Sondersitzung der Duma Selbst die Russen rätseln, was Putin plant

Von Andreas Fischer

12.7.2022

Viele Tote bei russischem Angriff auf Wohnhaus in der Ostukraine

Viele Tote bei russischem Angriff auf Wohnhaus in der Ostukraine

In der Ukraine halten die Kämpfe unvermindert an, vor allem im Osten des Landes versucht die russische Armee, weiter vorzudringen. Dabei wurden bei einem Raketenangriff auf ein Wohngebäude in Tschassiw Jar nach ukrainischen Angaben mindestens 15 M

10.07.2022

Wladimir Putin ruft die Duma überraschend zu einer Sondersitzung zusammen. Was er vorhat, weiss man selbst in Russland nicht. Denkbar sind Mobilmachung, Kriegserklärung und ein Köpferollen in der Regierung.

Von Andreas Fischer

Dass sich das russische Parlament, die Staatsduma, zu einer ausserordentlichen Sondersitzung trifft, kommt äusserst selten vor. Nun aber hat Wjatscheslaw Wolodin, Vorsitzender der Duma, für den kommenden Freitag, 15. Juli, auf seinem Telegram-Kanal eine Dringlichkeitssitzung angekündigt, wie die Nachrichtenagentur Reuters bestätigt. Ihren Sommerurlaub müssen die Abgeordneten demnach verschieben, weil «sich Fragen angesammelt haben, die dringende Lösungen erfordern».

Als wäre die Einberufung einer ausserordentlichen Sitzung nicht überraschend genug, liefern die bislang bekannten Tagesordnungspunkte, wie Massnahmen zum Schutz des Baikalsees oder vereinfachte Rentenzugänge, kaum triftige Gründe. Welche Ziele mit der Dringlichkeitssitzung wirklich erreicht werden sollen, ist bislang unklar. Zuletzt hatten die Warnungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Russland habe in der Ukraine «noch nicht mal angefangen», für Unruhe gesorgt.

Mobilmachung, Kriegserklärung, Köpferollen?

Russische Medien wie die Zeitung «Komsomolskaya Prawda» mutmassen nun, dass am Freitag weitreichende Entscheidungen getroffen werden sollen. Eine Generalmobilmachung sei genauso denkbar wie eine Kriegserklärung an die Ukraine. Zudem könnte die Regierung umgebildet werden.

Da laut dem Kreml-nahen Telegram-Kanal «General SVR» in Moskau «Konfrontationen innerhalb der Eliten» beobachtet würden, versuche Putin mit allen Mitteln, seine Macht zu festigen. Dies umso mehr, als er bislang noch nicht konkret definiert hat, was als Sieg und Endziel des Krieges angesehen werden kann.

Geht es nach der extremistischen Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR), sind Putins Tage als Präsident gezählt, berichtet «The Telegraph». Weil der Titel zu westlich klinge, solle er sein Reich demnächst als «Pravitel» regieren, was übersetzt so viel wie «Herrscher, Regent, Protektor» bedeutet.

Moldau wieder im Visier der Russen

In Moskau ringen Hardliner und gemässigte Kräften derweil um Grundsatzfragen. Der Putin-Vertraute Nikolai Patruschew hatte zuletzt eine «scharfe Eskalation» befürwortet, die die Einnahme weiterer Gebiete in der Südukraine und einen Vormarsch bis zur Republik Moldau beinhalten würde. Der US-Thinktank «Institute for the Study of War» (ISW) sieht darin ein klares Indiz dafür, dass sich Russland auf einen langwierigen Krieg einstellt, um Putins ursprüngliche Ziele der Invasion zu erreichen.

In der Ukraine steht Russland militärisch zurzeit unter Druck. Die neuen westlichen Waffen der Ukrainer, darunter der US-Raketenwerfer Himars und die deutsche Panzerhaubitze 2000, stellen Putins Armee mit ihrer Reichweite und Präzision zunehmend vor Probleme.

Wladimir Putin spannt die Duma ein, um seine Macht zu festigen, vermuten Kreml-nahe Kanäle.
Wladimir Putin spannt die Duma ein, um seine Macht zu festigen, vermuten Kreml-nahe Kanäle.
Yury Kochetkov/EPA/AP/dpa