Putin-Gegner ist verschwunden Nawalnys Verlegung «ist Teil der Erniedrigung»

gbi

20.12.2023

Das Schicksal von Alexej Nawalny bewegt auch im Ausland: Am 16. November wird ihm in München ein Bambi-Medienpreis für besonderen Mut verliehen. Die Laudatio hält EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
Das Schicksal von Alexej Nawalny bewegt auch im Ausland: Am 16. November wird ihm in München ein Bambi-Medienpreis für besonderen Mut verliehen. Die Laudatio hält EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
DPA

Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny ist seit Wochen wie vom Erdboden verschluckt: Er wird von einem Gefängnis ins nächste verlegt. Der Moskau-Korrespondent der NZZ bringt Licht in das mysteriöse Prozedere.

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  • Der russische Oppositionsführer und Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sitzt eine 19-jährige Haftstrafe ab.
  • Seit Anfang des Monats gibt es kein Lebenszeichen mehr von Nawalny. Nicht einmal seine Anwälte wissen, wo er steckt.
  • Nawalny wird in ein neues Gefängnis verlegt. Dass dieser Prozess Wochen, ja sogar Monate dauern könne und im Geheimen erfolge, sei normal: Das sagt der Russland-Korrespondent der NZZ.
  • Die russischen Justizvollzugsbehörden würden so versuchen, den Gefangenen ihre Ohnmacht bewusst zu machen.

Sicher scheint nur eines: Alexej Nawalny befindet sich nicht mehr im Straflager IK-6, das rund 260 Kilometer östlich von Moskau liegt. Wo der wohl bekannteste Häftling von Russland steckt? Das weiss niemand. Nicht einmal das Anwaltsteam des Kreml-Kritikers.

Vom Oppositionsführer fehlt seit Anfang Dezember jede Spur. Das irritiert nicht nur dessen Umfeld: Anfang der Woche stellte ein Richter im Gebiet Wladimir laut Medienberichten ein Verfahren gegen den 47-Jährigen auf Eis, bis dessen Verblieb geklärt ist.

Diese Geheimniskrämerei sei keine Extrabehandlung für den Kritiker von Präsident Putin, sagt Markus Ackeret, Russland-Korrespondent der NZZ: Die Verlegung von einem Straflager ins nächste sei aus Sicht der russischen Strafvollzugsbehörden generell «eine geheime Sache», erklärt er im Gespräch mit SRF.

Auch die Angehörigen und Rechtsvertreter eines Häftlings würden erst informiert, wenn die Verlegung abgeschlossen sei. «Aber das kann unter Umständen Wochen oder Monate dauern, selbst wenn der Ort, an den er hinkommt, gar nicht so weit entfernt ist.»

«Er ist ihnen voll und ganz ausgeliefert»

Dass alles so lange dauere, sei durchaus gewollt: «Die Verlegung ist Teil der Bestrafung», sagt der NZZ-Korrespondent. Die Behörden würden dem Gefangenen dadurch seine Ohnmacht bewusst machen. «Er ist ihnen voll und ganz ausgeliefert, weiss selber nicht, wohin es geht, und das ist Teil der Erniedrigung.»

Auch wenn fast alles im Dunkeln liegt, im Fall von Nawalny lässt sich trotzdem schon abschätzen, was ihm im neuen Straflager blüht: besonders zermürbende Haftbedingungen.

Alexej Nawalny wird während einer Gerichtsverhandlung per Video aus dem Gefängnis zugeschaltet.
Alexej Nawalny wird während einer Gerichtsverhandlung per Video aus dem Gefängnis zugeschaltet.
Evgeny Feldman/Meduza/AP/dpa

Bisher sei Nawalny im sogenannt «harten Regime» inhaftiert gewesen, sagt Ackeret. Neu werde für ihn das «besondere Regime» gelten. Die Gefangenen seien in kleinen Einheiten untergebracht. «Tags durch dürfen sie sich nicht hinlegen, auch richtige Hofgänge sind nicht erlaubt.»

Das Ziel sei klar: Einerseits solle der Kreml-Kritiker so gebrochen werden, andererseits von der Aussenwelt abgeschnitten. «Das war eines der Hauptziele seiner Verurteilung 2021. Das ist aus Sicht der Behörden nicht so ganz gelungen», sagt der Russland-Kenner.

UNO-Sonderbeauftragte fordert sofortige Freilassung

Auch die für Russland zuständige Sonderbeauftragte des UNO-Menschenrechtsrats, Mariana Katzarova, sorgt sich um Nawalnys Sicherheit und Gesundheit: Das Risiko, dass die Menschenrechte von Gefangenen verletzt würden, sei während einer Verlegung in ein anderes Gefängnis besonders gross, warnte sie am Montag in Genf. Sie rief zur sofortigen Freilassung Nawalnys auf.

Grosse Hoffnungen darf sich Nawalny freilich nicht machen: Er wurde im August wegen angeblicher «extremistischer Aktivitäten» zu 19 Jahren Haft verurteilt. Er sitzt bereits seit 2021 hinter Gittern.

Wo auch immer ihn die Behörden jetzt hinbringen, droht ihm eine besonders leidvolle Haft: Bei Nawalny hätten schon bisher Realität und offizielle Darstellungen nicht übereingestimmt, sagt NZZ-Korrespondent Ackeret: Er sei härter angegangen worden als andere Häftlinge.

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