Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU zur Öffnung ihrer Grenzen für die Agrarprodukte aufgefordert – dies aufgrund der neuen russischen Seeblockade gegen Getreide aus seinem Land.
Europas Institutionen könnten vernünftiger handeln, als die Grenzen für ein bestimmtes Produkt zu schliessen, sagte Selenskyj in seiner am Montagabend in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft. Die bisher bis zum 15. September verfügten Beschränkungen für den ukrainischen Getreideexport müssten an dem Tag auch wirklich enden.
Putin will ukrainisches Getreide ersetzen
Moskau/Kiew, 24.07.23: Wenige Tage nach dem Stopp des Getreideabkommens durch Moskau erklärt der russische Präsident Wladimir Putin: Russland sei bereit, ukrainische Getreidelieferungen zu ersetzen.
Putin schreibt auf der Webseite des Kremls:
(Texttafel) «Ich möchte versichern, dass unser Land in der Lage ist, ukrainisches Getreide sowohl auf kommerzieller als auch auf unentgeltlicher Grundlage zu ersetzen, zumal wir in diesem Jahr eine weitere Rekordernte erwarten».
Trotz der vom Westen verhängten Sanktionen werde Russland weiterhin «energisch» an den Lieferungen von Getreide, Nahrung, Düngemittel und anderem an afrikanische Länder arbeiten.
2022 habe Russland 11,5 Millionen Tonnen Getreide nach Afrika exportiert, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fast zehn Millionen Tonnen.
25.07.2023
«Jede Verlängerung dieser Einschränkungen ist absolut inakzeptabel und klar nicht europäisch», sagte er. Es dürfe keine Blockade des ukrainischen Exports mehr geben, schrieb er auch in einer Nachricht in seinem Telegram-Kanal.
Die EU-Kommission hatte Anfang Juni beschlossen, Einschränkungen für Getreideimporte aus der Ukraine bis zum 15. September zu verlängern. Die fünf östlichen EU-Staaten Polen, Ungarn, Slowakei, Rumänien und Bulgarien wollen auch nach dem Datum am Importverbot festhalten, wenn die EU-Kommission keine andere Lösung findet.
Selenskyj sagte, er habe mit Regierungsbeamten und Experten beraten, wie die Agrarprodukte wieder EU-Gebiet passieren könnten. Es werde an einer Lösung im Geiste Europas gearbeitet. Die Ukraine gehört wie Russland zu den grossen Getreideexporteuren. Ihr Weizen und Mais etwa sind ein wichtiger Beitrag für die Ernährungssicherheit in der Welt.
Landwirte in den östlichen EU-Ländern befürchten einen Preisverfall durch die Konkurrenz, sollten ukrainische Agrarprodukte auf den EU-Markt kommen. Dort dürfen Weizen, Mais, Rapssamen und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine nicht mehr frei gehandelt werden. Der Transit der Waren in andere EU-Länder ist aber gestattet. Die in die EU strebende Ukraine sieht eine mögliche Verlängerung der Importverbote als «nicht sehr freundlichen Schritt».
Für die Ukraine, die sich seit 17 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg verteidigt, ist der Landweg nun die einzige Möglichkeit, ihre Agrarprodukte auf dem Weltmarkt zu verkaufen und so wichtige Einnahmen zu erzielen.
Russland hatte am Montag voriger Woche ein von der Türkei und den Vereinten Nationen vermitteltes Abkommen zur Verschiffung ukrainischen Getreides übers Schwarze Meer aufgekündigt. Als Grund nannte Moskau, dass seine Forderungen an die EU nach einer Lockerung der Sanktionen nicht erfüllt seien.