Nützlicher Fox-News-Star geht Der Kreml trauert Tucker Carlson nach

gbi

26.4.2023

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow trat am Dienstag am UNO-Hauptsitz in New York vor die Medien. 
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow trat am Dienstag am UNO-Hauptsitz in New York vor die Medien. 
Bild: AP

Dass sich die Wege von Tucker Carlson und Fox News trennen, stimmt den russischen Aussenminister Sergej Lawrow nachdenklich. Kein Wunder: Dem Kreml kommt ein wichtiges Sprachrohr in den USA abhanden.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der russische Aussenminister Sergej Lawrow macht sich Sorgen um die Meinungsfreiheit in den USA.
  • Grund ist, dass Starmoderator Tucker Carlson nicht mehr auf dem rechten US-Sender Fox News zu sehen sein wird.
  • Carlson hatte mit einer Kreml-freundlichen Darstellung des Krieges in der Ukraine polarisiert – und in Russland gepunktet.

Sergej Lawrow ist der ranghöchste russische Regierungsvertreter, der noch in die USA reisen darf. Der Aussenminister nutzte seinen Auftritt am UNO-Hauptsitz in New York nicht nur dazu, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Während seiner New-York-Visite fand er auch Zeit, das Ende von Tucker Carlsons Sendung bei Fox News zu beklagen.

«Vielleicht sollte man sich einmal anschauen, wie es um die Redefreiheit in den USA steht», sagt Putins Aussenminister einer Übersetzung von CNN zufolge. «Ich habe gehört, dass Tucker Carlson Fox News verlässt. Das sind erstaunliche Nachrichten. Worum geht es da? Darüber kann man nur spekulieren.»

Für den 73-Jährigen steht fest: Das Spektrum der Meinungen im amerikanischen Informationsraum habe schwer gelitten. 

CNN-Moderatorin: «Das ist unglaublich, oder?»

Ein langjähriger russischer Spitzendiplomat, der sich zu einem TV-Moderator aus den USA äussert? Das war nicht nur der Nachrichtenagentur DPA eine kurze Meldung wert, sondern lässt auch CNN-Moderatorin Erin Burnett hellhörig werden.

Sie zeigt in ihrer Sendung den Lawrow-Clip und betont danach, was da gerade zu sehen und hören war: «Das ist Wladimir Putins Aussenminister, Sergej Lawrow.» Von allen möglichen Themen entscheide er sich ausgerechnet, darüber zu sprechen, dass Tucker Carlson seine Sendung bei Fox News verloren habe. «Das ist unglaublich, oder?»

Nun, nicht wirklich – respektive nur auf den ersten Blick. Tucker Carlson äusserte in seiner Meinungssendung bei Fox News eine Sichtweise auf den Krieg in der Ukraine, die sich weitgehend mit der russischen Propaganda deckt. Und erreichte auf dem Haussender des konservativen Amerikas ein Millionenpublikum. 

Carlson habe sich «relativ früh festgelegt, dass in diesem Konflikt die USA, die Nato und die Ukraine die Schuldigen, Wladimir Putin und Russland hingegen die Unschuldigen sind», fasst der USA-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» das Narrativ des einstigen Fox-News-Starmoderators zusammen. 

Ein Beispiel: Carlson übernahm in seiner Sendung eine Erzählung, wonach die USA die Ukraine bei der Entwicklung von Biowaffen unterstütze. Laut der «New York Times» geister diese Theorie in Russland seit Jahren umher, obwohl sie nachweislich falsch sei. Carlson dagegen strahlt eine entsprechende Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums aus und hält fest: «Das ist keine Verschwörungstheorie. Das ist wahr.»

Der Kapitol-Sturm sei gar keiner gewesen

Das ist nicht die einzige These, mit der Carlson polemisiert hat. Auch die Ereignisse vom 6. Januar 2021, als Anhänger*innen von Ex-US-Präsident gewaltvoll in das Kapitolgebäude in Washington eindrangen, sieht er ganz anders. Wahlweise als eine Inszenierung der Demokraten, zuletzt als weitgehend friedliche Demonstration besorgter Bürger*innen, die sich gegen die «gestohlene Präsidentschaftswahl» 2020 wehren wollten.

In den USA – sogar innerhalb des Fox-Sendeunternehmens – machte sich der 53-Jährige damit nicht nur Freunde. In Russland aber, so fasst es CNN-Moderatorin Erin Burnett zusammen, «ist Carlson ein Star –, weil er als pro-russisch, anti-amerikanisch und anti-urkainisch gilt».

Tucker Carlson verlässt Fox News

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Der US-Sender und sein umstrittener Star-Moderator haben sich laut Angaben des Medienkonzerns darauf geeinigt, getrennte Wege zu gehen. Die genauen Hintergründe waren zunächst unklar.

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Die russischen Medien griffen die Darstellung, dass eigentlich US-Präsident Joe Biden für das Blutvergiessen in der Ukraine verantwortlich sei, gerne auf. Es wird sogar über ein Memo des Kremls berichtet, wonach russische Medien so oft wie möglich Ausschnitte aus Carlsons Fox-Sendung zeigen sollten. 

Da erstaunt es kaum, dass in Russland die «Trennung» von Carlson und Fox News für grosse Bestürzung sorgt. Wladimir Solowjow, ein bekannter russischer Fernsehmoderator, klagte, die grossen US-Medien hätten damit «die letzte verbliebene Stimme der Vernunft» verloren. «Wir untertützen dich mit ganzem Herzen bei jeder Herausforderung, die du dir auswählst», zitiert «Politico» den russischen TV-Host, «sei es eine Kandidatur als Präsident der USA (was du übrigens bestimmt tun solltest) oder ein unabhängiges Medienprojekt».

Hatte Fox News Angst vor einer neuen Klage?

Da die Gründe für die plötzliche Trennung zwischen Sender und Moderator unbekannt sind, wird aber auch darüber gemutmasst, dass genau seine strittigen Ansichten eine Rolle gespielt hätten. Immerhin zahlte Fox News dem Wahlmaschinen-Hersteller Dominion gerade erst eine Entschädigung von 787,5 Millionen Dollar, um einen Prozess abzuwenden.

Den juristischen Schlamassel angerichtet hatten Carlson und andere Fox-Aushängeschilder, die Trumps mehrfach widerlegte Mär vom Wahlbetrug übernommen hatten. Carlson habe innerhalb von Fox News schon länger als «nicht steuerbar» gegolten, schreibt die NZZ. «Wegen der unvorhersehbaren Polemiken während seiner Show hätte die Gefahr bestanden, dass Carlson früher oder später erneut angeklagt würde, mit hohen finanziellen Risiken für den Sender.»