Sie wollen das Land aus der Krise führen, für die sie US-Präsident Donald Trump verantwortlich machen. Gut 80 Tage vor der US-Wahl gibt das Spitzenduo der Demokraten einen Vorgeschmack auf die Taktik im Kampf ums Weisse Haus.
Im Kampf ums Weisse Haus gehen die demokratischen Anwärter Joe Biden und Kamala Harris in die Offensive. Bei ihrem ersten Auftritt als Team warfen sie Amtsinhaber Donald Trump Versagen in der Coronakrise und allgemeine Führungsschwäche vor. «Jammern ist, was Donald Trump am besten kann», sagte der designierte Präsidentschaftskandidat Biden am Mittwoch (Ortszeit). Die schwarze Senatorin Harris, die erst am Vortag als Kandidatin für den Vizepräsidentenposten ausgewählt wurde, machte Trump für die hohen Coronaopferzahlen in Amerika verantwortlich.
Der straff durchgetaktete Auftritt in Wilmington (Delaware) gab einen ausführlichen Vorgeschmack auf die Argumente und Taktik des demokratischen Spitzenteams für die gut 80 Tage bis zur Präsidentenwahl am 3. November.
Angriff auf Trump
Biden überliess der früheren Staatsanwältin Harris den Grossteil der Attacken auf den amtierenden Präsidenten. «Wir haben einen Präsidenten, der sich mehr um sich sorgt als um die Menschen, die ihn gewählt haben», sagte sie. Harris fokussierte sich besonders auf die Coronakrise, in der alle 80 Sekunden ein Amerikaner an Covid-19 sterbe. Das Virus habe die USA besonders hart getroffen, «weil Trump es von Anfang an nicht ernst genommen hat», prangerte sie an. «Während andere Länder der Wissenschaft folgten, propagierte Trump Wunderarzneien, die er bei Fox News gesehen hat», kritisierte sie mit einer Anspielung auf Trumps Lieblingssender. «Trump ist auch der Grund, warum Millionen Amerikaner jetzt arbeitslos sind.»
Mensch Joe
Harris fiel es auch zu, den Wählern Biden als Menschen zu präsentieren. Sie sprach von ihren Unterhaltungen mit Bidens Sohn Beau – ebenfalls ein Jurist, der 2015 an einem Gehirntumor starb. Er habe ihr davon erzählt, wie Joe Biden nach dem Unfalltod seiner Frau trotz der Arbeit im über 150 Kilometer entfernten Washington stets seinen beiden Söhnen morgens Frühstück gemacht und sie abends ins Bett gebracht habe. «Er ist jemand, dessen erste Reaktion, wenn es hart wird, ist, nie an sich zu denken, sondern sich um alle anderen zu kümmern.» Biden wirkte sichtlich gerührt.
Bidens Argumente für Harris
Er erinnerte daran, dass er Harris über seinen Sohn kennengelernt habe. «Ich weiss, wie sehr Beau Kamala und ihre Arbeit respektiert hat. Und das hat mir, um ehrlich zu sein, sehr viel bedeutet, als ich meine Entscheidung getroffen habe.» Harris sei klug, zäh, erfahren und eine «bewährte Kämpferin für das Rückgrat dieses Landes», die Mittelschicht und diejenigen, die darum kämpften, in die Mittelschicht zu gelangen. Harris sei Tochter von Einwanderern. «Ihre Geschichte ist Amerikas Geschichte», sagte er.
Staatsmann Biden
Biden hielt Trump zwar vor, ein Problem mit starken Frauen wie Harris zu haben, hielt sich mit Kritik aber weitgehend zurück und gab sich mehr als Staatsmann. «Es ist ein ernster Moment für unsere Nation», betonte er. «Wir stehen an einem Wendepunkt.» Es sei eine lebensverändernde Wahl, die die Zukunft Amerikas für eine lange, lange Zeit bestimmen werde. «Ich weiss, dass wir in einer Schlacht um die Seele unserer Nation sind», bilanzierte Biden.
Die Stimmung
Die Coronakrise prägte den Auftritt: Als Harris und Biden nebeneinander den Raum betraten, trugen sie Schutzmasken. Zu keinem Zeitpunkt kamen sie sich näher als nötig. Beim Wechsel am Rednerpult tauschten sie Blicke aus, Harris strahlte, als sie übernahm – Biden kam noch einmal kurz zurück, weil er seine Maske liegen gelassen hatte. Eine herzliche Umarmung wie im März, als Harris Biden die Unterstützung für seine Kandidatur zusagte, gab es nicht.
Die Versprechen
Eine Biden-Harris-Regierung werde einen umfassenden, wissenschaftsbasierten Plan für die Bewältigung der Coronapandemie haben, versprach Biden. Sie werde auch der Klimakrise begegnen, die Gesundheit der Amerikaner schützen und Jobs schaffen. Zudem sollten Frauenrechte geschützt, das Wahlrecht gestärkt und struktureller Rassismus im US-Justizsystem ausgemerzt werden, sagte Harris.
Trumps Konter
Kurz nachdem Biden und Harris die Bühne verliessen, betrat im Weissen Haus Trump das Podium für eine Pressekonferenz – die dritte in drei Tagen. Er zeigte zunächst Grafiken, die unter anderem ein Wachstum am Aktienmarkt und eine Erholung der Nachfrage nach Autos darstellten. «Wir machen uns unglaublich gut», versicherte er abermals. Europa habe unterdessen in der Coronakrise eine um 40 Prozent höhere Übersterblichkeit als die USA erlebt. «Wir arbeiten mit Europa an deren Schwierigkeiten», sagte Trump.
Auf die Attacken von Biden und Harris reagierte er erst spät bei dem rund einstündigen Termin. Nein, er habe sich ihre Auftritte nicht angesehen, nur kurz reingeschaut, antwortete Trump auf eine Reporter-Frage. Er erinnerte daran, dass er es im Gegensatz zu Harris durch den Vorwahlkampf als Präsidentschaftskandidat geschafft habe: «Sie ging wie ein Stein unter. Ich nicht.» Und wie schon am Vortag warf er Harris vor, nicht aufrichtig zu sein, weil sie früher Biden kritisiert habe und jetzt preise: «Sie hat über Biden schlimmere Dinge gesagt, als ich es jemals tat.»
Versteckte Spitze für Biden
Für Biden selbst hatte Trump eine versteckte Spitze übrig. «Wenn man zu Hause im Keller sitzt und auf den Computer starrt, fängt das Gehirn an, zu verkümmern», sagte er, als es um das Lernen zu Hause statt in der Schule ging. Trump hatte in den vergangenen Tagen immer wieder erwähnt, dass Biden in Wilmington im Keller sitze und dort mal rauskommen müsse. Wegen der Coronapandemie hatte Biden den Wahlkampf zunächst grösstenteils von einem improvisierten Fernsehstudio in seinem Keller aus gemacht.
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