Far Rockaway Kampf gegen die Impfskepsis in New York

AP/toko

30.5.2021 - 15:29

Angelita Ramos (r.) geht ihren Impfausweis durch, während sie darauf wartet, dass die lizenzierte praktische Krankenschwester Karja Austin ihr die zweite Dosis des Moderna COVID-19-Impfstoffs verabreicht.
Angelita Ramos (r.) geht ihren Impfausweis durch, während sie darauf wartet, dass die lizenzierte praktische Krankenschwester Karja Austin ihr die zweite Dosis des Moderna COVID-19-Impfstoffs verabreicht.
AP Photo/Mary Altaffer/dpa/Keystone

Im abgelegensten New Yorker Viertel ist die Impfquote kaum halb so hoch wie im Rest der Stadt – und das obwohl hier besonders viele an Covid-19 starben. Misstrauen, Falschinformationen und religiöse Motive gehören zu den Gründen.

Kaum wo in New York haben die Leute mehr Grund, das Coronavirus zu fürchten, als in Far Rockaway. In dem Viertel im New Yorker Stadtbezirk Queens starben fast 460 Bewohnerinnen und Bewohner an Covid-19. Das ist einer von 146 Menschen in dem Wohngebiet an der Küste und damit eine der höchsten Todesraten in New York City. Trotzdem ist nirgendwo in der Stadt die Impfquote niedriger als hier.

Bis zum 24. Mai waren nach Angaben der Gesundheitsbehörde nur 29 Prozent der Bewohner von Far Rockaway mindestens einmal geimpft. Stadt- und landesweit liegt die Rate bei 49 Prozent. Die Situation in dem Viertel mit 67'000 Einwohnern spiegelt die Herausforderungen wider, vor denen vielerorts Gesundheitsexperten stehen: Sie versuchen, eine Impfskepsis zu überwinden, die auf Misstrauen, Falschinformationen und Ängsten beruht.

«Wir haben eine grosse Anzahl von Leuten, die sich immer noch nicht impfen lassen wollen, aus welchem Grund auch immer», sagt Diana Catalan, Managerin einer an der Impfkampagne beteiligten Klinik in Far Rockaway. Manche wollten noch ein paar Monate abwarten, wie geimpfte Freunde und Angehörige auf das Vakzin reagieren. Einige hätten haltlose Verschwörungstheorien über Gefahren des Impfstoffs gehört. Andere verspürten einfach keine Eile, da sie bislang nicht schwer erkrankten.



Misstrauen gegen medizinisches Establishment

Das mehr als eine Stunde per U-Bahn von Manhattan entfernte Far Rockaway liegt zwischen einer Bucht und der Küste, nicht weit entfernt vom Flughafen J.F.K. Wie an vielen Orten mit niedrigen Impfraten in den USA besteht die Bevölkerung mehrheitlich aus Schwarzen und lateinamerikastämmigen Amerikanern. Unter manchen Afroamerikanern herrscht wegen einer Geschichte der Diskriminierung nachweislich Misstrauen gegenüber dem medizinischen Establishment und der Regierung. Die Menschen hätten Angst vor allem, was ihnen von der medizinischen Fachwelt angeboten werde, da schwarze Geringverdiener in der Vergangenheit bei der Gesundheitsversorgung benachteiligt worden seien, erklärt Khaleel Anderson, der die Gegend im Unterhaus des Staates New York vertritt.

Mitglieder der Latino-Gemeinde in Far Rockaway befürchten zum Teil negative Folgen für ihre Asylanträge. In einem Teil des Viertels lebt auch eine Gemeinde orthodoxer Juden, unter denen – ebenso wie unter Evangelikalen – die Impfskepsis höher ist. Manche Frauen hier haben Angst wegen des falschen Gerüchts, der Impfstoff habe Einfluss auf die Fruchtbarkeit, wie Moshe Brandsdorfer vom Jüdischen Gemeinderat sagt, der online über die Impfungen aufklärt. Gemeindemitglieder, die bereits an Covid-19 erkrankten, hielten eine Impfung nicht mehr für notwendig.



Das im 19. Jahrhundert ursprünglich als Ferienort entwickelte Viertel ist heute ärmer als die meisten Teile der Stadt. Es besteht aus voneinander getrennt liegenden Sozialwohnungen, Apartment-Türmen am Meer und vorstädtischen Einfamilienhäusern auf acht Quadratkilometern. Die Impfquote steht im scharfen Kontrast zu der in Breezy Point, einer wenige Kilometer westlich gelegenen, wohlhabenderen Gegend: Dort sind 75 Prozent der Bewohner erstgeimpft.

«Malzeichen des Tieres»

Die 24-jährige Marimar Alvarado hat sich mit ihrer gesamten Familie gegen eine Covid-19-Impfung entschieden. Sie bezeichnet das Vakzin als «Malzeichen des Tieres», in der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament ein Hinweis auf die bevorstehende Endzeit. Die Verschwörungstheorie hat sich auch in christlichen Kreisen verbreitet.

Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in den USA haben auch Angst vor einer Impfung, weil sie ungern ihre persönlichen Daten angeben wollen, wie örtliche Gesundheitshelfer der AP sagten. Die kurze Unterbrechung der Impfungen mit dem Vakzin von Johnson & Johnson wegen mutmasslicher Thromboserisiken habe ebenfalls Leute abgeschreckt.

Keine Zeit für die Impfung

Doch langsam steigt die Zahl der Impfungen auch in Far Rockaway – unter anderem durch zusätzliche Angebote am Wochenende für Menschen, die es sich nicht leisten können, unter der Woche einen Tag freizunehmen, wie der Abgeordnete Anderson erklärt. Auch Angelita Ramos hat ihre Impfung zunächst hinausgezögert, inzwischen aber schon ihre zweite Dosis bekommen. «Ich hatte Angst», sagt die 46-jährige Spanischlehrerin. «Ehrlich gesagt wollte ich zuerst abwarten, wie es läuft». Kollegen hätten sie dann aber doch überzeugt, sich impfen lassen.

Um weitere Skeptiker umzustimmen, gehen Helfer in einigen Teilen von New York von Haustür zu Haustür und bieten zum Teil Anreize wie Essens- oder U-Bahn-Gutscheine an. Um die Impfraten zu steigern, sei eine solche persönliche Ansprache notwendig, betont Miriam Vega vom Addabbo-Gesundheitszentrum: «Diese letzte Gruppe von Menschen, die wir für die Herdenimmunität erreichen wollen, wird viel Arbeit erfordern.»

Der Bezirkschef von Queens, Donovan Richards, stimmt zu. Für die Bewohner von eng vernetzten Gemeinden wie Far Rockaway gelte: «Wenn sie nicht sehen, dass ihr Nachbar geimpft wird, lassen sie sich auch nicht impfen.»

AP/toko