Ukraine-Übersicht Beschuss nach Frontbesuch von Selenskyj +++ Ukraine fordert Mehrfachraketenwerfer

Agenturen/Red.

29.5.2022

Russische Truppen verstärken Angriff in Ost-Ukraine

Russische Truppen verstärken Angriff in Ost-Ukraine

STORY: Russische Truppen haben ihre Angriffe auf Siewierodonezk im Osten der Ukraine am Sonntag weiter verstärkt. Nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk sei die Lage extrem eskaliert. Der Beschuss sei am Samstag so intensiv gewesen, dass es nicht möglich gewesen sei, die Zahl der Opfer und die Schäden abzuschätzen. Diese Aufnahmen zeigen hingegen ein schwer beschädigtes Solarkraftwerk in der Region Charkiw am Samstag, das rund 300 Kilometer nordwestlich von Luhansk liegt. Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei die Lage im Donbass unbeschreiblich schwierig. Das sagte er in einer Videobotschaft am späten Samstagabend. Die Verteidiger hielten an mehreren Orten die Stellungen und die Ukraine nähere sich dem Punkt, an dem sie Russland technologisch und bezüglich der Angriffsmöglichkeiten überlegen sei. Allerdings rechnet der ukrainische Präsident nach eigenen Worten nicht damit, dass die Ukraine das von Russland in den vergangenen Jahren eingenommene Staatsgebiet komplett mit Gewalt zurückholen kann. Russlands Angriffskrieg hat am 24. Februar begonnen. Und hält damit bereits seit über drei Monaten an.

29.05.2022

Der ukrainische Präsident verlässt erstmals die Region Kiew und besucht die Front in der Region Charkiw. Unteressen lehnt der türkische Präsident Erdogan die Nato-Norderweiterung abermals ab. Die Ereignisse des Tages im Überblick.

Agenturen/Red.

Die ostukrainische Stadt Charkiw ist kurz nach Bekanntwerden eines Frontbesuches des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beschossen worden. Dabei sei ein Teil der zweitgrössten Stadt des Landes getroffen worden, sagte Charkiws Bürgermeister, Ihor Terechow, ukrainischen Medien zufolge am Sonntag. Weitere Details nannte er nicht. Es war der erste bekannte Besuch Selenskyjs im Frontgebiet im Osten des Landes seit Beginn der russischen Invasion. Russland hielt auch am 95. Kriegstag den militärischen Druck im Osten des Landes hoch und brachte die Ukraine immer stärker in Bedrängnis.

Besonders umkämpft ist Sjewjerodonezk. Russisches Militär hat die ostukrainische Stadt fast komplett umstellt. Zuvor hatte es nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Kleinstadt Lyman erobert.

Kiew fordert leistungsfähige Waffen

Angesichts der jüngsten militärischen Erfolge Russlands dringt die Ukraine auf rasche Lieferungen schwerer Waffen. «Wenn der Westen wirklich den Sieg der Ukraine will, ist es vielleicht Zeit, uns MLRS zu geben?», schrieb der Berater Selenskyjs Mychajlo Podoljak bei Twitter. MLRS sind in den USA hergestellte Mehrfachraketenwerfer mit einer Reichweite von bis zu mehreren Hundert Kilometer. «Es ist schwer zu kämpfen, wenn man aus einer Entfernung von 70 Kilometern angegriffen wird und nichts hat, womit man sich wehren kann.» Die US-Regierung zieht einem Medienbericht zufolge in Erwägung, Mehrfachraketenwerfer mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern in die Ukraine zu schicken.

EU-Kommission legt vor Gipfeltreffen Kompromiss zu Öl-Embargo vor

Im Streit über die Pläne für ein europäisches Öl-Embargo gegen Russland legte die EU-Kommission am Wochenende einen neuen Kompromissvorschlag vor. Der Entwurf sieht nach Angaben aus der Behörde vor, zunächst nur die Einfuhr von per Schiff transportiertem Öl auslaufen zu lassen. Über die Druschba-Pipeline transportiertes Öl würde demnach bis auf Weiteres von dem Embargo ausgenommen werden. Damit könnte Russland einen Teil seiner Geschäfte mit Unternehmen in der EU fortführen.

Laut EU floss zuletzt rund ein Drittel der Gesamtliefermengen durch die Druschba-Pipeline. Diese versorgt Raffinerien in Ungarn, der Slowakei und Tschechien sowie in Polen und Deutschland. An diesem Montag und Dienstag dürfte der Kompromissvorschlag auch Thema bei einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel sein.

Militärexperte für Lieferung schwerer Waffen

Um die derzeit schwierige Situation der Ukraine im Kampf um den Donbass zu verbessern, plädierte der Politologe und Militärexperte Carlo Masala für die Lieferungen schwerer Waffen. Russlands Präsident Wladimir Putin werde erst dann ernsthaft zu verhandeln beginnen, wenn er befürchten müsse, durch eine Fortführung des Krieges mehr zu verlieren als zu gewinnen, sagte Masala der Deutschen Presse-Agentur. Genau das aber sei derzeit nicht der Fall. «Man muss die Kosten-Nutzen-Kalkulation bei Putin verändern.»

Für den Westen sind Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine ein Drahtseilakt, da niemand genau sagen kann, ob und ab wann eine solche Unterstützung von Russland als Kriegsbeteiligung gewertet wird.

Putin warnt vor Lieferung schwerer Waffen

Kremlchef Putin warnte am Wochenende bei einem Telefonat mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Das berge das Risiko einer weiteren Destabilisierung der Lage und der Verschärfung der humanitären Krise, sagte Putin. Scholz und Macron forderten in dem 80-minütigen Gespräch erneut ein Ende des Krieges.

Mit Blick auf die Nahrungsmittelkrise sagte Putin bei dem Telefonat, die «fehlerhafte Wirtschafts- und Finanzpolitik der westlichen Staaten» sowie die «antirussischen Sanktionen» seien für die Probleme verantwortlich. Die deutsche Bundesregierung weist stets darauf hin, dass es keine Sanktionen gegen Lebensmittel gebe. Die Ukraine warf Russland Erpressung vor, den Kampf gegen den Hunger in der Welt mit der Sanktionsfrage zu verbinden.

Türkei blockiert weiter Nato-Erweiterung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bleibt auch nach Verhandlungen mit Schweden und Finnland bei seinem Veto gegen die Nato-Norderweiterung. «Solange Tayyip Erdogan an der Spitze des türkischen Staates steht, können wir nicht ‹Ja› zu einem Nato-Beitritt von Ländern sagen, die den Terror unterstützen", sagte er nach Angaben der Zeitung «Hürriyet». Die Länder hätten nicht die gewünschten Schritte im Kampf gegen den Terrorismus unternommen.

Die Türkei blockiert bisher als einziges Nato-Mitglied den Beginn des Aufnahmeprozesses der beiden Länder in das Verteidigungsbündnis und begründet dies mit der angeblichen Unterstützung Finnlands und Schwedens von «Terrororganisationen» wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Botschafter: Kein Einsatz von Atomwaffen

Der russische Botschafter in London, Andrei Kelin, rechnet nicht damit, dass sein Land in der Ukraine Atomwaffen einsetzen wird. Nach den Regeln des russischen Militärs sei dies nur vorgesehen, wenn Russland in seiner Existenz bedroht sei, sagte Kelin in einem BBC-Interview. «Das hat nichts mit der aktuellen Operation zu tun.»

Scholz bekräftigt Hilfe für Ukraine

Nach den Worten des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz werde an Plänen für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg gearbeitet. «Denn dieser Krieg wird enden», sagte Scholz in einer Videobotschaft, die bei einer Musikshow mit ukrainischen Künstlern am Brandenburger Tor in Berlin eingespielt wurde. «Wir stehen geeint — für die Ukraine, für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Würde. Als europäische Schwestern und Brüder», sagte der SPD-Politiker.


Die Ereignisse des Tages im Überblick:

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die umkämpfte Region Charkiw im Osten des Landes besucht und damit erstmal die Region um Kiew verlassen.
  • Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bleibt auch nach Verhandlungen mit Schweden und Finnland bei seinem Veto gegen die Nato-Norderweiterung.
  • Der Gouverneur der Region Luhansk sieht wegen anhaltender russischer Angriffe eine schwere Woche auf die Stadt Sewerodonezk zukommen. 
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert die offizielle Einstufung Russlands als «Terrorstaat».
  • London wirft Russland vor gezielt irreführende Informationen zu verbreiten, um der Öffentlichkeit ein Verständnis der Lage zu erschweren. 
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    Wir beenden den Live-Ticker am Sonntag

  • 21.21 Uhr

    Selenskyj wirft Moskau weitgehende Zerstörung von Sjewjerodonezk vor

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland die weitgehende Zerstörung der Grossstadt Sjewjerodonezk im Donbass vorgeworfen. Die gesamte Infrastruktur sei vernichtet, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft in Kiew. «90 Prozent der Häuser sind beschädigt. Mehr als zwei Drittel des Wohnbestands der Stadt sind komplett zerstört.» Ständig werde die Stadt angegriffen.

    Die russische Armee wolle Sjewjerodonezk unbedingt erobern. «Und es ist ihnen egal, wie viele Leben sie für den Versuch bezahlen müssen.» Die Angreifer wollten ihre Fahne auf dem Verwaltungsgebäude von Sjewjerodonezk hissen, das am Boulevard der Völkerfreundschaft stehe, sagte Selenskyj. «Wie bitter dieser Name jetzt klingt.»

    Die Ukraine unternehme alles, um die Offensive einzudämmen. «Es gab keinen einzigen Tag, an dem wir uns nicht bemüht haben, mehr Waffen zu finden, mehr moderne Waffen, um unser Land, unser Volk, zu schützen», sagte der Präsident.

    Sjewjerodonezk ist seit Monaten Ziel russischer Angriffe. Die Stadt gilt als letzter Punkt, den das ukrainische Militär in der Region Luhansk noch unter Kontrolle hält. Der ukrainische Generalstab hatte am Sonntagabend in seinem Lagebericht mitgeteilt, die russische Armee versuche, «am nordöstlichen Stadtrand von Sjewjerodonezk Fuss zu fassen» und führe Angriffe in Richtung Stadtzentrum durch. Die Bodenoffensive werde von Artillerie und Luftwaffe unterstützt.

  • 21.12 Uhr

    Selenskyj feuert bei Besuch in Ostukraine Geheimdienstchef von Charkiw

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach eigenen Angaben den Geheimdienstchef der ostukrainischen Stadt Charkiw entlassen. Er habe festgestellt, dass dieser sich von Beginn des russischen Angriffskriegs an nicht um die Verteidigung der Stadt gekümmert habe, «sondern nur an sich selbst dachte», sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Welche Motive dahinter standen, würden nun die Strafverfolgungsbehörden untersuchen.

    Der Präsident hatte am Sonntag erstmals seit der russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar den Osten seines Landes besucht. Sein Büro veröffentlichte im Messengerdienst Telegram ein Video, das Selenskyj mit einer kugelsicheren Weste bei der Besichtigung von zerstörten Gebäuden in Charkiw und Umgebung zeigte. Bei seinem Besuch traf er zudem den Gouverneur der Region Charkiw sowie den Bürgermeister der zweitgrössten Stadt des Landes.

  • 21.07 Uhr

    Scholz zu Menschen in Ukraine: «Wir stehen an Eurer Seite»

    Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Menschen in der von Russland angegriffenen Ukraine erneut die Solidarität seines Landes versichert. «Wir stehen an Eurer Seite», sagte der Politiker in einer Videobotschaft, die bei einer Musikshow mit ukrainischen Künstlern am Brandenburger Tor in Berlin eingespielt wurde. «Wir sind im Herzen und in Gedanken bei Euch — heute genauso wie an jedem Tag, seit Russland Euer Land angegriffen hat.»

    Gemeinsam mit Freunden und Partnern leiste Deutschland fortdauernde finanzielle Unterstützung, um sicherzustellen, dass die ukrainische Wirtschaft nicht zusammenbreche, so Scholz, der seine Worte in englischer Sprache vortrug. «Wir schicken Waffen in die Ukraine und brechen so mit der langjährigen deutschen Tradition, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern.» Fast 800'000 Ukrainerinnen und Ukrainer hätten in Deutschland Zuflucht gefunden. «Wir nehmen sie mit offenen Armen auf.»

    Ausserdem werde an Plänen für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg geschmiedet. «Denn dieser Krieg wird enden», so Scholz. «Wir stehen geeint — für die Ukraine, für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Würde. Als europäische Schwestern und Brüder.»

    Bei der Show mit Musik sowie Videobotschaften internationaler Politiker und Prominenter handelte es sich um einen Spendenmarathon, der von zahlreichen ukrainischen Fernsehsendern übertragen wurde. Am Brandenburger Tor traten zahlreiche Musikstars aus dem Land auf. Erwartet wurden auch die diesjährigen Gewinner des Eurovision Song Contest, das Kalush Orchestra.

  • 20.48 Uhr

    Ukrainische Eurovision-Sieger versteigern Trophäe zugunsten der Armee

    Die ukrainischen Sieger des Eurovision Song Contest haben nach eigenen Angaben ihre Trophäe des Wettbewerbs zugunsten der Armee ihres Heimatlandes versteigert. «Einen besonderen Dank an das Team Whitebit, das die Trophäe für 900'000 US-Dollar gekauft hat und jetzt rechtmässiger Besitzer unserer Trophäe ist», teilte die Band Kalush Orchestra mit. Bei Whitebit handelt es sich um ein ukrainisches Unternehmen, das eine Kryptobörse betreibt, also eine Online-Handelsplattform, auf der sich Kryptowährungen kaufen, verkaufen und tauschen lassen. Am Abend war die Band auch bei der Wohltätigkeitsveranstaltung «Save Ukraine - #StopWar» am Brandenburger Tor in Berlin angekündigt.

    Das Kalush Orchestra aus der Ukraine gewann den diesjährigen Eurovision Song Contest.
    Das Kalush Orchestra aus der Ukraine gewann den diesjährigen Eurovision Song Contest.
    Luca Bruno/AP/dpa

    Kalush Orchestra hatte Mitte Mai mit dem Lied «Stefania» den 66. ESC in Turin gewonnen. Vor allem bei den Zuschauerwertungen aus ganz Europa lag die Band klar vorn. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine wurde der so klare Sieg auch als Signal der Solidarität vom Publikum in Dutzenden Ländern verstanden. Russland war wegen des Krieges vom ESC ausgeschlossen worden.

    Seit 2008 bekommen die siegreichen Künstler beim Eurovision Song Contest eine gläserne Mikrofon-Trophäe überreicht. Entworfen wurde dieser Pokal von dem schwedischen Designer Kjell Engman. Die Songwriter des Siegertitels bekommen eine kleine Kopie der Trophäe ausgehändigt. Die sogenannte Muttertrophäe bleibt bei den ESC-Veranstaltern, der Europäischen Rundfunkunion. Sie ist bei der EBU (European Broadcasting Union) meistens im Empfangsbereich von deren Hauptsitz in Genf ausgestellt.

    Bei der Auktionsaktion der Band bis Sonntagabend ging es auch um das Markenzeichen ihres Frontmanns Oleh Psjuk - einen pinken Anglerhut. Um eine Chance auf ihn zu haben, sollten Interessierte mindestens fünf Euro spenden. Am Ende der Verlosung wurde den Angaben zufolge per Zufallsgenerator ermittelt, wer den Fischerhut, auch Bucket Hat genannt, erhält. Der gesamte Spendenerlös soll über eine Stiftung der ukrainischen Armee zugutekommen.

  • 20.09 Uhr

    Scholz erleichtert über Haltung der Industrie zu Russland-Sanktionen

    Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Rückhalt der Industrie bei den Sanktionen gegen Russland begrüsst. Die Hannover Messe finde auch vor dem Hintergrund des «furchtbaren Krieges» Russlands gegen die Ukraine statt, sagte Scholz zur Eröffnung der Messe. «Deshalb ist es ganz wichtig zu wissen, dass die Wirtschaft, die Industrie, hinter den Massnahmen steckt und steht, die wir ergriffen haben, um Russland zu überzeugen, diesen Krieg zu beenden, zum Beispiel auch die Sanktionen.»

    Die Folgen des Angriffs wie die Debatte um sichere Energie machten umso deutlicher, dass die wirtschaftliche Transformation vorangebracht werden müsse, sagte Scholz. Es brauche dazu neue Verfahren und Prozesse. «Diese Messe zeigt, dass das geht und dass wir es mit grossem Tempo schaffen werden.»

    Scholz sprach sich erneut dagegen aus, den internationalen Handel wegen der aktuellen Krisen zurückzudrehen. «Gleichzeitig ist das, was wir heute erleben, ein Zeichen dafür, dass wir miteinander zusammenarbeiten müssen und die wirtschaftliche Transformation unserer Gesellschaft voranbringen müssen.»

    Ähnlich äusserte sich sein Wirtschaftsminister Robert Habeck: «Halten wir uns an ihr fest, richten wir sie aber neu aus», sagte Habeck zur Globalisierung. «Wir dürfen nicht einkehren in den Sprech eines neuen Nationalismus. Dann landen wir irgendwann bei Brexit und Donald Trump.»

  • 19.36 Uhr

    EU-Staats- und Regierungschefs verhandeln am morgen über neue Finanzhilfen für die Ukraine

    Weitere Finanzhilfen für die Ukraine und die europäische Verteidigungspolitik sind Themen des EU-Sondergipfels am Montag und Dienstag in Brüssel. Offen ist, ob die Staats- und Regierungschefs sich auf das sechste Sanktionspaket gegen Russland einigen können. Dieses sollte auch ein Ölembargo gegen Russland enthalten, das Ungarn aber nicht mittragen will. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will zu Beginn des Gipfels per Video über die Lage in der Ukraine berichten.

    Ungarn blockiert bislang das geplante EU-Ölembargo, da es nach eigenen Angaben 65 Prozent seines Rohöls aus Russland bezieht. Das Land verlangte zuletzt eine vierjährige Übergangsfrist und 800 Millionen Euro Finanzhilfen, um seine Raffinerien anzupassen und eine Pipeline von Kroatien auszubauen. Die französische EU-Ratspräsidentschaft hatte den Sondergipfel ursprünglich einberufen, um bei der europäischen Verteidigungspolitik voranzukommen. Es soll unter anderem über eine gemeinsame Beschaffungspolitik gesprochen werden.

  • 18.29 Uhr

    Ukraine meldet Angriffe auf Stadtzentrum von Sjewjerodonezk

    Im Donbass gehen die Kämpfe nach ukrainischen Angaben mit unverminderter Härte weiter, vor allem im Raum Sjewjerodonezk. Der Feind «versucht, am nordöstlichen Stadtrand von Sjewjerodonezk Fuss zu fassen und führt Angriffsoperationen in Richtung Stadtzentrum durch», teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit. Die Bodenoffensive werde dabei von Artillerie und Luftwaffe unterstützt.

    Die einstige Grossstadt Sjewjerodonezk ist seit Monaten das Ziel russischer Angriffsbemühungen. Sie ist der letzte Punkt, den das ukrainische Militär in der Region Luhansk noch unter Kontrolle hält.

    Neben der Stadt selbst würden auch aktive Kämpfe um die nahe gelegenen Städte Bachmut und Kurachowe geführt. «Das Hauptziel des Feindes ist es, unsere Truppen in den Gebieten Lyssytschansk und Sjewjerodonetsk zu umzingeln und die wichtigsten Logistikrouten zu blockieren», heisst es dazu im Lagebericht. Darüber hinaus bereiteten die russischen Truppen weiterhin die Querung des Flusses Siwerski Donez vor. Entsprechend würden die Truppen in der Region aufmunitioniert und betankt.

    Weiter westlich in Richtung Slowjansk sind russische Sturmversuche den ukrainischen Berichten nach abgewehrt worden. Im Süden des Landes, an der Grenze zwischen den Gebieten Cherson und Mykolajiw, wo Kiewer Truppen am Vortag in die Offensive gegangen waren, versuchten die russischen Streitkräfte nun die dabei verloren gegangenen Ortschaften zurückzuerobern. Unabhängig konnten die Angaben nicht überprüft werden.

  • 17.36 Uhr

    Tschechien plant weitere Rüstungslieferungen an Ukraine

    Tschechien will der Ukraine in Kürze weitere Rüstungsgüter im Wert von umgerechnet 24 bis 28 Millionen Euro (rund 24,7 bis 28,8 Millionen Franken) zukommen lassen. Das kündigte Verteidigungsministerin Jana Cernochova im öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT an. «Entscheidend ist, dass die Hilfe kontinuierlich erfolgt», betonte die konservative Politikerin. Seit dem Beginn der russischen Invasion vor mehr als drei Monaten habe man Kiew bereits mit Lieferungen im Wert von mehr als 140 Millionen Euro (rund 144 Millionen Franken) unterstützt.

    Die Ministerin räumte ein, dass darunter auch schwere Waffen waren, machte aber «aus Sicherheitsgründen» keine genauen Angaben zu Art und Umfang der Militärhilfe. Nach Medienberichten sollen unter anderem T-72-Panzer, BMP-1-Schützenpanzer, Dana-Haubitzen und möglicherweise auch Kampfhelikopter des sowjetischen Typs Mil Mi-24 geliefert worden sein. Tschechien, das seit 1999 Mitglied des Nato-Verteidigungsbündnisses ist, liegt weniger als 400 Kilometer von der Ukraine entfernt.

  • 17.23 Uhr

    Grösster deutscher Gasspeicher soll ab Juni «mit grossem Schwung» befüllt werden

    Angesichts einer drohenden Gaskrise im Konflikt mit Russland soll der grösste deutsche Speicher im niedersächsischen Rehden schneller befüllt werden. Wenn man dort ab Anfang Juni «mit grosser Energie und grossem Schwung» einspeichere, könne man die Füllvorgaben des Gasspeichergesetzes einhalten, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dem Deutschlandfunk in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview. Bisher verlaufe die Befüllung zu langsam.

    Der Speicher, der auf halbem Weg zwischen Osnabrück und Bremen liegt, war bisher in der Hand des russischen Staatskonzerns Gazprom. Dessen Deutschlandtochter ist inzwischen unter Kontrolle der Netzagentur. Müller sagte, bei der näheren Beschäftigung mit der Treuhänderschaft habe man gemerkt, dass das Eigentum der Speicher und die Rechte am Einspeichern nicht zwingend das Gleiche seien. «Das mussten wir erst klären. Das konnten wir aber inzwischen klären.»

    Zudem brauche man eine starke Zwischenfinanzierung, weil man Gas heute zu hohen Preisen einkaufen müsse, um es im Herbst und Winter weiterverkaufen zu können, sagte der Behördenpräsident. Für diese Zwischenfinanzierung sei eine Lösung avisiert worden.

    Deutschland versucht gerade, die Gasspeicher vor dem Winter schnell zu füllen, um notfalls einen russischen Lieferstopp ausgleichen zu können. Russland hat zwar auch nach dem Angriff auf die Ukraine betont, ein verlässlicher Lieferant zu sein. Allerdings gibt es Befürchtungen, dass Gazprom im Streit über Zahlungsmodalitäten den Hahn zudrehen könnte. Ein Gasembargo gegen Russland lehnen Bundesregierung und Wirtschaftsverbände ab, weil sie für diesen Fall eine Wirtschaftskrise in Deutschland befürchten.

    Nach neuen gesetzlichen Vorgaben müssen die Gasspeicher bis zum 1. November zum Beginn der Heizsaison zu 90 Prozent gefüllt sein. Am Freitag waren es der Netzagentur zufolge 47,5 Prozent. Der Gasspeicher in Rehden ist dagegen fast leer.

    Bei einer Notlage im Winter hofft die Bundesregierung zudem, bereits Terminals in Betrieb zu haben, mit denen Flüssiggas von Tankschiffen in normales Gas umgewandelt werden kann. «Stand heute sieht es so aus, dass uns das noch in diesem Jahr in Wilhelmshaven gelingen wird und wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres voraussichtlich in Brunsbüttel», sagte Müller.

  • 16.40 Uhr

    Litauer spenden über fünf Millionen Franken für Kauf einer Kampf-Drohne für die Ukraine

    Die Bürger der Baltenrepublik Litauen haben mehr als fünf Millionen Franken für den Kauf einer Kampfdrohne für die ukrainischen Streitkräfte gespendet. Das Geld kam bei einer öffentlichen Spendenaktion zusammen, die nur dreieinhalb Tage dauerte und am Samstagabend endete. Litauen hat 2,8 Millionen Einwohner.

    «Vermutlich das erste Mal in der Geschichte, können die Staatsbürger eines Staates eine solche schwere Waffe kaufen und einem anderen Staat spenden», sagte Andrias Tapinus vom Internet-Fernsehsender Laisves TV, der die Spendenaktion ins Leben gerufen hatte. Nach Angaben der Initiatoren soll das Geld nun dem litauischen Verteidigungsministerium übergeben werden, welches die Drohne und die dazugehörende Munition kaufen solle.

    Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas kündigte an, sein Stellvertreter werde in der kommenden Woche in die Türkei reisen, um eine vorläufige Bestellung zu unterzeichnen. Er schränkte jedoch ein, es werde «viel Papierkram» geben. Die Regierung setze aber auf eine «wohlwollende» Herangehensweise aller Beteiligten.

    Die ukrainische Armee nutzt türkische Kampfdrohnen seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar gegen die Angreifer. Die Regierung in Kiew bezeichnet diese Drohnen als besonders schlagkräftige Waffen im Kampf gegen Russland.

  • 16.19 Uhr

    EU-Kommission schlägt Kompromiss zu Öl-Embargo gegen Russland vor

    Im Streit über die Pläne für ein europäisches Öl-Embargo gegen Russland hat die EU-Kommission einen neuen Kompromissvorschlag präsentiert. Der Entwurf sieht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vor, zunächst nur die Einfuhr von per Schiff transportiertem Öl auslaufen zu lassen. Über die riesige Druschba-Pipeline transportiertes Öl würde demnach bis auf Weiteres von dem Embargo ausgenommen werden.

    Damit könnte Russland einen Teil seiner Geschäfte mit Unternehmen in der EU fortführen. Nach EU-Angaben floss zuletzt rund ein Drittel der Gesamtliefermengen durch die Druschba-Pipeline. Diese versorgt Raffinerien in Ungarn, der Slowakei und Tschechien sowie in Polen und Deutschland.

    Ob der am Wochenende präsentierte Kompromissvorschlag Aussichten auf Erfolg hat, war zunächst unklar. Am späten Sonntagnachmittag wollten die ständigen Vertreter der EU-Staaten in Brüssel zu ersten Beratungen zusammenkommen.

    An diesem Montag und Dienstag dürfte der Kompromissvorschlag auch Thema bei einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in der belgischen Hauptstadt sein. Bei diesem soll es um die weitere Unterstützung der EU für die Ukraine, aber auch um die Bemühungen gehen, unabhängig von russischen Energieträgern wie Gas und Öl zu werden.

  • 15.54 Uhr

    Selenskyj besucht Frontgebiet Charkiw

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die umkämpfte Region Charkiw im Osten des Landes besucht. Im offiziellen Telegram-Kanal des Präsidenten verbreitete Videoaufnahmen zeigten Selenskyj dabei, wie er Soldaten auszeichnete, die zerstörte Infrastruktur in Charkiw inspizierte, aber auch von der russischen Armee zurückgelassene ausgebrannte Militärfahrzeuge besichtigte.

    Wolodymyr Selenskyj besucht Truppen in Charkiw. Es ist der erste bekannte Besuch des ukrainischen Präsidenten im Frontgebiet im Osten des Landes seit Kriegsbeginn.
    Wolodymyr Selenskyj besucht Truppen in Charkiw. Es ist der erste bekannte Besuch des ukrainischen Präsidenten im Frontgebiet im Osten des Landes seit Kriegsbeginn.
    --/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

    Selenskyj dankte den Soldaten für ihren Einsatz. «Ich bin grenzenlos stolz auf unsere Verteidiger. Jeden Tag kämpfen sie unter Einsatz ihres Lebens für die Freiheit der Ukraine», so der Präsident.

    Während Selenskyj sich von der Militärführung einen Bericht über die operative Lage an der Front geben liess, sprach er mit Gouverneur Oleh Synehubow über die Schäden an zivilen Objekten in der Region. Laut Synehubow wurden in Charkiw und Umland mehr als 2000 Häuser zerstört. Immer noch sind 31 Prozent des Territoriums unter russischer Kontrolle. Die ukrainische Gegenoffensive im April und Mai habe zur Befreiung von fünf Prozent des Gebiets beigetragen, sagte Synehubow.

  • 15.37 Uhr

    Moskau ermittelt gegen Sohn britischer Abgeordneter

    Weil er im Ukraine-Krieg gegen das russische Militär kämpft, hat die Moskauer Justiz ein Strafverfahren gegen den Sohn der britischen Parlamentsabgeordneten und Ex-Ministerin Helen Grant eingeleitet. «Im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Söldnertums untersuchen die Ermittler die Rolle eines Verwandten der britischen Parlamentarierin Helen Grant», teilte das russische Ermittlungskomitee in seinem Telegram-Kanal mit. In britischen Medien wird Ben Grant als Held gefeiert.

    Grant, ein ehemaliger britischer Marineinfanterist, kämpft seit März als Freiwilliger aufseiten der Ukraine gegen die russische Invasion. Die britische Presse berichtete zuletzt, er habe unter Feuer einem verletzten Kameraden das Leben gerettet und ihn vom Schlachtfeld getragen.

    Auf die Berichte hat nun auch Moskau reagiert. Nach Angaben der russischen Behörden «leitete er den Angriff einer Gruppe von westlichen Söldnern auf russische Militärtechnik in der Ukraine». Daher würden Grants Handlungen nun strafrechtlich beurteilt. Söldnertum ist in Russland wie in vielen anderen Ländern auch strafbar und kann mit bis zu sieben Jahren Gefängnis geahndet werden.

    Allerdings kämpfen in dem Konflikt auch auf russischer Seite Söldner. Die bekannteste Gruppierung ist die Söldnergruppe «Wagner», als deren Geldgeber der kremlnahme Unternehmer Jewgeni Prigoschin gilt. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte Mitte März allerdings auch von 16'000 Freiwilligen aus Syrien berichtet, die an Russlands Seite kämpfen wollten.

  • 14.48 Uhr

    Serbien bekommt weiter günstig Erdgas aus Russland

    Serbien bekommt weiter Erdgas zum günstigen Tarif aus Russland. Das vereinbarten Präsident Aleksandar Vucic und sein russischer Kollege Wladimir Putin in einem Telefonat. Nach Angaben des Kremls sollen die Lieferungen kontinuierlich weitergehen. Vucic erklärte darüber hinaus, man habe sich darauf geeinigt, dass die Laufzeit des neuen Vertrages drei Jahre und nicht wie bisher ein paar Monate betragen solle.

    Serbien ist in hohem Masse von russischen Gaslieferungen abhängig. Am Dienstag läuft der seit Anfang Dezember 2021 geltende russisch-serbische Liefervertrag ab, der bisher Serbien nach Belarus europaweit den zweitniedrigsten Gaspreis gewährt.

    Auch im neuen Vertrags werde der Preis «äusserst günstig» sein, sagte Vucic serbischen Medien zufolge. In wenigen Tagen werde es einen neuen Vertrag mit dem russischen Konzern Gazprom geben.

    Vucic ist der putinfreundlichste Staatenlenker im Westbalkan. Doch steckt er in einem Zwiespalt zwischen Russland und dem Westen. Zwar verhandelt Serbien über einen EU-Beitritt, jedoch weigert sich die Regierung, sich den EU-Sanktionen gegen Russland anzuschliessen. Serbien hat lediglich für eine UN-Resolution gestimmt, in der Russlands Angriff auf die Ukraine verurteilt wird — in der aber keine Sanktionen vorgesehen sind. In den vergangenen Wochen hat sich der Druck der USA und der EU auf Serbien verstärkt, die Russlandpolitik zu ändern.

    Mit Blick auf den Druck des Westens sagte Vucic, es sei «nicht leicht zu sagen, wie lange Serbien in der Lage sein wird, eine unabhängige, souveräne Politik zu verfolgen». Er habe im Gespräch mit Putin auch Serbiens Wunsch nach einem baldigen Ende des Kriegs in der Ukraine übermittelt.

  • 14.09 Uhr

    Erdogan erteilt Nato-Norderweiterung trotz Gesprächen erneut Absage

    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bleibt auch nach Verhandlungen mit Schweden und Finnland bei seinem Veto gegen die Nato-Norderweiterung. «Solange Tayyip Erdogan an der Spitze des türkischen Staates steht, können wir nicht ‹Ja› zu einem Nato-Beitritt von Ländern sagen, die den Terror unterstützen", sagte Erdogan nach Angaben der Zeitung «Hürriyet». Gespräche mit Vertretern der beiden skandinavischen Länder am Mittwoch seien nicht wie erwartet verlaufen, sagte Erdogan. Die Länder hätten nicht die erwartenden Schritte im Kampf gegen den Terrorismus unternommen. Erdogan äusserte sich auf einem Rückflug aus Aserbaidschan vor türkischen Journalisten.

    Die Türkei stellt Forderungen an Schweden für einen Nato-Beitritt.
    Die Türkei stellt Forderungen an Schweden für einen Nato-Beitritt.
    Markus Schreiber/AP/dpa

    Die Türkei blockiert derzeit als einziges Nato-Mitglied öffentlich den Beginn des Aufnahmeprozesses der beiden nordischen Länder in das Verteidigungsbündnis. Ankara begründet seine Haltung mit der angeblichen Unterstützung Finnlands und Schwedens von «Terrororganisationen» wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Ankara verlangt ausserdem die Auslieferung von angeblichen Terroristen aus beiden Ländern. Um welche Personen es sich dabei handelt, ist unklar. Nach Angaben türkischer Medien steht auf der Auslieferungsliste auch der regierungskritische Verleger Ragip Zarakolu, der demnach in Schweden lebt.

    Zu einer möglichen neuen Militäroffensive der Türkei im Nachbarland Syrien sagte Erdogan, die USA müssten ihre Pflicht im Kampf gegen den Terrorismus erfüllen. Wenn die USA diese Aufgabe nicht erfülle, werde sich die Türkei selbst kümmern. Er wiederholte eine oft geäusserte Drohung: Das türkische Militär könne nachts plötzlich zuschlagen.

    Die Türkei hat bereits mehrmals Militäreinsätze in Syrien durchgeführt, die vor allem gegen die Kurdenmiliz YPG gerichtet waren. Am Montag hatte Erdogan mit einer neuen Offensive in Syrien gedroht. Die YPG - Verbündete der USA im syrischen Bürgerkrieg — sieht Ankara als Ableger der PKK.

  • 13.44 Uhr

    Russische Truppen ziehen immer engeren Belagerungsring um Sewerodonezk und Lyssytschansk

    Im ostukrainischen Donbass ziehen die russischen Truppen einen immer engeren Belagerungsring um die strategisch wichtigen Städte Sewerodonezk und Lyssytschansk. Auch am Sonntag wurden die beiden letzten von ukrainischen Soldaten gehaltenen Städte in der Region wieder massiv angegriffen. 

    «Der Feind hat neue Angriffsoperationen ausgeführt», berichtete die ukrainische Armee am Sonntag aus dem Gebiet Sewerodonezk. Nach Angaben von Gouverneur Serhij Gajdaj dauerte der russische Angriff im Laufe des Tages weiter an, es gebe bereits Strassenkämpfe in der Stadt. Der Machthaber der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, erklärte sogar bereits, dass «Sewerodonezk komplett unter unserer Kontrolle» sei. «Die Stadt ist befreit worden», schrieb Kadyrow am Samstagabend auf Telegram.

    Ein ukrainischer Soldat nach einem russischen Luftschlag in Lyssytschansk. (Archiv)
    Ein ukrainischer Soldat nach einem russischen Luftschlag in Lyssytschansk. (Archiv)
    Bild: Keystone
  • 13.43 Uhr

    Russland meldet Zerstörung von grossem ukrainischem Arsenal

    Der russischen Armee  ist es angeblich gelungen, bei einem Raketenangriff ein grosses Arsenal der ukrainischen Armee in der südukrainischen Gossstadt Krywyj Rih zu zerstören. Das meldete die russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Wie es weiter hiess, sei ebenfalls ein ukrainisches Kampfflugzeug vom Typ SU-25 in der Region Dnipro abgeschossen worden.

  • 11.49 Uhr

    Russischer Botschafter rechnet nicht mit Einsatz von Atomwaffen

    Der russische Botschafter in London, Andrei Kelin, rechnet nicht damit, dass sein Land in der Ukraine Atomwaffen einsetzen wird. Nach den Regeln des russischen Militärs sei dies nur vorgesehen, wenn Russland in seiner Existenz bedroht sei, sagte Kelin in einem am Sonntag ausgestrahlten BBC-Interview. «Das hat nichts mit der aktuellen Operation zu tun.» Auch die Frage, ob er glaube, dass Präsident Wladimir Putin im Fall einer Ausweitung des Krieges bereit sei, einen nuklearen Angriff auf Grossbritannien zu verüben, verneinte der Botschafter. Dieses und ähnliche Szenarien waren vor einigen Wochen im russischen Staatsfernsehen öffentlich diskutiert worden.

    Konfrontiert mit Belegen für russische Kriegsverbrechen in der Ukraine wies der russische Botschafter wiederholt Moskaus Verantwortung dafür zurück. «Nichts passiert, keine Leichen auf der Strasse», sagte Kelin zu Berichten über die Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha, wo nach dem Abzug der Russen im April Hunderte Leichen gefunden wurden. «Unserer Ansicht nach ist das eine Erfindung. Es wird benutzt, um die Verhandlungen zu stören», sagte Kelin. Er gab auf Nachfrage an, selbst zuletzt vor einigen Jahren - während der Maidan-Revolution - in der Ukraine gewesen zu sein.

    Zu Aufnahmen der ukrainischen Hafenstadt Mariupol räumte der Botschafter ein, diese sei bei Kämpfen zerstört worden. Allerdings könne auch hier Russland nicht allein die Schuld gegeben werden. Bei Gefechten seien eben «Kollateralschäden» möglich, sagte Kelin. Wiederholt warf der Russe der Ukraine in dem BBC-Interview vor, in der umkämpften Donbass-Region selbst Zivilisten zu töten. Russland rechtfertigt seine «Spezialoperation» damit, die Ukraine von angeblichen Nazis befreien zu wollen

  • 11.37 Uhr

    Ukrainische Zivilisten fliehen aus Lyssytschansk

    Russische Truppen haben ihre Angriffe auf die ostukrainischen Städte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk fortgesetzt. Die Verteidiger hätten Angriffe auf Sjewjerodonezk zurückgeschlagen, doch versuchten die Russen weiter, ukrainische Truppen einzukreisen, sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj. Es gebe Straßenkämpfe. Die Stromversorgung in der Stadt fiel aus. Es gab auch keine Mobilfunkverbindung.

    Trotz heftigem Beschuss gelang es Zivilisten, aus der Gegend zu fliehen. Einige erreichten das 130 Kilometer südlich gelegene Pokrowsk, von wo sie am Samstag weiter Richtung Westen fahren wollten.

    Jana Skakowa brach in Tränen aus, als sie mit ihrem 18 Monate alten Sohn auf dem Schoss von pausenlosen Bombardements durch russische Truppen berichtete und dass sie ihren Mann habe zurücklassen müssen. «Jehor ist anderthalb Jahre alt und jetzt ohne Vater», sagte sie. Zu Beginn des Krieges habe es in Lyssytschansk noch Ruhephasen gegeben, in denen sie auf der Strasse habe kochen können. Auch die Kinder hätten dann im Freien spielen können. Zum Schluss sei sie aber nicht mehr aus dem Keller herausgekommen. Der Beschuss sei einfach zu beängstigend gewesen.

    Am Freitag habe die Polizei sie aus dem Keller evakuiert, in dem sie zweieinhalb Monate gelebt hätten – 18 Personen, darunter neun Kinder, sagte Skakowa. «Keiner von uns wollte seine Heimatstadt verlassen. Aber um dieser kleinen Kinder willen haben wir beschlossen, zu gehen.» Sie sei mit ihren beiden Jungen geflohen  – 18 Monate und vier Jahre alt. Ihr Mann wolle auf das Haus und die Tiere aufpassen.

    Yana Skakova und ihr Sohn Jehor sitzen nach der Flucht aus Lyssytschansk in einem Zug.
    Yana Skakova und ihr Sohn Jehor sitzen nach der Flucht aus Lyssytschansk in einem Zug.
    KEYSTONE
  • 10.42 Uhr 

    Militärexperte: «Es läuft für Putin»

    Der russische Präsident Wladimir Putin sieht nach Einschätzung des Politologen und Militärexperten Carlo Masala derzeit keinen Grund zu Verhandlungen mit der Ukraine. Putin werde erst dann ernsthaft zu verhandeln beginnen, wenn er befürchten müsse, durch eine Fortführung des Krieges mehr zu verlieren als zu gewinnen, sagte Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, der Deutschen Presse-Agentur. Genau das aber sei derzeit nicht der Fall. «Es läuft für ihn. Von daher gibt es überhaupt keinen Anreiz, sich in diese Verhandlungen hineinzubegeben.»

    Die jüngsten militärischen Erfolge der russischen Streitkräfte im Donbass in der Ostukraine lassen sich nach Masalas Einschätzung auf zwei Ursachen zurückführen: Erstens fehle es den Ukrainern an schweren Waffen. Zweitens hätten die Russen ihre Strategie erfolgreich geändert. «Im Gegensatz zum bisherigen Kriegsverlauf gehen sie nicht mehr an breiten Abschnitten der Front vor, sondern ziehen ihre Truppen zusammen, um an kleinen Stücken der Front voranzukommen. Dadurch haben sie derzeit eine personelle Überlegenheit.»

    Das Bild des russischen Vertiedigungsministeriums vom 28. Mai 2022 soll russische Kampfhelikopter an einem unbekannten Ort in der Ukraine zeigen. 
    Das Bild des russischen Vertiedigungsministeriums vom 28. Mai 2022 soll russische Kampfhelikopter an einem unbekannten Ort in der Ukraine zeigen. 
    Bild: Russian Defense Ministry Press Service via AP
  • 10.17 Uhr

    London wirft Russland Verbreitung gezielt irreführender Narrative vor

    London wirft Russland vor, im Ukraine-Krieg gezielt irreführende Erzählungen zu verbreiten. Moskau sei bereit, «die weltweite Ernährungssicherheit für seine eigenen politischen Ziele aufs Spiel zu setzen und sich dann als vernünftiger Akteur zu präsentieren und den Westen für jegliches Scheitern verantwortlich zu machen», hiess es am Sonntag in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums unter Berufung auf Geheimdienstinformationen.

    So habe Russland die Ukraine vor einigen Tagen aufgefordert, den Hafen von Odessa zu entminen, damit Schiffe sicher durchfahren könnten. Tatsächlich blockiere Moskau selbst die Ausfuhr von Getreide aus ukrainischen Häfen. Dies sei ein Kerngedanke moderner russischer Kommunikationsstrategie, heisst es von den Briten. So würden «alternative Narrative» eingeführt, oft wenig überzeugend, um es der Öffentlichkeit zu erschweren, die Lage zu verstehen.

    Schon seit Beginn des Krieges veröffentlicht die britische Regierung in ungewöhnlich offener Art und Weise regelmässig Geheimdienstinformationen zum Verlauf des Angriffskriegs. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.

  • 8.27 Uhr

    Gouverneur: Kommende Woche wird für Sewerodonezk «sehr schwer»

    Im ostukrainischen Donbass wird die Lage für die Bewohner der umkämpften Stadt Sewerodonezk nach Angaben der Behörden immer aussichtsloser. «Russland fährt alle Mittel auf, um Sewerodonezk zu erobern oder die Kommunikation in der Region und in der Ukraine zu verhindern», erklärte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, am Samstagabend im Messengerdienst Telegram. «Die kommende Woche wird sehr schwer», fügte er hinzu. Die russischen Truppen seien jedoch nicht in der Lage, in naher Zukunft all ihre Pläne umzusetzen.

    Auch der Bürgermeister von Sewerodonezk, Olexander Stryuk, verwies auf Telegram auf die «vielen Mittel», die die russische Armee einsetze, um die Stadt einzunehmen. «Aber sie können das noch nicht», zeigte er sich überzeugt. «Wir glauben, dass die Stadt standhält.» Er zeigte sich besorgt über die sanitäre Lage in der Stadt, die vor dem Krieg 100'000 Einwohner hatte.

    «Ständige Bombenangriffe» würden die Versorgung vor allem mit Trinkwasser erschweren. In der Stadt gebe es seit mehr als zwei Wochen keinen Strom, erklärte Stryuk am Samstagabend. Das «humanitäre Hilfszentrum» der Stadt habe seine Arbeit eingestellt, fügte er hinzu.

    Einheiten der prorussischen Miliz der Volksrepublik Donezk feuern am 28. Mai 2022 bei der Siedlung Panteleimonivka nördlich von Donezk Raketen ab. 
    Einheiten der prorussischen Miliz der Volksrepublik Donezk feuern am 28. Mai 2022 bei der Siedlung Panteleimonivka nördlich von Donezk Raketen ab. 
    KEYSTONE
  • 0.32 Uhr

    Selenskyj fordert Einstufung Russlands als Terrorstaat

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland eine Politik des Terrors vorgeworfen. «Ich werde die Welt immer wieder daran erinnern, dass Russland endlich offiziell als Terrorstaat, als Förderer des Terrorismus, anerkannt werden muss», sagte Selenskyj am Samstag in einer Videoansprache in Kiew. Dies spiegele die tägliche Realität wider, die Russland mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine geschaffen habe «und sehr viel weiter nach Europa tragen» wolle. «Und das muss rechtlich verankert werden.»

    Er wolle sich zu Wochenbeginn an die Teilnehmer des EU-Sondergipfels in Brüssel wenden und dann auch darüber sprechen. «Über den Terror, der heute tatsächlich die einzige Form des Handelns des russischen Staates gegen Europa geworden ist», sagte Selenskyj. «Terror auf dem Gebiet der Ukraine. Terror auf dem Energiemarkt in Europa, nicht nur in unserem Land. Terror auf dem Lebensmittelmarkt, und zwar weltweit. Und welcher Terror wird als nächstes kommen?» Nur gemeinsam könnten die Europäer die Politik eines solchen Staates stoppen, betonte er.

    Das ukrainische Parlament hatte Russland im April als Terrorstaat eingestuft. «Die Russische Föderation ist ein Terrorstaat, eines der Ziele des politischen Regimes ist der staatliche Genozid des ukrainischen Volkes, die physische Auslöschung, die massenhafte Ermordung der Bürger der Ukraine», heisst es etwa in dem Gesetz.

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. (Archiv)
    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. (Archiv)
    Ukraine Presidency/Ukraine Presi/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa
  • 0.05 Uhr

    Kiew: Brauchen Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite

    Die Ukraine hat den Westen zur Lieferung fortschrittlicher Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite für den Kampf gegen Russland aufgefordert. «Wenn der Westen wirklich den Sieg der Ukraine will, ist es vielleicht Zeit, uns MLRS zu geben?», teilte Mychajlo Podoljak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, am Samstag auf Twitter mit. MLRS sind in den USA hergestellte Artilleriesysteme.

    «Es ist schwer zu kämpfen, wenn man aus einer Entfernung von 70 Kilometern angegriffen wird und nichts hat, womit man sich wehren kann», meinte Podoljak. Die Ukraine könne Russland «hinter den Eisernen Vorhang» zurückbringen. «Aber dafür brauchen wir wirksame Waffen. Hier und jetzt.»

    Die US-Regierung zieht einem Medienbericht zufolge in Erwägung, fortschrittliche Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite in die Ukraine zu schicken. Die Artilleriesysteme MLRS und HIMARS könnten Geschosse über bis zu 300 Kilometer abfeuern, hatte der Sender CNN am Donnerstag unter Berufung auf mehrere Beamte berichtet. Ein neues militärisches Hilfspaket könnte bereits in der kommenden Woche angekündigt werden.

    Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowitsch sprach sich unterdessen für Lieferungen von Raketen vom Typ Harpoon aus, mit denen Schiffe angegriffen werden können. Damit könnte die Ukraine die russische Blockade der Seehäfen durchbrechen, wurde Arestowitsch am Samstag von der Agentur Unian zitiert.