Late Night USABomben auf Russland oder «Ein wenig Ärger an der östlichen Flanke»
Von Philipp Dahm
11.3.2022
Während Wolodymyr Selenskyj auf Dialog setzt, obwohl er gejagt wird, schlagen Donald Trump und seine Getreuen vor, Russland «heimlich» zu bombardieren oder sonstwie «Ärger zu machen».
Von Philipp Dahm
11.03.2022, 18:08
12.03.2022, 12:47
Philipp Dahm
«Russlands brutale und illegale Invasion der Ukraine hat eine schlimme humanitäre Krise ausgelöst, die im Prinzip die ganze Welt dagegen vereint hat», beginnt Seth Meyers seine «Late Night»-Show. «Sogar Fast-Food-Ketten ziehen sich aus Russland zurück.»
Im folgenden Clip werden die Marken aufgezählt: McDonald's, Starbucks, Coca-Cola, Pepsi und Unilever sind dabei. Sogar bei KFC und Pizza Hut bleibt in Russland die Küche kalt, was aber zu verdauen sein sollte.
Dennoch: «Hier kann keiner gewinnen – auch Russland nicht», meint Meyers, «schwere Sanktionen sind gegen das Regime erhoben worden, sie sind mit einer weltweiten Verurteilung konfrontiert und treffen dann auch noch auf tapferen Widerstand der Ukrainer.»
Es folgt ab Minute 1:41 ein Video aus einem Interview, das Präsident Wolodymyr Selenskyj in dieser Woche einem Reporter des «Vice»-Magazins gegeben hat. Die Frage, ob man Putin trauen könne, beantwortet er so: «Vertrauen? Oh nein», sagt der 44-Jährige mit Reibeisenstimme, «ich vertraue nur meiner Familie.»
Selenskyj? «Wirklich unglaublich»
Aber wie will er einen Kompromiss aushandeln, wenn er seinem Gegenüber nicht traut? «Wir müssen es. Wir müssen es. Wie will man diesen Krieg stoppen? Nur mit Dialog», weiss Selenskyj. «Stopp den Krieg, fang an, zu reden», würde er Putin jetzt sagen, wenn er könnte. Und wenn der russische Präsident das nicht tut? «Ich glaube, er wird es tun. Ich denke, er sieht, dass wir stark sind.»
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Meyers ist beeindruckt: «Das ist wirklich unglaublich: Selbst der Typ, der von einem der barbarischsten Autokraten gejagt wird, glaubt immer noch an die Macht des Dialogs.» Das sei umso erstaunlicher, als dass Selenskyj einst der Top-Comedian des Landes gewesen sei. «Die Comedians, die ich kenne, glauben nur an den Monolog.»
Die Ansage, der Präsident traue nur seiner Familie, findet Meyers noch bestechender. «Ich vertraue meiner Familie kein bisschen.» Und der Mann hat ein Argument: Eines seiner Kinder habe unlängst nachts erbrechen müssen – und durfte deshalb mit einem Spuck-Eimer ins Elternbett steigen.
Das «heimliche» Bombardement
Dann sei sein anderes Kind Axel aufgekreuzt, dem ebenfalls schlecht sei. Meyers konterte, der Dreijährige täusche die Krankheit vor, um auch bei den Eltern schlafen zu können. «Er durfte ins Bett, er bekam seinen eigenen Eimer, und nun sagen Sie mir anhand dieses Fotos, ob er die Wahrheit gesagt hat.»
Wenn sogar Selenskyj noch an die Kraft der Diplomatie glaube, könnten wir es auch, verdeutlicht der Moderator seinen Punkt. «Es ist der einzige Weg, diesen schrecklichen Konflikt zu beenden. Eine Eskalation macht alles nur noch schlimmer.» Und an diesem Punkt ist es für Meyers einfach, zu den Republikanern überzuleiten.
«Wir haben euch am Anfang der Woche erzählt, dass Donald Trump die durchgeknallte Idee hatte, Russland zu bombardieren und so zu tun, als sei es China gewesen.» Eine Nachrichtensprecherin erklärt das Ganze im Clip ab Minute 4:05: Trump sagte, die USA müssten bloss «die chinesische Flagge auf ein paar F-35 tun» und «die Scheisse aus Russland herausbomben».
Typisch Trump
Weil sein Publikum darüber gelacht habe, «lasst uns so tun, als sei es ein Witz gewesen», schliesst die «Fox News»-Sprecherin. Doch Meyers hat was dagegen. «Wir haben auch angenommen, er scherzt, als er sagte, dass er Präsident werden will. Denn, ihr wisst es, er war ein berüchtigterweise bankrotter Gameshow-Trottel. Er scherzt immer, bis er es nicht mehr tut.»
So wie der Ehemann, der seiner Frau und ihrer besten Freundin einen Dreier vorschlägt: «Das wäre doch so lustig, wir drei, richtig? Sollten wir das nicht machen? Als Witz???» Es sei ein typischer Trump: Erst mal so tun, als sei es nicht ernst, um dann die Reaktionen abzuwarten. Und Meyers liefert auch hier Argumente.
«Wisst ihr noch, als er 2016 angeblich scherzte, dass Russland die Mails von [seiner demokratischen Konkurrentin] Hillary [Clinton] hacken sollte? Und dann haben sie es getan? Oder als er seiner wissenschaftlichen Beraterin direkt ins Gesicht sah und vorschlug, dass man den Leuten Desinfektionsmittel spritzen solle, um Corona zu heilen? Und später behauptet hat, er mache Witze?»
Windräder «spielen ihnen direkt in die Hände»
Die Pointe folgt auf dem Fuss: «Wenn er Witze gemacht hat, warum sieht ihr Gesicht dann so aus?»
Meyers erinnert daran, dass auch niemand geglaubt habe, Trump würde wirklich einen Sturm aufs Kapitol entfachen. Auch seine Obsession mit Windrädern erscheine einem im Nachhinein wie ein schlechter Witz – doch der Ex-Präsident meine es mit sowas eigentlich ernst.
Das habe er diese Woche wieder bewiesen, als Trump nach der Ukraine gefragt wurde und dann irgendwie wieder bei seinen Windrädern landete, wie ab Minute 6:01 zu sehen ist. Wie wird der Krieg enden, wird er gefragt? «Nun, ich habe es schon vor langer Zeit gesagt: Wir spielen ihnen direkt in die Hände mit der grünen Energie. Die Windräder, sie funktionieren nicht.»
Warum? «Sie sind zu teuer, sie töten alle Vögel, sie ruinieren die Landschaft. Ich predige das seit Jahren: die Windräder. Ich hatte sie schon verringert, aber die Windräder sind die teuerste Energie, die man haben kann. Und sie funktionieren nicht. Sie halten zehn Jahre lang, und wenn sie dann anfangen zu rosten und zu verrotten, baut die keiner ab. Sie nehmen einfach das nächste Stück Land und zerstören es», weiss Trump.
«Was, wenn wir die Russen ablenken und nervös machen?»
Dabei müsste der 75-Jährige Windräder eigentlich lieben, meint Meyers: «Weil ihr beide euch immer im Scheiss-Kreis dreht. Mal ernsthaft: Wie schafft er es, im selben Satz von Russlands Invasion der Ukraine zu Windrädern zu kommen? Das ist der Führer der Republikanischen Partei und ihr wahrscheinlicher Kandidat für [die Präsidentschaftswahl] 2024!»
Und während Joe Biden das Ukraine-Thema «nüchtern» und «mit Zurückhaltung» angehe, hauen Trumps Anhänger Meyers zufolge einen Bock nach dem anderen raus – wie etwa Fox-News-Moderator Jesse Watters. Im Clip ab 10.40 Minute palavert der 43-Jährige mit einem Militär-Experten und lässt ihn an seinen Ideen teilhaben.
«Was, wenn wir die Russen ablenken und nervös machen?», fragt er. «Was, wenn die Japaner ein bisschen Ärger an ihrer östlichen Flanke machen, wir senden ein paar Marine-Güter ins Schwarze Meer und sagen einfach ‹Hey, wir beschützen die Türkei› – was, wenn wir im Baltikum ein paar Jets aufsteigen lassen? Irgendwas, damit die Russen vielleicht zweimal überlegen?»
«Glaubst du, du bist hier gerade beim Meeting, um den neuen Steven-Seagal-Film zu pitchen?», erregt sich Meyers. «Und in welcher Welt glaubt man eigentlich, der beste Umgang mit Putin ist es, ihn zu verarschen? Wenn in deiner Garage ein tollwütiger Waschbär ist, ruft man den Tiernotruf. Aber ich wette, man kriegt bei Fox News jemanden dazu, zu sagen: Du musst einen Haufen Böller anzünden, damit er durchdreht.»