Late Night USA Trump über Post und Briefwahl: «Oder man erfährt nie, wer gewonnen hat»

Von Philipp Dahm

14.8.2020

Donald Trump sagt, eine hohe Briefwahl gefährde den Urnengang am 3. November. Das klingt fast wie eine Drohung.
Donald Trump sagt, eine hohe Briefwahl gefährde den Urnengang am 3. November. Das klingt fast wie eine Drohung.
Screenshot: YouTube

Die US-Post steckt unverschuldet in Geldnot. Gleichzeitig ist die Briefwahl-Nachfrage aus Angst vor SARS-CoV-2 höher denn je. Doch Donald Trump denkt nicht daran, das Problem zu lösen. Im Gegenteil.

Wie heisst es so schön? «Ich bin nur der Überbringer der schlechten Nachricht», auf Englisch «Don’t shoot the messenger». Doch genau das ist, was Washington gerade versucht, werfen die Kritiker des Late-Night-TV Donald Trump und Co vor: Sie torpedieren die amerikanische Post, um die Briefwahl für den Urnengang am 3. November zu erschweren.

Worum geht es? In Zeiten der Corona-Angst wächst die Wahlbeteiligung, wenn mehr Bürger per Post abstimmen könnten. Und wenn man annimmt, dass die Republikaner das Gros ihrer Wähler bereits erreicht und mobilisiert haben, bringt der Postbote mit den Wahlzetteln potenziell weniger gute Nachrichten für den Amtsinhaber.

Was also tun, wenn eine Politik der Polemisierung es nicht zulässt, eine breitere Wählerschaft anzusprechen? Das Weisse Haus nimmt die Post aufs Korn, legt auf den Boten an und tut sein Möglichstes, dem Überbringer der Wahlstimmen die Kugel zu geben. Dieser Fangschuss zeichnet sich schon seit Monaten ab, doch nun räumt Donald Trump sogar selbst ein, dass es ihm im Finger juckt.

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Bock zum Gärtner gemacht

«Trump lag in den Gallup-Umfragen immer unterhalb 50 Prozent Zustimmung», leitet «Late Night with Seth Meyers» in die Thematik ein, «noch nie war einer so unbeliebt.»

Die jüngste Attacke auf die Post habe vor einer Woche begonnen, als eine Umstrukturierung der Behörde beschlossen wurde, die älter als die Vereinigten Staaten selbst ist. Zwei leitende Köpfe im Tagesgeschäft seien entlassen worden, um mehr Macht beim neuen Direktor zu kumulieren: Louis Dejoy ist ein Geschäftsmann, der für Trumps letzten Wahlkampf gespendet hat: Meyers spricht von 360'000 Dollar, andere Quellen berichten von 1,1 Millionen Dollar.

«Man weiss, dass an [der Umstrukturierung] etwas faul ist, wie sie Freitagnachmittag verkündet wurde», lästert Meyers: DeJoy kommt ausgerechnet aus der Logistikbranche und besitzt mit seiner Frau Aktien von Post-Konkurrenten wie dem Paketdienst UPS in Millionenhöhe. «Das ist, als würde man herausfinden, dass der Colonel [der Fastfood-Kette KFC] der neue Präsident von [der Tierschutzorganisation] Peta ist.» Meyers ahmt die fleischgewordene Werbefigur nach: «Deine Hühner sind sicher bei mir …»

Mhhh, diese saftigen Schenkel: Meyers als KFC-Colonel alias Hühner-Sitter des Grauens.
Mhhh, diese saftigen Schenkel: Meyers als KFC-Colonel alias Hühner-Sitter des Grauens.
Screenshot: YouTube

Laut Trump – in Wort und Bild ab Minute 4:08 zu sehen – ist diese Umstrukturierung bitter nötig. «Sie haben derart viel Geld in den letzten Jahrzehnten verloren. Niemand hat jemals … nichts verliert so viel Geld wie die Post. […] Sie hat einen massiven Geldbetrag verloren in den letzten Jahrzehnten. Massive Geldbeträge. Das ist nichts Neues. Das passiert schon seit langer Zeit. Sie verliert eine enorme Geldsumme.»

Post, Geld, Verlust, Kamera, TV: Man kann Donald Trump nicht vorwerfen, dass er seine Kernbotschaft nicht ausreichend betont.
Post, Geld, Verlust, Kamera, TV: Man kann Donald Trump nicht vorwerfen, dass er seine Kernbotschaft nicht ausreichend betont.
Screenshot: YouTube

Doch erstens habe die Post zwischen 2003 und 2006 Gewinne gemacht, und zweitens dürfe sich gerade Trump nicht über grosse Verluste beklagen, der in den 1980er- und 1990er-Jahren eine Milliarde Dollar abschreiben musste, meint Meyers. Zudem sei die Post ein öffentlicher Dienstleister: «Man hört die Leute ja auch nicht sagen, die Feuerwehr verliert Geld.» Und ausserdem habe die Post vor allem ein Problem wegen eines Gesetzes, das George W. Bush 2006 unterschrieben hat – und das übrigens auch die Demokraten mitgetragen haben.

Schweres Päcklein zu tragen

Das verpflichtet den Zusteller, die Sozialbeiträge seiner Angestellten auf 75 Jahre hinaus auf die hohe Kante zu legen – also auch von Mitarbeitern, die noch gar nicht eingestellt und vielleicht noch nicht einmal geboren sind: Es geht um die unglaubliche Summe von 89 Milliarden Dollar, die innert zehn Jahren erbracht werden muss. Das verhagelt dem Unternehmen natürlich die Bilanz. Keine andere Behörde habe so eine Last zu tragen.

Bilanz der US-Post bis zur Verabschiedung des neuen Gesetzes von 2006.
Bilanz der US-Post bis zur Verabschiedung des neuen Gesetzes von 2006.
Screenshot: YouTube

Auf einen Angestellten heruntergebrochen sei das, als würde man nur von 18 bis 28 Jahre arbeiten und dann von dem Geld leben wollen, bis man 103 Jahre alt ist. Ohne das Gesetz hätte die Post in den letzten sechs Jahren Gewinne gemacht, so Meyers. Nun musste die Behörde den Kongress um Hilfen in Höhe von 25 Milliarden Dollar bitten – ein Klacks im Vergleich zu den 738 Milliarden Dollar, die das Verteidigungsministerium bekomme.

Trump selbst sagt ab Minute 10:03, er wolle nicht Wochen, Monate oder gar Jahre warten, bis die per Brief abgegebenen Stimmen ausgezählt seien. «Oder man erfährt nie, wer gewonnen hat», schwadroniert der 74-Jährige. «Ich will nicht drei Monate warten, um dann herauszufinden, dass die Stimmzettel fehlen und die Wahl nicht rechtmässig ist. Das ist, was passieren wird.»

Meyers kontert: «Das wird nur geschehen, wenn du es geschehen lässt. Trump ist wie ein Kredithai, der sagt: ‹Ich würde es nur sehr ungern sehen, wenn dir beide Daumen gebrochen werden›.»

Die neueste Entwicklung: Der Präsident hat beim Sender «Fox» frank und frei eingeräumt, er wolle die Post nicht unterstützen, um die Briefwahl einzuschränken. Verschobene Wahlen gebe es bald also auch in den USA, meint die «Daily Show with Trevor Noah».

Und John Oliver wusste es schon im April...

... und schlug zuletzt im Juni die Alarmglocke

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