Möglicher Husarenstreich So könnte die Ukraine Russlands Flaggschiff versenkt haben

Von Philipp Dahm

14.4.2022

Russisches Kriegsschiff «Moskwa» offenbar schwer beschädigt

Russisches Kriegsschiff «Moskwa» offenbar schwer beschädigt

Das russische Kriegsschiff «Moskwa» ist bei einem Einsatz im Schwarzen Meer vor Odessa offenbar schwer beschädigt worden. Während Russland von einer Munitionsexplosion an Bord spricht, will die Ukraine den Kreuzer mit Raketen attackiert haben.

14.04.2022

Moskau sagt, es sei nur Munition gewesen, die sich entzündet habe. Die ukrainische Seite hingegen will das Schiff mit Raketen getroffen haben: Die angebliche Versenkung des Raketenkreuzers Moskwa gibt Rätsel auf.

Von Philipp Dahm

Ausgerechnet die Moskwa: Dass auf dem Flaggschiff der Schwarzmeer-Flotte am Mittwoch Feuer ausgebrochen ist, muss als schwerer Schlag für den Kreml gewertet werden. Der Kreuzer ist die Speerspitze der russischen Marine in der Region – und für Angriffe auf Hafenstädte wie Mariupol oder Odessa eigentlich unverzichtbar.

Das Pfund der Moskwa sind ihre Flugkörper: 16 Raketenwerfer vom Typ P-1000 Vulkan, deren Geschosse rund 700 Kilometer Reichweite haben. Für Schlagzeilen sorgte das Schiff bereits am ersten Tag des Kriegs, als es am 24. Februar ukrainische Soldaten auf der Schlangeninsel im Schwarzen Meer zur Aufgabe bewegen wollte, aber nur ein «Russisches Kriegsschiff, fick dich» zur Antwort bekam und das Eiland anschliessend eroberte.

Flaggschiff ausser Gefecht – die Moskwa am 2. August 2012.
Flaggschiff ausser Gefecht – die Moskwa am 2. August 2012.
Commons/Mil.ru

Seit 2015 ist die Moskwa das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte – nun steht der Raketenkreuzer in Flammen, wie das Verteidigungsministerium bestätigt hat. «Infolge eines Feuers detonierte Munition», hiess es aus Moskau. «Das Schiff wurde schwer beschädigt. Die Besatzung wurde vollständig evakuiert.»

Der Verlust, der ein schwerer Schlag für die russischen Offensiven im Süden und Südosten ist, wird von ukrainischer Seite gänzlich anders begründet: Zwei Raketen haben den russischen Kreuzer getroffen, wie der Gouverneur der Region Odessa auf Telegram schreibt. Laut Maxim Marchenko haben Flugkörper, die «das Schwarze Meer bewachen, dem russischen Schiff ernsthaften Schaden zugefügt».

Rakete aus Eigenproduktion

Marchenko behauptet, zwei Anti-Schiffsraketen vom Typ Neptune hätten die Moskwa kampfunfähig gemacht. Es handelt sich dabei um ein in der Ukraine produziertes Modell, das auf der russischen Kh-35 alias AS-20 Kajak beruht. Sie hat eine Reichweite von 280 Kilometer und ist für Schiffe bis zu 5000 Tonnen geeignet.

Ein Satellitenfoto von Maxar Technologies zeigt die Moskwa am 7. April im Hafen von Sewastopol, den sie am 10. April verlassen hat.
Ein Satellitenfoto von Maxar Technologies zeigt die Moskwa am 7. April im Hafen von Sewastopol, den sie am 10. April verlassen hat.
AP

Die Moskwa hat im Einsatz eine Verdrängung von 11'500 Tonnen, soll allerdings auch von zwei Raketen getroffen worden sein. Auf der anderen Seite verfügt der Kreuzer über eine gute Verteidigung gegen solche Angriffe: 2 Radare, 2 schwere Flugabwehr-Kanonen, 6 Close-in Weapon Systems vom Kaliber 30 Millimeter, 20 Kurzstrecken und 64 Langstrecken-Abfangraketen schützen das Schiff.

Welche Seite nun die Wahrheit sagt, wird sich herausstellen: Noch ist das Wetter über dem Schwarzen Meer schlecht und dichter Rauch hüllt die Moskwa ein, doch wenn sich das ändert, werden Spezialisten per Satellit den Schaden eruieren können. Fest steht nur, dass etwaiger Ersatz fern ist: Wegen der Sanktionen haben russische Werften die Arbeit inzwischen einstellen müssen.

Update: Moskwa angeblich gesunken

Update: Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch hat bekanntgemacht, dass die Moskwa zerstört worden ist «Wo ist die Moskwa? Sie ist gesunken», schrieb Arestowytsch auf Twitter und bei Telegram. Bestätigungen für diese Behauptung lagen jedoch zunächst nicht vor. Das ukrainische Einheitsfernsehen griff Arestowytschs Tweet dennoch auf. 

Widersprüchlichen Angaben zufolge soll der Raketenkreuzer entweder vor der von Russland eroberten Schlangeninsel oder in der Bucht von Sewastopol auf der annektierten Halbinsel Krim getroffen worden sein. Die über 180 Meter lange Moskwa war 1979 zu Wasser gelassen und 1983 in den Dienst genommen worden. 

Der finale Test der Neptune-Raketen im Sommer 2020 – der Flugkörper ist erst 2021 in Dienst gestellt worden.

Es wäre das zweite grössere russische Schiff, das nach dem vor sieben Wochen begonnenen Angriffskrieg durch ukrainische Raketen zumindest stark beschädigt wurde. Vor knapp drei Wochen war ein Landungsschiff der russischen Kriegsmarine im Hafen der besetzten südukrainischen Stadt Berdjansk infolge eines Raketenangriffs versenkt worden.

Update 13.26 Uhr: Die Moskwa ist trotz massiver Schäden weiter seetüchtig, behauptet das Verteidigungsministeriums in Moskau. Es werde jetzt zur Reparatur in einen Hafen gebracht.