Lagebild UkraineNicht nur Soledar «ist dem Erdboden gleichgemacht»
Von Philipp Dahm
18.1.2023
Wagner-Chef Prigoschin dankt Häftlingen nach Ukraine-Einsatz
In einem Video dankt der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, früheren russischen Häftlingen, die den Angaben zufolge für sechs Monate in der Ukraine gekämpft haben und deshalb nun aus der Haft entlassen sind. Er habe ihre «kriminell
17.01.2023
Während sich ukrainische Truppen anscheinend in den Vororten von Kreminna festsetzen, versucht Russland, nach der Einnahme von Soledar nach Westen vorzustossen, um den Druck auf Bachmut zu erhöhen.
Von Philipp Dahm
18.01.2023, 16:19
Philipp Dahm
Im nördlichen Teil der Frontlinie scheinen die ukrainischen Streitkräfte sich in den Vororten von Kreminna festgesetzt zu haben. Der Generalstab hat das zwar nicht direkt bekannt gegeben, doch dafür mitgeteilt, dass die russische Artillerie den Westen der Stadt unter Beschuss nimmt, was als Beleg für die Truppenpräsenz gewertet werden darf.
An der Bachmut-Front wird weiter heftig gekämpft. Leidtragende sind die Zivilisten, die noch in den Dörfern um die Stadt herum ausharren. Freiwillige versuchen, sie zu evakuieren. Sie fahren los, wenn es noch dunkel ist, um im Morgengrauen den Artilleriegranaten zu entgehen, mit denen die russischen Angreifer die Front eindecken.
Sie fahren nach Paraskoviivka, das zwischen Bachmut und Krasna Hora im Norden der Stadt liegt. «Am Tag wird es schweren Artilleriebeschuss geben», erklärt Helferin Klawdia. Der Gegner sei nur zwei Kilometer entfernt. «Die Situation hier ist schrecklich», sagt Pawlo, als sie in dem Dorf angekommen sind. «Wir werden alle evakuieren.» Ihr Ziel ist Slowjansk.
«Es ist sehr beängstigend hier», gibt eine Dame zu Protokoll. «Mein Herz hält das nicht durch.» Doch es sind nicht nur Senioren, die noch ausgehalten haben. Auch Familien mit Kindern werden weggebracht. Sie kommen ursprünglich aus Soledar. «Die Stadt ist dem Erdboden gleichgemacht.»
«Sie versuchen, [Bachmut] zu umschliessen.»
Apropos Soledar: Russische Soldaten haben nicht nur den gesamten Ort inklusive aller Salzminen und der westlichen Vororte eingenommen, sondern auch den Bahnhof Sil weiter im Westen. Die ukrainische Luftwaffe hat in diesem Frontabschnitt nach eigenen Angaben zehn Einsätze geflogen, ein russisches Erdkampf-Flugzeug vom Typ Su-25 soll abgeschossen worden sein.
Russische Vorstösse auf Krasna Hora will Kiews Armee zurückgeschlagen haben. Ohne Aufklärung wäre die Verteidigung des Gebietes unmöglich: «[Der Gegner] weiss, dass Bachmut eine uneinnehmbare Festung ist», erläutert Madjar, der Kommandeur einer Drohnen-Einheit. «Sie versuchen, [die Stadt] zu umschliessen.»
Madjar fährt im Auto Richtung Soledar. Die Front ist 1,2 bis 1,5 Kilometer entfernt. «Wie sie sehen können, ist das eine gute Strasse. Es ist eine Strasse, die [die Russen] kontrollieren wollen. Sie führt nach Kramatorsk.» Seine Einheit sucht nach seiner Ankunft Ziele für die Artillerie in Soledar aus, die den Angreifern schwere Verluste zufüge.
Trümmer so weit das Auge reicht
Doch im Norden von Bachmut scheint der Gegner Boden gutzumachen. Madjars Einheit wird gerufen, um die Truppen in Optyne im Süden von Bachmut zu unterstützen. Ukrainische Soldaten sind in Optyne umringt: «Der Feind ist in dem einen Gebäude und unsere Kräfte in einem anderen», erklärt Madjar. «Der Feind wartet offensichtlich auf Verstärkung.»
BAKHMUT/ 2310 UTC 17 JAN/ RU forces attempting to reinforce, support, or resupply Andriivka salient remain under blistering UKR artillery and direct fire weapons. UKR sortied 10 aviation strike missions targeting troop concentrations. Air defense downed a RU Su-25 aircraft. pic.twitter.com/6Dyi2ub0Gz
Von Optyne aus sind russische Truppen erfolgreich nach Westen vorgestossen und bedrohen nun Klischtschijka und die Bahnlinie, die an dem Dorf vorbeiführt. Auch in den östlichen Vororten von Bachmut selbst wird gekämpft: Moskau versucht also nach wie vor mit allen Mitteln, die Stadt unter Druck zu setzen. Angeblich sind auch russische Soldaten in ukrainischer Uniform unterwegs, um Sabotageakte durchzuführen.
Weiter südlich wollen russische Kräfte ebenfalls nach Westen vorstossen: Von Donezk aus nehmen sie Krasnohoriwka südlich über das Dorf Nevelske und nördlich über Marjinka in die Zange. Die Verteidiger wollen diese Angriffe zurückgeschlagen haben. Ein Drohnenvideo vom 15. Januar zeigt, dass von der Kleinstadt nur noch Schutt übrig ist.
Waffen-Update
Vor dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am 20. Januar in Ramstein in Deutschland haben sich der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte und der Oberkommandierende der ukrainischen Armee in Polen getroffen. Walerij Saluschnyj hat dabei Mark Milley darüber informiert, was die Verteidiger am dringendsten brauchen.
My first personal meeting with #GenMilley, Chairman of @thejointstaff happened in 🇵🇱. Extended my gratitude for the unwavering support & assistance provided by 🇺🇸 & allies to 🇺🇦. Outlined the urgent needs of the #AFU meeting which will accelerate our Victory. pic.twitter.com/A7e3pzODNR
— Commander-in-Chief of the Armed Forces of Ukraine (@CinC_AFU) January 17, 2023
Dabei dürfte es auch um die Lieferung von Panzern gegangen sein. Bisher hat vor allem Polen in diesem Bereich Hilfe geleistet: Seit März sollen 260 T-72 an die Ukraine geliefert worden sein, wie Polens Präsident Andrzej Duda in Davos verraten hat. Warschau hat demnach Kriegsgerät im Wert von zwei Milliarden Dollar verschenkt – darunter auch die Panzerhaubitze AHS Krab und das schultergestützte Flugabwehrsystem Piorun.
Ukrainian Defence Minister Reznikov:
Ukrainian operators of Patriot air defence systems will be trained in 10 weeks.
Die Niederlande wollen derweil Kiews Flugabwehr stärken: Premier Mark Rutte hat bei einem Besuch in Washington erklärt, man erwäge, Kiew mit dem System Patriot zu versorgen, berichtet die «New York Times». Das Training der Soldaten wird statt zehn Monaten in zehn Wochen durchgeführt, ergänzt Verteidigungsminister Oleksij Resnikow.
#Ukraine: The Ukrainian 17th Tank Brigade has been spotted operating M109A4BE 155mm SPG for the 1st time.
At least 20 of these were purchased by the 🇬🇧UK from the Belgian Flanders Technical Supply (FTS) in the Summer, but weren't visually confirmed on the battlefield until now. pic.twitter.com/5eziEB5T5y
Die USA selbst sind der Garant dafür, dass der Ukraine die Munition nicht ausgeht. Dazu bedient sich Washington offenbar nun in amerikanischen Munitionslagern in Israel und Südkorea, weil sich die heimischen Arsenale leeren und die nationale Produktion noch nicht hochgefahren worden ist, berichtet erneut die «New York Times».