Wie weiter mit Wagner? Putin hat Prigoschins Nachfolger schon Mitte Juli ernannt

Von Philipp Dahm

25.8.2023

Putin nach Flugzeugabsturz:  Prigoschin war talentierter Geschäftsmann

Putin nach Flugzeugabsturz: Prigoschin war talentierter Geschäftsmann

Putin nach Flugzeugabsturz: Prigoschin war talentierter Geschäftsmann

24.08.2023

Die Wagner-Kämpfer ziehen aus Belarus ab: Werden sie den Tod von Jewgeni Prigoschin rächen? Warum ein neuer Aufstand unwahrscheinlich ist — und welche Optionen Putin im Umgang mit den Söldnern hat.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Es war der Grund für den Aufstand: Die Gruppe Wagner sollte eigentlich schon seit dem 1. Juli dem Verteidigungsministerium unterstellt sein.
  • Wladimir Putin öffnet den Mitgliedern ein Türchen, indem er öffentlich ihre bisherige Arbeit lobt, die er «nie vergessen» werde.
  • Putin hat bereits Mitte Juli Andrej Troschew als neuen Wagner-Boss bestimmt. Er soll den Job nun angeblich antreten.
  • Wenn Wagner das wichtige Afrika-Geschäft nicht fortführt, soll die Privatarmee Redut einspringen, die zum Verteidigungsministerium gehört und die Wagner-Kämpfer übernehmen könnte.
  • Ein zweiter Aufstand ist unwahrscheinlich, weil die Wagner-Mitglieder entweder dem Geld folgen oder als enge Prigoschin-Vertraute von Geheimdienst überwacht werden dürften.
  • Eine radikale Auflösung von Wagner scheint ebenfalls möglich.

Wie geht es weiter mit Jewgenis Prigoschins Söldnern, nachdem ihr Boss angeblich das Zeitliche gesegnet hat? Das fragen sich nicht nur Menschen im Westen oder in der Ukraine, sondern auch in Russland.

Nach dem «jüngsten Konflikt zwischen Prigoschin und Verteidigungsminister Sergei Schoigu» ist sich auch der grösste prorussische Telegram-Kanal Rybar unsicher: «Die Russen sind auch besorgt über das zukünftige Schicksal der Privatarmee Wagner», heisst es da nur. Dabei ist dieses theoretisch klar.

Prigoschin hat am 23. Juni einen Aufstand auch deshalb angezettelt, weil es eine offizielle Weisung gab, dass er seine Privatarmee ab dem 1. Juli dem Verteidigungsministerium unterstellen muss. Dabei war die Armeeführung von Minister Sergei Schoigu und Oberbefehlshaber General Waleri Gerassimow für Prigoschin das Hauptproblem, welches echte Erfolge in der Ukraine verhindert.

«Wenn ich er wäre, wäre ich vorsichtig, was ich esse. Ich hätte ein Auge auf das Menü», hat US-Präsident Joe Biden nach dem Wagner-Aufstand über deren Boss gesagt. Seine Prophezeiung hat sich bewahrheitet: Was wird nun aus der Söldner-Truppe, der die Aussicht, von Schoigu befehligt zu werden, offenbar nicht gefallen hat?

Prigoschins Nachfolger steht schon seit Juli fest

Tatsächlich kann es sich Russland kaum erlauben, auf die kampferprobten Wagner-Veteranen zu verzichten. Das zeigt sich auch in der jüngsten TV-Ansprache von Wladimir Putin, in der er den Söldnern verbal die Hand reicht: «Ich möchte festhalten, dass diese Leute einen signifikanten Beitrag dabei geleistet haben, das Neonazi-Regime in der Ukraine zu bekämpfen», sagt er über die Opfer des Absturzes.

Wladimir Putin (Mitte) am 9. Dezember 2016 mit Wagner-Kämpfern im Kreml: (von links) Andrej «Brodjaga» Bogatow, Andrej «Sedoj» Troschew, Alexander «Ratibor» Kuznetsow und Dmitri «Wagner» Utkin.
Wladimir Putin (Mitte) am 9. Dezember 2016 mit Wagner-Kämpfern im Kreml: (von links) Andrej «Brodjaga» Bogatow, Andrej «Sedoj» Troschew, Alexander «Ratibor» Kuznetsow und Dmitri «Wagner» Utkin.

Und: «Wir erinnern uns daran, wir wissen das, und wir werden es nie vergessen.» Das kann als Zeichen an die verbleibenden Kämpfer gewertet werden, dass die Arbeit, die sie für Moskau erledigt haben, gewürdigt und geschätzt wird. Tatsächlich versucht der Kreml schon seit Wochen, Wagner-Söldner abzuwerben, doch der Erfolg hält sich angeblich in Grenzen.

Das schreibt zumindest Christo Grozev. Einer der wenigen, die Putins Ruf gefolgt sind, ist dem «Bellingcat»-Journalisten zufolge Andrej Troschew, der bei Wagner den Rufnamen Sedoj hatte: Der 61-jährige St. Petersburger soll der neue Wagner-Chef werden, habe der Kreml-Chef bereits Mitte Juli angeordnet. Durchgesetzt hätte sich der Kandidat anscheinend nicht – bis jetzt.

Wer übernimmt das Afrika-Geschäft?

Der Veteran aus diversen sowjetischen und russischen Kriegen arbeitet aktuell als Kommandeur bei Redut, einer Privatarmee des Verteidigungsministeriums. Sie wird von jenem Wladimir Alexejew geführt, der im Tweet ganz oben am 23. Juni im Gespräch mit Prigoschin zu sehen ist. Ob Prigoschins Anhänger ihn jetzt akzeptieren, darf jedoch bezweifelt werden.

Andrej Troschews Aufgabe würde es sein, Prigoschins Afrika-Geschäfte weiterzuführen, nachdem Redut anscheinend erfolglos versucht, Wagner dort abzulösen. Dort winken Einnahmen und Einflussnahme, wie sie auf normalen diplomatischem Weg nicht möglich sind. Es ist aber auch möglich, dass die Gruppe aufgelöst wird: Privatarmeen sind in Russland nämlich eigentlich verboten.

Könnte es auch einen zweiten Aufstand geben, wie ein Video mit wütenden Wagner-Söldnern andeutet? Eine russische Quelle sagt gegenüber «Al Monitor», es gebe zwar einen Plan für den Fall, dass Prigoschin stirbt, doch ohne ihren Boss könne die Organisation ihre Geschäfte nicht weiterführen.

Zweiter Aufstand oder doch eine Auflösung?

Klar ist derzeit nur, dass diejenigen Wagner-Kämpfer, die in Belarus stationiert waren, ihre Zelte dort abbrechen. Das berichtet die ukrainische Grenzwacht der «Ukrajinska Prawda». Satellitenbilder bestätigen den Rückzug nach Russland.

Dass sie in ihrer Heimat den Tod ihres Chefs rächen, darf bezweifelt werden: Söldner stellen ihre Dienste in der Regel dem Meistbietenden zur Verfügung. Das engste Umfeld Prigoschins, das ihm treu bleibt, dürfte der russische Geheimdienst genau im Auge behalten. Der Rest wird sich einen neuen Arbeitgeber suchen.

Es ist durchaus möglich, dass Wagner am Ende einfach aufgelöst – und aus der Geschichte getilgt wird: Ein aktuelles Video zeigt einen Veteranen, der sich erbost beschwert, ein Friedhof der Söldner-Truppe sei eingeebnet worden. In wenigen Wochen werden wir mehr darüber wissen.