Sondersitzung der Duma Putin will heute «dringende Fragen» klären lassen

Von Andreas Fischer

15.7.2022

Auf einer überraschend einberufenen Sondersitzung will Wladimir Putin die russische Staatsduma heute «dringende Fragen» diskutieren lassen. Sicher ist, dass Russlands Präsident seine Regierung umbaut.

Von Andreas Fischer

Vielleicht ist es nur viel Lärm um nichts, vielleicht aber werden im russischen Parlament heute weitreichende Entscheidungen getroffen: Die Abgeordneten der Staatsduma kommen ab 11 Uhr Schweizer Zeit in Moskau zu einer ausserordentlichen Session zusammen. Ungewöhnlich ist die Sondersitzung auf jeden Fall: Die Parlamentarier wurden weniger als eine Woche nach Ende der regulären Frühjahrssession zurückbeordert.

Die plötzliche Entscheidung deute darauf hin, dass dringende Angelegenheiten im russischen Parlament behandelt werden müssten, schreibt «The Moscow Times» unter Berufung auf Analysten und Abgeordnete. Auf der Traktandenliste stehen demnach mehr als 60 Themen, wovon die meisten allerdings kaum eine Dringlichkeitssitzung rechtfertigen.

Duma will «dringende Fragen» lösen

Parlamentssprecher Wjatscheslaw Wolodin hatte laut russischen Medienberichten betont, dass die Duma einige Themen so schnell wie möglich behandeln müsse und nicht auf den Herbst verschieben dürfe. Es hätten sich «Fragen angehäuft, die dringend gelöst werden müssen», und es müssten «Regierungsinitiativen» geprüft werden. Unter anderem wolle die Staatsduma den von den prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine bei der Entwicklung eines Rechtssystems helfen.

Mehrere Abgeordnete erklärten gegenüber der «Moscow Times», dass der Hauptgrund für die Sitzung eine Regierungsumbildung sei. Kremlchef Wladimir Putin will die Rolle des russischen Industrieministers Denis Manturow stärken. Der russische Präsident hat das Amt des Industrieministers bereits per Dekret mit der Stelle eines Vizeregierungschefs verknüpft. Die Ernennung Manturows muss noch von der Staatsduma bestätigt werden, was allerdings als Formsache gilt.

«Zar» Putins persönlicher Wille

Eine Dumasitzung nur für diese eine Personalentscheidung einzuberufen, würde zu Putin passen, sagt der politische Analyst Abbas Gallyamov der «Moscow Times». «Die Sitzung ist wahrscheinlich nur der persönliche Wille Putins», so Gallyamov. Putin verhalte sich wie ein «Zar»: 450 Abgeordnete für ihn zu versammeln, sei für ihn nichts Aussergewöhnliches.

Allerdings ist es laut Gallyamov nicht ausgeschlossen, dass es heute «in der Duma zu einer politischen Entscheidung kommt, die mit der Situation in der Ukraine zusammenhängt». Spekuliert wurde in russischen Medien über eine Mobilmachung und Kriegserklärung. In der Vergangenheit wurde bei Sondersessionen der Duma die annektierte Krim in die Russische Föderation aufgenommen oder die abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien anerkannt.

«Es gibt nichts Wichtigeres als das Schicksal des Vaterlandes», betont Wladimir Putin immer wieder und ruft die Staatsduma zu einer ausserordentlichen Session zusammen.
«Es gibt nichts Wichtigeres als das Schicksal des Vaterlandes», betont Wladimir Putin immer wieder und ruft die Staatsduma zu einer ausserordentlichen Session zusammen.
Alexander Zemlianichenko/Pool AP/dpa