszufliegen, wäre de facto das Ende der türkisch-amerikanischen Allianz.»

Dass wiederum das US-Bündnis mit den Kurden gescheitert ist, bereitet Trump keine schlaflosen Nächte. Im Gegenteil: Nachdem er ihnen – ganz Zyniker – bereits vorgeworfen hat, die USA im Zweiten Weltkrieg nicht unterstützt zu haben, unterstellte er ihnen nun, sie hätten IS-Kämpfer bewusst freigelassen – doch allein 11'000 Kurden haben im Kampf gegen den IS ihr Leben gelassen.

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